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Aggstein


Auf Grund der vielen Sagen, die mit Aggstein verbunden sind, ist es wohl Österreichs berühmteste Burgruine. Fundamentreste und aufgefundene Tonscherben deuten auf eine Errichtung im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts hin. Bauherr dürfte der Hochfreie Manegold III von Aggsbach-Werde gewesen sein. Sein Sohn Manegold IV übergab Aggstein, dass zum Teil Eigenbesitz und zum Teil ein Lehen der bayerischen Herzoge war, der Propstei Berchtesgaden. Von dieser ersten Anlage ist nichts erhalten. Die Manegolds übersiedelten 1180 nach Schönbühel. Im Jahr darauf übernahmen die Hochfreien von Aggswald-Gansbach die Burg. Sie waren Angehörige der weit verzweigten Ministerialenfamilie der Kuenringer, die sich vor allem im Waldviertel um die Kolonisierung des Landes große Verdienste erwarb. Auf sie geht die Errichtung der Hochburg zurück. Aggswald ist übrigens die alte Bezeichnung für den Dunkelsteiner Wald. Die Kuenringer und ihr auf Aggstein sitzender Zweig waren mächtige und hochangesehene Ministeriale der Babenberger und gehörten keineswegs zum räuberischen Gesindel, das den durchreisenden Kaufleuten auflauerten, wie später oft behauptet wurde. Der Beinamen Hunde von Kuenring war ursprünglich keineswegs als Schimpfwort gedacht, sondern sollte die Treue und Wachsamkeit dieser Familie unterstreichen. Da die Kuenringer Aggstein bis 1355 als bayerisches Lehen hielten, mussten sie die Interessen der bayerischen Herzoge vertreten und gerieten gelegentlich in Gegensatz zu den babenbergischen Landesfürsten. Als mächtige Herrschaftsinhaber beteiligten sie sich auch mehrmals führend an Adels- bzw. Ministerialenaufständen gegen die österreichischen Herzoge, wodurch sie auch bei den diesen nahestehenden Geschichtsschreibern in Ungnade fielen. Zu letzteren gehörte Abt Ebro von Zwettl, der Verfasser der sog. Bärenhaut. Als Heinrich und Hadmar III von Kuenring an der Spitze zahlreicher Adeliger sich gegen den Landesherrn erhoben und sogar den Staatsschatz aus der Wiener Hofburg mitnahmen, stellte Herzog Friedrich II die Ordnung wieder her und belagerte bzw. eroberte Aggstein 1230. Bald danach erhielten die Kuenringer ihren Besitz wieder zurück. Nach einem neuerlichen Aufstand unter Leutold I nahm Herzog Albrecht I 1296 die Burg ein zweites Mal ein, wobei sie teilweise zerstört wurde. Da Aggstein nach wie vor ein bayerisches Lehen war, gelang es den Kuenringern neuerlich die Burg zurückzugewinnen.

Nach dem Aussterben der Dürnsteiner Linie der Kuenringer, die damals auch Aggstein besaßen, kam die Herrschaft Wolfstein mit Aggstein 1355 über die Erbtochter Anna von Kuenring an deren Gatten Heidenreich von Maissau. Otto IV von Maissau versuchte noch nach seiner Entmachtung 1430 die Burg an Rudolf von Tiernstein auf Osterburg zu verkaufen, doch wurde dies von den Habsburgern nicht anerkannt. Sie ließen die Wehranlagen schleifen. Herzog Albrecht V belehnte anschließend seinen Kammermeister Georg Scheck vom Wald mit der Burgruine. Er war Burggraf zu Steyr und Landrichter unter der Enns. Bis 1436 ließ er die Anlage erneuern. Der Großteil der heute noch vorhandenen Bauten geht auf diesen Wiederaufbau zurück. Georg Scheck hatte das Recht der Mauterhebung auf der Donau inne. Er nützte es so exzessiv aus, dass er bald in den Ruf eines Raubritters kam. Dieser Ruf wurde auch vom Stift Melk sorgsam gepflegt, mit dem er immer wieder Gebietsstreitigkeiten hatte. Später wurde er nur mehr Schreck vom Walde oder Schreckenwalde genannt. Es gab praktisch kein Verbrechen, dessen man ihn nicht beschuldigte. Die Sage vom Rosengärtlein hat schon Generationen von Schülern und Burgbesuchern erschaudern lassen. Mit diesem friedlichen Namen wird eine kleine Plattform bezeichnet, die hoch über dem Abgrund vorragt. Angeblich soll Scheck vom Wald hier seine Gefangenen, bei denen kein Lösegeld zu erpressen war, ausgesetzt und ihnen die Alternative überlassen haben, in den Tod zu springen oder langsam zu verhungern. Diese Geschichte gehört jedoch wie die meisten dieser Überlieferungen in das Reich der Phantasie. Da das Rosengärtlein neben der Schlosskapelle und dem Hauptsaal der Burg lag, ist es höchst unwahrscheinlich, dass man keinen günstigeren Ort gefunden hätte, um seine Feinde zu entsorgen ohne das gesellschaftliche Leben auf der Burg zu stören.

Georg Scheck vom Wald war auch ohne die ihm angedichteten Grausamkeiten kein freundlicher Zeitgenosse. In den Wirren der damaligen Zeit versuchte er rücksichtslos seine Interessen durchzusetzen. Da er sich im Bruderstreit zwischen Friedrich III und Albrecht VI auf die Seite des Kaisers stellte, ließ der Herzog Aggstein stürmen. 1463 verlor Georg Scheck sämtliche Besitzungen und damit alle seiner sechs Burgen. Auch seine beiden Nachfolger, die Feldhauptmänner Georg von Stain und Ulrich von Grafenegg, wurden ihrer Güter enthoben, da sie sich zeitweise mit den Feinden des Kaisers verbündeten. Ab 1477 wurde Aggstein von Pflegern verwaltet oder verpachtet. 1529 wurde die Burg durch türkische Streifscharen gestürmt und schwer beschädigt. Dies wurde zum Anlass genommen, die Anlage umgehend auszubauen, um eine effektive Artillerieverteidigung zu ermöglichen. Aggstein war damals im Pfandbesitz des Freiherrn Wilhelm von Rogendorf. Anna Freiin von Polheim, die Witwe des letzten Pfandinhabers Andreas Wolf von Polheim, kaufte 1606 die bereits baufällige Burg. Sie ließ die Kanzleibauten der Mittelburg im Renaissancestil ausbauen. Ihr Cousin, Otto Max von Abensberg-Traun erbte den Besitz. Bald danach wurde aber Aggstein, das militärisch längst wertlos geworden war und zum Bewohnen nicht mehr genug Komfort bot, verlassen und geriet in Verfall. Die Pflegschaftskanzlei wurde in das bequemere Mauthaus an der Donau verlegt. 1685 verkaufte Gräfin Isabella Constantin von Kronegg die Herrschaft an die Grafen Starhemberg. Diese schlossen Aggstein ihrer Herrschaft Schönbühel an. 1784 wurde in der Burgkapelle die letzte Messe gelesen. Erst als 1819 die Grafen Beroldingen Schönbühel und Aggstein übernahmen, begannen sie mit den notwendigsten Sanierungsarbeiten. Der Architekt Eduard Reithmayer (1844 – 1931) versuchte die Burg zu rekonstruieren. Als Anhänger der Romantik stellte er sich aber die Bauten wesentlich höher und mächtiger vor. Seit 1927 sind die Grafen Seilern Eigentümer der vereinigten Güter. Sie bemühen sich auch heute noch um die Erhaltung der Anlage.

Die Lage der Burg war für einen Beobachtungsposten gut gewählt. Sie liegt auf einer nach drei Seiten steil abfallenden Felszunge, die sich weit ins Tal der über 320 m tiefer gelegenen Donau vorschiebt. Von ihr aus kann man den Fluss in beiden Richtungen kilometerweit überblicken. Außerdem gab es noch zwei Blashäuser an der Donau, von denen jede Schiffsannäherung durch Trompetensignale gemeldet werden konnte. Wehrtechnisch gesehen hatte die Lage einen Haken. Nach Osten zu ist eine deutliche Überhöhung des Geländes gegeben, was sich bei Belagerungen schlimm auswirken konnte. Aus diesem Grund musste diese Angriffsseite künstlich geschützt werden. Die langgestreckte Anlage war daher als Abschnittsburg konzipiert, die in mehrere hintereinander liegende Bereiche geteilt war, die durch starke Quermauern abgeriegelt wurden. Sie konnten einzeln verteidigt werden. An Aggstein kann man erkennen, wie sich die Burgenbaumeister des Mittelalters die Topographie zu Nutze machten. Die nur 20 bis 39 m breite Felszunge wird an beiden Enden von erhöhten Felsköpfen begrenzt, dem Bürgel an der Bergseite und dem Stein an der Talseite. Beide wurden befestigt, um den dazwischen liegenden Burghof abzusichern. An der Stelle des heutigen Parkplatzes lag eine geräumige Vorburg, von der nichts mehr erhalten ist. Sie setzte sich an der Südseite der Burg fort. Dieser Bereich dient heute als Wildgehege. Die bergseitig vorgelagerte Vorburg war durch einen tiefen Halsgraben gesichert, über den eine Holzbrücke führte, die bei Gefahr leicht abgebrochen werden konnte. Ihr letzter Teil war als Zugbrücke ausgebildet. Das darunter liegende Tor der Vorburg wurde durch zwei niedrige Rundtürme geschützt.

Die Ringmauer der Hauptburg wurde um 1530 erhöht und mit rechteckigen Maulscharten zur Verteidigung durch Hakenbüchsen versehen. Der 15 m hohe Mauerklotz des Torbaues stammt weitgehend aus dem frühen 15. Jahrhundert. Ihm war ein Halsgraben vorgelagert, der mittlerweile weitgehend aufgefüllt ist. Das spitzbogige Haupttor hatte außer seinen hölzernen Torflügeln keine besonderen Wehreinrichtungen. Eine kleine Fußgängerpforte an der Seitenwand des Torbaus wurde nach der Zerstörung von 1529 aus Sicherheitsgründen vermauert. Die fast 8 m lange flachtonnige Toreinfahrt ist mit Sitznischen für die Torwächter ausgestattet. Hinter dem Tor liegt der erste Verteidigungsabschnitt, über dem sich der 27 m hohe Felskopf des Bürgels erhebt. Von diesem aus konnten in den Hof eingedrungene Feinde wirksam bekämpft werden. Der Bürgel trug im 12. Jahrhundert ein längliches, leicht gewinkeltes Gebäude von etwa 10 x 24 m Fläche in der Art eines Festen Hauses. Im frühen 16. Jh. stand hier ein zwei- bis dreigeschossiger Bau. Die Torwartstube an der rechten Hofseite wurde erst später errichtet. Die Wehrgänge wurden um 1530 angebaut. Eine Quermauer trennt den ersten vom zweiten Verteidigungsabschnitt. Das durch sie führende Spitzbogenportal ersetzte um 1429 ein älteres Tor. Bei dem kleinen Raum an der Nordmauer mit dem vier Meter tiefen Felsgewölbe dürfte es sich um ein Verließ gehandelt haben. Der hinter dem zweiten Hof liegende innere Burggraben wurde um 1530 aufgefüllt.

Der zweite Hof wird durch eine 5 m starke Schildmauer abgeschlossen. Das hier befindliche Tor zum dritten Verteidigungsabschnitt war gleichzeitig der Eingang zur Kernburg. Die darüber in die Wand eingelassene Wappentafel mit Bauinschrift weist darauf hin, dass Georg Scheck vom Walde 1429 den Wiederaufbau der damals teilweise zerstörten Burg begann. Nach Durchschreiten dieses Tores steht man im lang gestreckten zentralen Burghof. Diese Mittelburg ist rund 80 m lang. An der Südseite des Hofes stehen die von Anna Freiin von Polheim im frühen 17. Jahrhundert erbauten sog. Kanzleibauten. Sie sind komplett unterkellert und dienten sowohl Wohn- als auch Verwaltungszwecken. Heute werden sie für Ausstellungen genutzt. Unter dem Boden des Hofes ist eine 11 m tiefe Zisterne in den Felsen gehauen. Da der Burgbrunnen beim Bürgel nicht sehr ergiebig war, wurde zur Verbesserung der Wasserversorgung hier das von den Dächern der einzelnen Bauten fließende Regenwasser gesammelt. Der hinter dem Brunnenturm liegende Bau wird seit dem 19. Jahrhundert als Schmiede bezeichnet, doch wurde ein so feuergefährliches Gewerbe, das noch dazu mit lauten Arbeitsgeräuschen verbunden war, praktisch nie im inneren Burghof sondern in der Vorburg betrieben. Als Verwendungszweck des Gebäudes nimmt man heute eher eine Bäckerei an. An der nördlichen, bis zu 5 m starken und 11 m hohen Schildmauer des Hofes liegt die durch ihren gewaltigen fünfeckigen Pyramidenschlot erkenntliche ehemalige Burgküche. An sie schließt die Dürnitz an, der ehemalige Aufenthaltsraum der Burgbesatzung. Sie wird heute als Gaststätte benützt.

Ein vier bis sechs Meter breiter Weg führt vom inneren Burghof zum westlichen Felskopf, dem Stein. Wie die Arbeitsspuren zeigen, ist dieser Weg völlig aus dem Felsen gemeißelt. Der Stein trägt die Westburg mit ihren, dem Burgherrn und seiner Familie sowie der Repräsentation vorbehaltenen Gebäuden. Sie stammen ebenfalls vom großen Umbau unter Georg Scheck vom Walde. Durch ihre Lage war sie besonders geschützt. Der Einstieg liegt in etwa 6,5 m Höhe. Darüber springt ein großer Gußerker vor. Das spitzbogige Tor war nur über eine lange Leiter bzw. später über eine hölzerne Stiege erreichbar. Links vom Eingang liegt ein großes, einst viergeschossiges, heute als Frauenturm bezeichnetes Wohngebäude. Es hat in jedem Geschoß zwei Räume. An der rechten Seite ragt die dem Hl. Georg gewidmete Burgkapelle empor. Sie wird heute für Trauungen gerne angemietet. Der spätgotische Bau wurde im 15. Jahrhundert auf wesentlich älteren Fundamenten errichtet. Er hat eine Grundfläche von 7 x 6,5 m. Die rundbogige Apsis hinter dem spitzbogigen Triumphbogen besitzt noch ihr originales Kreuzrippengewölbe sowie ein Spitzbogenfenster. Vom zweijochigen Kreuzrippengewölbe des Langhauses sind nur mehr die Ansätze vorhanden. Die Westwand besteht teilweise aus natürlichem Fels. Zwei schmale Querschlitze ermöglichten dem Burgherrn eine Beobachtung des Gottesdienstes vom Nebenraum aus. Zwischen Kapelle und Frauenturm liegt ein schmaler Hof. Sein hinterer Teil wurde später überbaut. Das Gebäude neben der Kapelle war einst der Palas. Im unteren Bereich der Ostwand haben sich noch Mauerreste aus dem 12. Jahrhundert erhalten. Im Inneren des Gebäudes springen von der Südwestecke zwei Kragsteine vor, die einst die Haube eines Kamins trugen. An seiner Außenseite befindet sich ein schmaler unverbauter Felsabsatz - das sagenumwobene Rosengärtlein.

Lage: Niederösterreich/Wachau – ca. 10 km nordöstlich von Melk

Besichtigung: März bis Oktober täglich von 09.00 – 18.00

Homepage: www.schoenbuehel-aggstein.at


Weitere Literatur:


24.10.2005