Leopoldsdorf wird 1140 erstmals urkundlich erwähnt. Damals wurde es als Luipolzdorf bezeichnet. Lehensherren waren die Babenberger. Herzog Friedrich II der Streitbare belehnte den Ritter Tannhäuser mit dem Gut. Dieser war jedoch ein weit besserer Minnesänger als Gutsverwalter. Er gab die von ihm abgewirtschaftete und verschuldete Herrschaft bald auf und zog als fahrender Sänger von Burg zu Burg. 1293 nannte sich Ortulf von Leupolzdorf nach dem Besitz. Um 1358 waren die Grafen von Pfannberg Eigentümer der Burg. 1389 verkaufte Reinprecht von Haslau sein Lehen dem Wiener Bürger Ulrich dem Zinken. Auf diesen folgte die Wiener Bürgerfamilie Würfel, denen Leopoldsdorf noch 1447 gehörte. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts setzten sich hier Strauchritter fest, die den Straßenverkehr belästigten. Sie wurden um 1470 durch den aus Krain stammenden Ritter Ruprecht Creuzer vertrieben, der danach als Pfleger eingesetzt wurde. Hans Marx von Beckh erwarb 1523 die Herrschaft. Er war Doktor beider Rechte und Kammerprokurator in Niederösterreich. Während der Wiener Türkenbelagerung von 1529 hatte er das Amt des obersten Proviantmeisters inne. 1527 veranlasste er die Erhebung der Schlosskapelle zur Pfarrkirche. Es gelang ihm das bisher landesfürstliche Lehen in freies Eigen umzuwandeln. 1597 wurden seine Söhne mit dem Prädikat von Leopoldsdorf in den Freiherrenstand erhoben.
Bauherr des heutigen Schlosses war Hieronymus Freiherr von Beckh, der 1581 die alte Burg im Renaissancestil zu einem regelmäßigen Vierkanter umbauen ließ. Er sorgte auch für die Anlage neuer Wassergräben. Sein Sohn Joachim verkaufte Leopoldsdorf im Jahr 1600 an den ungarischen Adeligen Christoph Freiherr Pettheo von Gerse. Nach zwei weiteren Besitzern (Maria Freiin von Tyriak 1606 und Katharina Freiin von Concin 1617) kam das Schloss 1643 an die Freiherren von Fünfkirchen. 1683 wurde Leopoldsdorf von den Türken verwüstet. Ab 1713 wechselten die Schlossbesitzer recht häufig. Von 1802 bis 1825 gehörte die Herrschaft Constantin Ritter von Böckh. Anschließend war Erzherzog Karl, der Sieger von Asparn, im Besitz des Gutes. Er beauftragte 1825 den Architekten Josef Kornhäusel umfassende Adaptierungsarbeiten vorzunehmen. Von 1839 bis 1883 stellten die als Bankiers bekannten Freiherren von Sina die Schlossherren. Für einige Jahre war dann Georg Heinrich von Mautner Markhof Gutsherr in Leopoldsdorf. 1889 übernahm der mit ihm verwandte (Schwiegersohn?) Baron Emmerich Waechter den Besitz. Er ließ das Schloss im Stil des Historismus neuerlich stark verändern. Seine Familie blieb bis in jüngster Zeit im Besitz des Gutes. Während der Besatzungszeit nach 1945 hatte das Schloss, vor allem aber das Inventar, schwer zu leiden. Die Bauschäden wurden aber bald behoben. Nach längerem Leerstand hat 2007 Dr. Michael Müller das Schloss erworben und aufwändig restauriert. Es dient ihm als Zentrale für seine Firmengruppe..
Das ehemalige Wasserschloss liegt in einem großzügig angelegten Park. Zur Straße hin sind ihm ausgedehnte Wirtschaftsbauten vorgelagert. Das Schloss war einst von einem zweifachen Mauerring und einem System von Wassergräben umgeben. Reste davon sind noch vorhanden. Schloss Leopoldsdorf ist eine regelmäßige dreigeschossige Vierflügelanlage, in die diagonal zwei starke, viergeschossige Ecktürme eingebaut sind, die aber kaum aus der Fassade vortreten. Sie sind mit Eckquadern und geschoßtrennenden Bandgesimsen verziert. Der oberste Stock des Ostturmes geht auf Josef Kornhäusel zurück. Es ist mit großen Uhren, einem gebrochenen Mansarddach und einer polygonalen Blechlaterne über einem Auslug an der Dachtraufe der Hauptfassade versehen. Der Westturm wurde zuletzt 1945 verändert. Sein von Zinnen umgebener Wehrgang am flachen Dach ist nur eine Imitation. Die Fenster der vier Trakte sind mit profilierten Rahmungen und geraden Verdachungen ausgestattet. Über dem flachbogigen Rustikaportal an der Hauptfront sind im gebrochenen Giebel ein Allianzwappen (Waechter und Mautner-Markhof) sowie die Jahreszahl 1889 zu sehen. Beides weist auf die Übernahme durch die letzte Besitzerfamilie hin. An der siebenachsigen Nordostfront ist eine, von zwei Pfeilern gestützte Altane mit Steinbrüstung vorgebaut. Drei der vier den Innenhof umgebenden Trakte weisen im Erdgeschoß korbbogige Pfeilerarkaden auf. Die beiden großen Renaissance-Grabsteine, die hier eingebaut sind, befanden sich einst in der Schlosskapelle. Sie erinnern an Hans Marx von Beckh und seine Gattin Barbara geb. Schneckenreiter. Die Kapelle lag im ersten Stock, ist aber schon lange profaniert. Ihr mit Graten versehenes Gewölbe stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Lage: Niederösterreich/Wiener Becken – ca. 4 km östlich von Vösendorf
Ort/Adresse: 2333 Leopoldsdorf bei Wien
Besichtigung: nur von außen möglich
Weitere Literatur:
09.11.2005