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Palais Modena


Der Name Herrengasse weist darauf hin, dass sich dort bereits seit dem Mittelalter zahlreiche Adelshäuser befanden. Dies gilt auch für jenes Grundstück, auf dem sich heute das Palais Modena befindet. Zu den frühen Vorbesitzern zählten Pilgrim von Puchheim, Ritter Hans von Pellendorf und Georg von Rottal. Seiner Tochter Barbara sagte man nach, dass sie in Wirklichkeit die Tochter Kaiser Maximilians I gewesen sei. Durch ihre Heirat mit Siegmund von Dietrichstein gelangte das Palais 1515 in den Besitz der Familie Dietrichstein. In den Jahren von 1658 bis 1678 wurden die bisherigen Gebäude unter Fürst Ferdinand Joseph Dietrichstein zu einem frühbarocken Palais zusammengefasst. Auf ihn gehen die riesige Fassade und das zweite Tor zurück. Im Gegensatz zur schlichten Fassade wurde das Innere in den Jahren bis 1700 recht aufwendig gestaltet, doch hat sich davon nur wenig erhalten. Ferdinands Nachfolger bevorzugten mehr den Familiensitz in Nikolsburg und vernachlässigten ihr unbenutztes Wiener Palais etwas. 1811 kaufte die 1796 aus Mailand vertriebene Maria Beatrix von Este, die Tochter des letzten Herzogs von Modena, von Fürst Franz Joseph von Dietrichstein-Proskau-Leslie den Palast und ließ ihn bis 1814 nach einem Entwurf von Alois Pichl im klassizistischen Stil umgestalten. Da ihre Tochter Maria Ludovica 1808 Kaiser Franz I geheiratete hatte, mußte die hohe Stellung der Familie Modena-Este, auch im Palais in der Herrengasse ihren Ausdruck finden. Dafür sorgte u. a. auch Giacomo Quarenghi, der Architekt der Zarin Katharina von Russland, dessen Ideen in die Pläne Pichls einflossen. Angeblich diente ihm das Theater der Petersburger Eremitage als Vorbild. Er war vermutlich auch für bauliche Maßnahmen im Inneren verantwortlich. 1819 erbte Erzherzog Franz, Herzog von Modena, das Palais, das jedoch zum Großteil vermietet wurde. So lebten hier bis 1842 Prinz Gustav Wasa und Prinzessin Amalie von Schweden. Dann wurde es von Erzherzog Franz an den Staat verkauft, der hier 1848 zuerst die oberste Polizei- und Zensur-Hofstelle und etwas später das Ministerpräsidium einrichtete. Bis zum Ende der Monarchie amtierten hier 29 österreichische Ministerpräsidenten. Als 1923 Bundeskanzler Seipel auf den Ballhausplatz übersiedelte wurde das Palais völlig für das Ministerium für Inneres und Unterricht freigemacht. Von 1938 bis 1945 diente das Palais als Hauptquartier der Reichs-Polizeiverwaltung. 1944 wurde das Gebäude durch Bombentreffer schwer beschädigt, aber bis 1950 wieder aufgebaut. Seither ist es Sitz des österreichischen Innenministeriums. 1955 und 1973 wurde die Nutzfläche durch Aufstockung und Dachgeschoßausbau vergrößert. Die letzte Restaurierung fand 2004 statt. Dabei wurde die Kapelle wiederhergestellt und die ehemalige Sala terrena freigelegt.

Das Gebäude ist ein Renaissancebau, der durch Umbauten zu einem streng klassizistischen, dreigeschoßigen Palais verändert wurde. Er weist 18 Fensterachsen und zwei Portale auf. Damit ist die Fassade für die relativ enge Herrengasse viel zu lang, um richtig zur Geltung zu kommen. Die horizontale Gliederung durch das Gesims, ein Mäanderband und die Dreiecksgiebeln über den Fenstern des Hauptgeschosses, betont zusätzlich die Länge der Fassade. Die beiden zweiachsigen Seitenrisalite treten nur wenig vor. Sie sind von Dreiecksgiebeln gekrönt. Über den beiden Toren ragen Balkone in die Herrengasse vor. Die Fest- oder Ministerstiege verbindet das niedrige Vestibül mit den Repräsentationsräumen im ersten Stock. Diese zählen zu den bedeutendsten Raumschöpfungen des Klassizismus in Wien. Den Schwerpunkt des malerischen und bildhauerischen Programms bildet die antike Götterwelt. Schon im Treppenhaus stehen die Statuen von Athene, Diana und Ceres. Von besonderer Qualität ist der achteckige Zentralraum, der als zentraler Verteiler zwischen den Repräsentationsräumen fungiert. Dieses Oktogon ist allseitig von rundbogigen Nischen umgeben, die Türen, Fenster, Kamin und Spiegel aufnehmen. Die Lünetten sind mit Figurenreliefs von Josef Klieber geschmückt. Sie stellen diverse griechische bzw. römische Götter und Halbgötter in verschiedenen Szenen dar. Auch die in eine Laterne mündende Decke ist mit reich gestalteten Relieffeldern versehen. Bemerkenswert sind auch der säulengeschmückte Festsaal und das sog. Goldkabinett, dessen Spiegeln eine unendliche Galerie vortäuschen. Auch die übrigen Räume weisen qualitätvolle Deckenmalereien und Stukkaturen im Empirestil auf. Die bis vor wenigen Jahren profanierte Kapelle ist in einem halbkreisförmigen Raum am Ende des rechten Hoftraktes untergebracht.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Herrengasse 7

Besichtigung: Da die Prunkräume als Amtsräume bzw. als Konferenz- und Sitzungszimmer dienen, ist eine Besichtigung nicht möglich.


Weitere Literatur:


27.08.2002