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Wetzdorf (Kleinwetzdorf)


In einer Schenkungsurkunde des Stiftes Klosterneuburg aus dem Jahr 1190 scheint ein Eberhard von Wecelendorf als Zeuge auf. Wetzdorf, das im Mittelalter in verschiedenen Namensformen belegt ist, dürfte zu Beginn des 14. Jahrhunderts landesfürstlicher Besitz gewesen sein. Vermutlich hat es sich damals beim Vorläufer des heutigen Schlosses um einen schwach befestigten Hof gehandelt, der dann in ein Festes Haus umgebaut wurde. Eine lückenlose Besitzgeschichte gibt es erst ab dem 14. Jahrhundert. 1380 wird als Lehensnehmer Dietrich der Redenprunner erwähnt. Danach wechselten die Besitzer häufig. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts gehörte die Herrschaft den Missingdorfern, doch starb diese damals bedeutende Familie bereits zu Beginn des 16. Jh. aus. Dann ging Wetzdorf an Wolfgang Kallenberger und schließlich an Lorenz Radlprunner über, der es bis in das dritte Viertel des 16. Jahrhunderts besaß. Nun kam die Herrschaft an den Viertelhauptmann im Viertel unter dem Manhartsberg, Andreas Rächwein. Auf ihn folgte mit Sebastian Günther Hager von Allentsteig ein militanter Vertreter des ständischen Protestantismus in Niederösterreich. Er war Mitglied des Horner Bundes von 1608. 1620 gehörte er zu jenen Adeligen, die Kaiser Ferdinand II die Huldigung verweigerten und sich aktiv am Böhmischen Aufstand beteiligten. Er wurde im gleichen Jahr wegen Hochverrats hingerichtet. Seine Güter wurden von der Hofkammer eingezogen. 1622 wurde Maximilian Berchtold vom Sachsengang mit Wetzdorf belehnt. 1630 ging das Lehen an die Freiherren von Prösing über. Wolf Sigmund Freiherr zu Prösing gelang es, die Herrschaft in ein freies Eigen umzuwandeln.

1714 verkaufte Johann Rudolf von Prösing Wetzdorf an die Herzogin Magdalena Sophie Eleonora von Schleswig-Holstein. Ein Vetter von ihr, Herzog Leopold von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Wiesenburg, der das Schloss 1721 geerbt hatte, ließ es in den Jahren 1726 bis 1728 großzügig im Barockstil ausbauen. Nach seinem Tod wurde sein Schwiegersohn, Fürst Karl Thomas zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, Besitzer der Herrschaft. Auch er investierte große Summen in den Ausbau des Gutes und des Schlosses. Zum Herrschaftsbereich gehörten damals außer Groß- und Kleinwetzdorf auch die Orte Glaubendorf, Rohrbach, Dippersdorf, Kiblitz, Unterthern, Puch und Riedenthal. Die wirtschaftliche Basis des Gutes lag im Weinbau. Nach dem Fürsten Löwenstein kam es wieder zu einem häufigen Besitzwechsel. Es folgten Graf Leopold von Kollowrat, Gräfin Barbara O’Reilly, Graf Anton von Wallis und schließlich der Kreishauptmann von Znaim, Karl Czikann, von dem Josef Gottfried Pargfrieder 1832 den Besitz erwarb. Er zählte zu den schillerndsten Gestalten der Biedermeierzeit. Der äußerst patriotisch eingestellte Pargfrieder stammte aus sehr einfachen Verhältnissen, wenn auch manche Zeitgenossen in ihm einen illegitimen Sohn Kaiser Josefs II vermuteten. Durch Lieferungen von Lebensmitteln, Schuhen und Stoffen an die österreichische Armee brachte er es aber bald zu einem großen Vermögen. Er führte die durch die rasche Besitzfolge bereits verlotterte Herrschaft wieder zur Blüte und ließ das schon stark verkommene Schloss in den Jahren 1833 bis 1841 klassizistisch renovieren. Dabei nutzte er alle technischen Errungenschaften seiner Zeit. U. a. ließ er am Dach des Gebäudes eine Berieselungsanlage für den Fall eines Brandes anbringen. Die Innenausstattung wurde erneuert und eine wertvolle Bibliothek sowie eine umfangreiche Bildergalerie angelegt.

Der durch die Revolutionsereignisse von 1848 zunehmend konservativ gewordene Pargfrieder beschloss unmittelbar danach auf einem teilweise künstlich aufgeschütteten Hügel im Landschaftspark hinter dem Schloss die Anlage eines „Heldenberges“ um den Mitgliedern der kaiserlichen Armee für ihren Einsatz in Italien und Ungarn zu danken. Gleichzeitig sollten hier die wichtigsten Armeeführer in einem Heldenfriedhof beigesetzt werden. Für letzteres konnte er aber nur die mit ihm befreundeten Feldmarschälle Josef Wenzel Graf Radetzky und Maximilian Freiherr von Wimpffen gewinnen. Pargfrieder wollte damit der Armee, der er seinen Reichtum verdankte ein würdiges Denkmal setzen. Er war nicht verheiratet und starb kinderlos. Als Universalerben hatte er den Begründer der Wienerberger Ziegelfabrik, Heinrich von Drasche-Wartinberg eingesetzt. Daneben waren große Summen für soziale Zwecke vorgesehen. Dr. Richard Drasche von Wartinberg verkaufte das Gut 1880 an Anton und Elise Fichtl. Während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss durch hier einquartierte russische Soldaten schwer verwüstet. Die Familie Fichtl besaß Wetzdorf bis vor wenigen Jahren. Heute gehört es einer Privatstiftung der Industriellenfamilie Turnauer. Das Schloss, das unter den Vorbesitzern ab 1979 im Rahmen eines Pargfrieder gewidmeten Museums besichtigt werden konnte, ist aufwändig restauriert, aber leider nicht mehr öffentlich zugänglich.

Das heutige Schloss stammt in seiner Grundsubstanz aus dem 16. bzw. 17. Jahrhundert und bezieht vermutlich auch noch ältere Mauerteile ein, doch ist es durch die Umbauten des 18. und 19. Jahrhunderts so verändert, dass man von den älteren Bauten nichts mehr erkennen kann. Das einstöckige Gebäude ist um drei Höfe gelagert. Die vierzehnachsige, nach Norden gerichtete Hauptfront des Schlosses steht nur wenige Meter hinter der Bundesstraße, ist von dieser aber wegen der das Areal begrenzenden Hecke nicht einsehbar. Sie wird von einem stark vorspringenden Mittelbau mit Doppelwalmdach überhöht. Er zeigt im Obergeschoß sechs, durch Lisenen getrennte große Fenster. Der dahinter liegende Festsaal des Schlosses erhält seine Wirkung durch die Stukkierung des 18. Jh., den qualitätvollen Parkettboden und den Spätrokoko-Ofen. Die mit Blumenranken und Vögeln in Hinterglastechnik bemalten Glastüren gehen auf die Zeit Pargfrieders zurück. Zu beiden Seiten des Festsaales schließen mehrere kleinere Räume an. Auch sie sind mit intarsierten Sternparkettböden ausgestattet. Die Beletage ist über eine breite Stiege im Osttrakt zugänglich, wo auch das Eingangstor sich befindet. Die Treppe führt zu einer fünfachsigen Spiegelgalerie. Von der Biedermeier-Möblierung haben sich nur Reste erhalten. Die an der Westseite angebaute Kapelle wurde 1728 errichtet und 1858 von Pargfrieder neu ausgestattet. Sie ist ein schlichter, mit einer Rundapsis versehener Bau. Ihr Altar ist mit 1726 bezeichnet. Der östliche Hof ist an drei Seiten mit zweigeschossigen Arkaden versehen. Er ist 1833/41 durch den Umbau eines barocken Arkadenhofes entstanden. Im Nordosten des Hofes steht ein hoher Turm mit Zwiebelhelm. Hinter dem Schloss liegen ausgedehnte Wirtschaftsbauten. Der Wirtschaftshof wird von einem klassizistischen Pfeilerparktor abgeschlossen.

Pargfrieder hatte das Schlossareal durch Zukäufe vergrößern und vor dem Schloss den heutigen Garten anlegen lassen. In ihm wurde ein großes klassizistisches Triumphtor mit seitlichen Pilastern und dorischen Säulen errichtet, auf dem ein schreitender Löwe steht. Er wurde von Johann Schaller 1833 aus Zogelsdorfer Stein erbaut. Das Tor kann über eine enge Wendeltreppe im südlichen Pfeiler bestiegen werden. Die rätselhafte Inschrift V.K.I.S.I.P.F.V.F.E. hat schon zu vielen Auslegungen Anlass gegeben, z. B. Kaiser Josefs Sohn, Joseph Pargfrieder vivi fecit. Vor einem Seitenflügel des Schlosses befindet sich in diesem Löwengarten ein Wasserbassin, in dem eine vom Wiener Bildhauer Dittrich geschaffene Herkules-Statue aufgestellt wurde. Der Vorplatz wird auch durch drei überlebensgroße Figuren als Laternenträger belebt. Weitere Plastiken im Park und im Hof, wie einige Löwen und Wölfe sowie Statuen des Apollo, der Diana und des Prometheus stammen aus der Fürst Salm’schen Gusseisenfabrik in Blansko. Durch die auf den Heldenberg führende Straße vom Schloss getrennt, liegt der einstige Englische Garten, der im Zuge der der Heldenverehrung gewidmeten Landesausstellung von 2005 rekonstruiert wurde. Er war vollständig von einer Mauer umgeben und konnte nur durch ein großes klassizistisches Gartenportal betreten werden. Auch dieses ist von dorischen Säulen flankiert und mit einem großen Löwen geschmückt. An Parkbauten sind noch ein von einem gusseisernen Adler gekrönter Felshügel, sowie die Reste einer Grottenfontäne samt vorgelagertem Wasserbecken erhalten. Die im Garten aufgestellten lebensgroßen bemalten Grenadiere aus Gusseisen von Adam Rammelmayer haben mich schon beeindruckt, als sie noch aus dem bis vor wenigen Jahren total verwilderten Park hervorlugten. Jenseits der Bahnlinie führte ein Künstlerhain zum Heldenberg. Die Zinkbüsten von Shakespeare, Mozart, Newton und anderen sind verschwunden, die Sockeln stehen noch vereinzelt im Gebüsch.

Der Heldenberg mit seinen etwa 175 Gusseisenfiguren wirkt auf den heutigen Besucher etwas skurril, doch ist er, wie die von König Ludwig I von Bayern bei Regensburg erbaute Walhalla, ein wichtiges Beispiel der damals üblichen Heldenverehrung und Verherrlichung der eigenen Nation. Zentrum der Anlage ist die 1849 unter einer hohen obeliskartigen Pyramide angelegte Gruft, in der Radetzky, Wimpffen und Pargfrieder selbst – letzterer in einer mittelalterlichen Rüstung sitzend – beigesetzt wurden. Nach dem 1863 erfolgten Begräbnis des Schlossherrn ist der Spottvers entstanden: Hier liegen drei Helden in ewiger Ruh’, zwei lieferten Schlachten, der dritte die Schuh! Der Todesengel an der Spitze des Obelisken wurde von Rammelmayer modelliert und in Blansko gegossen. Die übrigen Figuren der Gruft sind aus Zink und vom selben Bildhauer. Einer Aufstellung Pargfrieders zufolge, standen auf der Anlage des Heldenberges 19 Statuen, 142 Büsten, 11 Grenadiere, 4 Statuetten, 28 kleine Kanonen und 34 kleine Mörser. Die Büsten und Statuen stammten von Adam Rammelmayer und Johann Feßler. Sie wurden in der damals modernen Technik des Zinkgusses ausgeführt. Bemerkenswert ist, dass diese Büsten nicht nur hohe Militärs und Mitglieder des Kaiserhauses zeigen, sondern auch einfache Soldaten, die sich in den für Österreich erfolgreichen Schlachten des Jahres 1848 ausgezeichnet hatten. Auch der Wiener Bürger Josef Ettenreich, der Kaiser Franz Joseph vor einem Attentäter gerettet hatte, wurde in Pargfrieders Büstensammlung aufgenommen. Gegenüber dem Mausoleum befindet sich oberhalb einer breiten Freitreppe das als antike Säulenhalle gestaltete Invalidenhaus. Es war als Heimstätte für Kriegsveteranen gedacht, die auch die Aufsicht über die Anlage haben und die Ehrenwache für die dort ruhenden Feldmarschälle stellen sollten. Allerdings hat das Gebäude nie seinem Zweck gedient. Vor der Säulenhalle stehen Kolossalbüsten der Feldherren Daun, Laudon, Prinz Eugen und Erzherzog Karl. Pargfrieder wollte zuerst den Heldenberg dem Staat um eine Million Gulden verkaufen. Als die Verhandlungen scheiterten, schenkte er ihn 1858 dem Kaiser, wofür er in den Ritterstand erhoben wurde. 1909 übergab Franz Joseph die Gedächtnisstätte der k. u. k. Armee, sorgte aber weiterhin für die Pflege. Der Heldenberg gehört seit 1918 der Republik Österreich, die ihn bereits mehrfach restaurieren ließ.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – ca. 22 km nordwestlich von Stockerau an der Straße nach Horn bzw. Prag

Besichtigung: Während der Heldenberg öffentlich zugänglich ist, kann das Schloss nicht mehr besichtigt werden.


Weitere Literatur:


23.08.2005