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Palais Collalto


Im Umkreis des heutigen Palais hatte sich im 13. Jahrhundert die alte Babenbergerpfalz und bis 1421 der Judengarten des Wiener Ghettos befunden. 1560 kaufte Kaiser Ferdinand I das hier stehende Haus des Dr. Sebastian Schrans Am Hof 13, um die von den Jesuiten geleitete Kaiserliche Landschaftsschule darin unterbringen zu können. Zu diesem Zweck wurde es aufgestockt und umgebaut. Da sich die vorwiegend protestantischen Adeligen aber weigerten, ihre Söhne in eine Jesuitenschule zu schicken, war ihr kein großer Erfolg beschieden. 1565 wurde das Gebäude wieder geräumt. 1586 kaufte es der Hofkammerpräsident Wolf Unverzagt. 1611 wurde das Haus von den Ständen erworben, die es dem Grafen Imre Thurzo, dem damaligen Palatin von Ungarn, übergaben. Dieser konnte auch das benachbarte Haus Parisergasse 1 erwerben. Er ließ es aufstocken und baulich den Häusern Am Hof angleichen. Nach der Schlacht am Weißen Berg zog Kaiser Ferdinand II 1620 die Besitzungen des unliebsam gewordenen protestantischen Grafen als Rebellengut ein. Er schenkte die Gebäude dem Generalleutnant Rambaldo XIII Graf Collalto. Dieser hatte noch kurz zuvor die kaiserlichen Truppen in ihrem Kampf gegen Gabor Bethlen befehligt. Er brachte es bald zum Feldmarschall und Präsidenten des Hofkriegsrates. 1656 erwarb Rambaldos ältester Sohn Claudio das benachbarte Haus Am Hof 12. Die geplante Zusammenführung und Vergrößerung kam nicht zustande, da Claudio bereits 1661 starb und sein Bruder Antonio Francesco das Haus zwei Jahre später wieder verkaufte. Auf einem Stich von Delsenbach aus dem Jahr 1715 ist das Gebäude noch als Spätrenaissancebau zu erkennen.

Wenig später wurde die Hauptfassade im Barockstil erneuert. Dabei wurde der ursprüngliche Dreiecksgiebel entfernt und das schöne schmiedeeiserne Balkongitter angebracht. Die Hauptinteressen der Familie Collalto lagen im 18. Jahrhundert in ihren mährischen Herrschaften Pirnitz und Deutschschrudoletz. Sie wollte daher bei ihrem Wiener Stadtpalais, das sie ja nur gelegentlich bewohnte, nicht zuviel investieren. Es erfolgte daher kein barocker Neubau, sondern nur eine „Modernisierung“ der bestehenden Substanz. Die beiden Vorgängerbauten aus dem 16. Jh. blieben daher erhalten. 1762 spielte hier der sechsjährige Wolfgang Amadeus Mozart gemeinsam mit seiner Schwester für den Grafen Thomas Vinciguerra Collalto und seine Gäste. Es war Mozarts erstes öffentliches Konzert. Fürst Odoardo III ließ den letzten größeren Umbau um 1800 durchführen. Das damals noch ebenerdige Stallgebäude an der Schulhofstraße wurde bereits 1804 durch Franz Wipplinger mit drei Obergeschossen aufgestockt. 1809 war der französische General Francois Joseph Lefebvre im Palais einquartiert. 1827 wurde das Erdgeschoß in Geschäftslokale aufgeteilt. Anfangs der 40er-Jahre des 19. Jh. hatte hier Johann Sothen einen kleinen Tabakladen. Er brachte es später durch Finanztransaktionen und die Einführung des Promessenspieles zum Millionär und Besitzer der Herrschaft Cobenzl. 1945 zerstörte eine Fliegerbombe die Ecke Schulhof/Parisergasse. Der Schaden wurde 1949/53 behoben. Über die Österreichische Länderbank und die Bank Austria-Creditanstalt kam das Palais an eine Immobilienfirma. Es ist vollständig vermietet. Nachdem 1978/79 die Hauptfassade restauriert wurde, kam 2001 eine Generalsanierung zustande.

Das Palais Collalto ist wesentlich ausgedehnter und älter, als die hochbarocke fünfachsige Hauptfront vermuten lässt. Sie ist dem Platz Am Hof zugewandt. Ihre vertikale Gliederung erfolgt durch vier korinthische Riesenpilaster, die die drei Obergeschosse zusammenfassen. Das breite Hauptportal im gebänderten Erdgeschoß wird von Pilastern flankiert. Es entstand um 1628 und wird Giovanni Battista Pieroni zugeschrieben. Darüber liegt ein Balkon, dessen Schmiedeeisengitter sehr schön gearbeitet ist. Das noch auf einem Stich von Johann Adam Delsenbach abgebildete Rustikaportal an der rechten Ecke des Haupttraktes wurde später vermauert. Die korbbogige Haupteinfahrt ist mit einem Stichkappentonnengewölbe ausgestattet. Im Raum an der rechten Ecke des Vordertraktes wurde 2001 ein spätgotischer, achteckiger Pfeiler freigelegt. Dieser Baubereich stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. An der linken Seite führt die vierarmige Haupttreppe in die Obergeschosse. Ein Gang mit Kreuzgratgewölbe und Stichkappentonne geht auf die Zeit um 1560/65 zurück. Die Beletage weist zwei Räume mit hochbarocken Stuckplafonds (um 1730) auf, die mit Bandlwerk, Putten und einem mythologischen Relief geschmückt sind. Bemerkenswert sind die Kellergewölbe des Haupttraktes. An den großen Zentralraum schließen im Westen und Süden je zwei Nischenräume an. Sein spitzbogiges Kreuzgratgewölbe wird von einem mächtigen zentralen Pfeiler getragen. Teile der Kellermauern stammen noch aus der ersten und zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. In einem, an den Zentralraum anschließenden runden Raum vermutet man das Kellergeschoß eines Turmes, der den letzten Rest der einstigen Babenbergerpfalz darstellen dürfte. Er wurde erst 2002 als solcher erkannt.

Ein etwas zurückspringender, dreistöckig überbauter Schwibbogen verbindet die Südseite des Haupttraktes mit der daneben liegenden Kirche. In einem Zimmer des zweiten Obergeschosses hat sich ein spätbarock bemalten Plafond erhalten, der einen illusionistischen Himmelsausblick in einer stuckimitierenden Rahmung zeigt. Die segmentbogige Durchfahrt führt zum Schulhof. Die dahinter beginnende, leicht geknickte Seitenfassade sowie die gekrümmte Hinterfront zur Parisergasse stammen aus dem Klassizismus. Der 1804 errichtete langgestreckte, dreistöckige Seitentrakt, gegen den Schulhof hin, weist ein schönes dreiachsiges Portal auf. Er gehört zu den bedeutendsten Werken der klassizistischen Profanarchitektur in Wien. Sein mit einem Platzlgewölbe versehenes Erdgeschoß hat ursprünglich als Pferdestall gedient, wie unter Putz liegende Reste von Futternischen beweisen. An der Einfahrt in der Parisergasse wurden 2001 zwei frühgotische Sitznischen aufgedeckt. Auch ein Renaissancefenster und vor allem die einarmige Renaissance-Treppe zeigen, dass auch dieser Trakt deutlich älter ist, als man auf Grund seiner klassizistischen Fassade schließen könnte. In einem Zimmer des zweiten Stocks des Parisergassen-Traktes finden sich Reste einer spätklassizistischen Dekormalerei (um 1840), die aus einer vegetabilen Mittelrosette sowie Blüten- und Blattranken besteht. Auch die Leisten für eine Wandfelderung sind noch erhalten. Im 3. Obergeschoß stößt man auf Reste einer frühklassizistischen Secco-Malerei. Der trapezförmige Innenhof ist im Norden und Westen von einfachen hochbarocken Trakten umgeben, die etwa um 1730 fassadiert wurden, während der mit zweigeschossigen Blendarkaden und einer dreigeschossigen, später geschlossenen Pawlatsche versehene südliche Seitentrakt aus dem Klassizismus stammt.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Am Hof 13

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


22.07.2005