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Vösendorf


Wann die Burg Vösendorf errichtet wurde, ist unbekannt. Zwar wird der Ort bereits 1175 urkundlich erwähnt, doch ist von einer Befestigung noch keine Rede. Erst 1308 wird ein castrum erwähnt. Die damals freieigene Burg gehörte Konrad Breitenfelder, doch hatte sich dieser an einem Aufstand gegen Herzog Albrecht I beteiligt, was für ihn mit dem Verlust seiner Herrschaft endete. Der Landesfürst verkaufte 1313 Vösendorf an Wurisch Abraham. Über Hans den Laher gelangte es 1350 an Wolfgang von Winden. Die Herren von Winden, die auch die Burg Tribuswinkel besaßen, behielten Vösendorf als Lehen des Stiftes Melk bis ca. 1510. Allerdings kam es zu Unterbrechungen, als ihnen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vorübergehend die Herrschaft entzogen wurde sowie in der Zeit zwischen 1487 und 1494, als sie vom ungarischen König Matthias Corvinus besetzt war. Im 16. Jahrhundert wechselten die Besitzer häufig. Das heutige Schloss dürfte weitgehend auf Umbauten des damaligen Lehensinhaber Kaspar Erlbeck um 1559 zurückgehen. Baumeister war möglicherweise Bernhard de Camada. 1578 kaufte Wilhelm I von Hofkirchen das Schloss. Unter ihm und seinen Nachfolgern wurde Vösendorf zu einem Zentrum des Protestantismus. Zeitweise diente es den aus Wien vertriebenen Protestanten als Zufluchtsstätte. Wegen seiner Beteiligung am Adelsaufstand gegen Kaiser Ferdinand II wurde Georg Andreas von Hofkirchen nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 die Herrschaft konfisziert. Zu den nun wieder rasch wechselnden Schlossherren gehörten u. a. Lazarus Henckel von Donnersmarck (1625), Heinrich von Kielmannsegg (1660) und Johann Ignaz Spindler (1662).

Im Türkenjahr von 1663 wurde Vösendorf – oder Fessendorf, wie es damals genannt wurde – als Fluchtort für die Zivilbevölkerung bestimmt. 1694 gehörte es Maria Josepha Gräfin Starhemberg, der Gattin des Verteidigers von Wien, Rüdiger Graf Starhemberg. Sie ließ einige Räume mit Stuckdecken und Wandmalereien verschönern. 1705/07 konnte der Müllermeister Staufer das Schloss erfolgreich gegen die eingefallenen Kuruzzen verteidigen. Seit 1727 gehörte die Herrschaft der Fürstin Maria Gabriele Colloredo. 1794 erwarb Kaiser Franz II den Besitz. Er ließ das Gebäude renovieren und eine Musterlandwirtschaft einrichten, die bis 1824 Bestand hatte. Vösendorf wurde dem k. k. Familienfonds angeschlossen und gemeinsam mit Laxenburg verwaltet. 1850 wurde das Schloss an einen Herrn von Wittgenstein verpachtet, das Gut verblieb aber bei der kaiserlichen Familie. 1918 wurden beide dem staatlichen Invalidenfonds angegliedert, kamen aber 1934 vorübergehend wieder an die Familie Habsburg-Lothringen zurück. 1938 wurde Vösendorf neuerlich verstaatlicht und ab 1940 von der Stadt Wien verwaltet. In der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Schloss von der russischen Besatzungsmacht in Anspruch genommen und hatte darunter schwer zu leiden. Seit 1991 gehört es der Marktgemeinde und dient als Rathaus sowie als lokales Kulturzentrum. Unter anderem ist im Gebäude ein Fahrradmuseum untergebracht. 1999 erfolgte eine umfassende Restaurierung durch den Architekten Walter Hildebrand, wobei auch das Innere neu adaptiert wurde.

Das dreigeschossige Schloss liegt im Ostteil des Ortes in einem weitläufigen Park. Die Vierflügelanlage ist völlig von einem mit Wasser gefüllten Graben umgeben. Haupteingang war früher das Westportal. Da die Torhalle nach 1945 einzustürzen drohte, wurde das Tor von der sowjetischen Besatzung einfach zugemauert. Über dem mit einer Quaderumrahmung versehenen Portal, das bei der letzten großen Renovierung wiederhergestellt wurde, springt ein konsolengestützter Balkon mit einer Steinbalustrade vor. Dessen Tür liegt in einer flachen, stuckverzierten Nische. Diese sowie die beiden anschließenden Fenster haben korbbogige Abschlüsse. Die glatt verputzte Fassade wird nur durch einfache weiße Gesimsbänder waagrecht gegliedert. Die Gebäudekanten sind rustiziert. Von der Westseite aus ist der quadratische siebengeschossige Uhrturm sichtbar. Er stammt aus der Zeit um 1700, doch ist die geschweifte Haube neu. Der heutige Haupteingang liegt an der Ostseite. Zu ihm führt eine breite Steinbrücke. Vor ihr steht eine Statue des Hl. Nepomuk. Links vom Korbbogenportal springt ein von zwei Buckelkonsolen gestützter Flacherker im ersten und zweiten Obergeschoß vor. Er ist ebenso wie die Gebäudekanten mit einer Eckquaderung versehen. Der nahezu quadratische Innenhof wurde bei der letzten umfassenden Restaurierung mit einer gläsernen Kuppel gedeckt, die es ermöglicht, ihn auch bei Schlechtwetter für Veranstaltungen aller Art zu nutzen. In der Nordostecke des Schlosses liegt die kreuztonnengewölbte Kapelle. Besonders sehenswert ist die kreuzgratgewölbte Sala terrena in der Nordwestecke, deren Wände vollständig mit qualitätvollen Malereien aus der Zeit um 1693 bedeckt sind. Diese Architektur- und Landschaftsdarstellungen wurden erst ab dem Jahr 2000 freigelegt. Sie harren als letzter Teil des Schlosses noch einer Restaurierung. Im Schlosspark finden sich noch Reste der einst wehrhaften Umfassungsmauer. An der Nordwestecke hat sich ein dreiviertelrunder Befestigungsturm erhalten.

Lage: Niederösterreich/Wien-Umgebung – am südlichen Stadtrand von Wien

Ort/Adresse: 2331 Vösendorf

Besichtigung: weitgehend möglich


Weitere Literatur:


31.10.2005