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Heidenreichstein


Wie große Teile des nördlichen Waldviertels war auch das Gebiet um Heidenreichstein im Hochmittelalter reichsunabhängig und gehörte den Burggrafen von Nürnberg und Grafen von Raabs. Die Gründung der Burg und des Ortes dürfte zwischen 1180 und 1190 durch ihren Vasallen Heidenreich, der zur Familie der Burggrafen von Gars-Eggenburg gehörte, erfolgt sein. Sie gehörten wohl zur weit verzweigten Sippe der Kuenringer. Aufgabe der Burg war es, zwei wichtige Fernstraßen nach Böhmen zu sichern. Schon 1205 nannte sich Heidenreichs Bruder in einer Urkunde, die zugleich die erste schriftliche Erwähnung der Burg beinhaltet, Otto von Heidenreichstein. Als Graf Konrad von Raabs um 1192 starb, wurde sein Besitz zwischen seinen beiden Töchtern geteilt. Agnes brachte den westlichen Teil mit Litschau und Heidenreichstein in ihre Ehe mit Graf Gebhart von Hirschberg-Tollenstein ein. Die Hirschberger machten sich um die Kolonisierung der Grenzregion um Heidenreichstein verdient. 1282 belehnte ein anderer Graf Gebhard aus dieser Familie die Brüder Luitold und Heinrich von Kuenring mit Litschau, Heidenreichstein und Raabs. Er verkaufte aber seine Oberherrschaft 1297 an Herzog Albrecht I von Österreich. Unter Herzog Friedrich I wurden Litschau und Heidenreichstein 1314 an Johann von Klingenberg verpfändet. Auf ihn folgte - vorerst als Pfandinhaber - 1348 Albrecht von Puchheim. Dieser musste bald darauf seine in Oberösterreich gelegene Stammburg Puchheim an Herzog Albrecht II übertragen und erhielt dafür Litschau und Heidenreichstein als Lehen.

Die Puchheimer zählten zu den angesehendsten Adelsfamilien des Landes. 1411 wurde einem weiteren Albrecht von Puchheim das Erbtruchseßamt von Österreich übertragen. Der hier sitzende Familienzweig nannte sich bald nach der Burg. Diese wurde ab 1400 umfassend ausgebaut, doch wurden die Arbeiten durch die Hussitenkriege von 1425 bis 1431 unterbrochen. Damals wurde der romanischen Hochburg im Westen ein äußerer Burghof vorgelegt und die Umfassungsmauern durch Turmbauten verstärkt. Ab dem 15. Jh. war auch ein Landgericht mit der Herrschaft verbunden. Wilhelm von Puchheim war Landmarschall von Österreich. Er zeichnete sich 1532 im Kampf gegen die Türken aus. Sein Sohn Friedrich Christoph von Puchheim und dessen Brüder erbauten 1549 das äußere Vorwerk mit dem Tor. Das Streben nach erhöhter Wohnlichkeit brachte in der Renaissancezeit etliche Veränderungen. Damals entstand auch der kurze kreuzgratgewölbte Laubengang im Innenhof vor der mittelalterlichen Rauchküche. Otto von Puchheim wurde 1578 von Niklas Graf Salm erstochen. Um 1584 hatten die Puchheim unter allen niederösterreichischen Adelsfamilien die meisten Untertanen. Damals zählten 4055 Hofstätten zu ihrer Herrschaft. Im böhmischen Krieg von 1621 wurde der Ort gebrandschatzt, die Burg aber nicht angegriffen. 1636 war die Herrschaft so hoch verschuldet, dass eine Exekution durchgeführt werden musste und Heidenreichstein an Siegmund Adam von Traun gelangte. In kurzen Abständen folgten nun verschiedene Adelsfamilien (1640 Zinzendorf, 1641 Polheim, 1643 Khuen, dann Volkra).

1650 wurde Heidenreichstein zur Grafschaft erhoben. Otto von Volkra erhielt zwar 1670 den Titel eines Reichsgrafen, verlor aber aufgrund seiner hohen Schulden die Herrschaft, die von Margaretha Marchese degli Obbizzi erworben wurde. Sie war eine geborene Gräfin Pálffy und brachte Heidenreichstein in einen Fideikommiß für das Haus Pálffy ein. Ihr Bruder Nikolaus wurde 1714 mit Heidenreichstein belehnt, lebte aber als königlicher Statthalter in Ungarn meist in Pressburg. 1807 wurde Karl Graf Pálffy gefürstet. Um 1900 fanden größere Renovierungsarbeiten statt, wobei es im Inneren zu geringfügigen historistischen Veränderungen, vor allem durch den Einzug von Holzdecken, kam. Als 1947 Ladislaus Fürst Pálffy als letzter der Heidenreichsteiner Linie starb, kam die Burg an Rudolf Graf van der Straten-Ponthoz, dem ehemaligen Adjutanten des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand. Von 1919 bis 1938 war er Leiter der Spanischen Hofreitschule in Wien. Seine Tochter Josefine ist mit Christian Graf Kinsky von Vchinitz und Tettau verheiratet, der 1961 Heidenreichstein erbte. Die Burg und das damit verbundene Gut gehören auch heute noch der Familie Kinsky. Heidenreichstein zählt zu den wenigen Adelssitzen des Waldviertels, die 1945 nicht geplündert und verwüstet wurden. Es ist auch eine der seltenen österreichischen Burgen, die noch ganzjährig bewohnt werden, wobei sich aber die Besitzer in die leichter heizbaren Nebengebäude der Vorburg zurückgezogen haben. Die Hochburg ist in der wärmeren Jahreszeit als Burgmuseum zu besichtigen. Der äußere Burghof wird im Sommer für Theateraufführungen genutzt.

Heidenreichstein ist wohl die schönste mittelalterliche Wasserburg Österreichs. Vermutlich wegen ihrer ersichtlichen Uneinnehmbarkeit wurde sie nie in kriegerische Ereignisse verwickelt oder erobert. Hussiten, aufständische Bauern und Schweden verwüsteten zwar den Ort, griffen aber die Burg nicht an. Dadurch erklären sich auch ihr erstklassiger Erhaltungszustand und die Unversehrtheit ihrer Einrichtung. Der zyklopenhafte romanische Bau ist im Süden vom Hauswehrteich und im Osten vom Romaubach umgeben. Die künstlichen Wassergräben im Westen und Norden wurden erst in jüngerer Zeit trocken gelegt. Heidenreichstein macht auch heute noch einen äußerst wehrhaften Eindruck. Um die extrem hohen Mauern nicht zu schwächen, sind sie nur von wenigen Fenstern durchbrochen. Die Umfassungsmauer wird im Norden der Hauptburg als Zwinger weitergeführt. Sie ist durch drei mächtige Rundtürme verstärkt. Der einzige Zugang zur Burg erfolgt von der Stadtseite her. Hier sperren zwei Torbauten mit noch weitgehend intakten Zugbrücken den Eingang in den äußeren Burghof. Über dem ersten Torbogen ist eine Inschrift aus dem Jahr 1550 angebracht, die an den Auftrag des Landesfürsten erinnert, anlässlich der Türkengefahr zusätzliche Befestigungen zu errichten. Dieses Tor war ursprünglich in eine heute nicht mehr erhaltene Außenbefestigung einbezogen. Es zeigt bereits die typischen Merkmale der Renaissance. Im Torweg ist die Aufzugsvorrichtung (Steinkugeln als Gegengewichte und Seil) noch erhalten. Dahinter liegt der innere Ringgraben. Über der zweiten, spätgotischen, Tordurchfahrt erkennt man außen einen Gußerker und hofseitig die Wappen der Burgherren Pálffy, van der Straten und Kinsky. Die rechts vom Torbau liegenden einfachen Gebäude der dreiflügeligen Vorburg sind zweigeschossig. Sie stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Links gelangt man über eine Freitreppe in die Hochburg bzw. durch eine Torhalle in den inneren Burghof.

Hier beeindruckt vor allem der 42 m hohe viereckige romanische Bergfried. Seine Mauern wurden bereits um 1190 auf den Granitfelsen aufgesetzt. Der damals noch freistehende Bau wurde erst im 15. Jahrhundert mit gotischen Wohnflügeln umstellt. Im 16. Jh. erhielt er sein oberstes Geschoß. Sein ursprünglicher Einstieg liegt 14 m über dem Niveau des Innenhofes. Heute ist er über den angebauten Treppenturm zugänglich. Trotz seiner Außenmaße von ca. 12 x 11 m, hat er im Inneren nur eine Grundfläche von etwa 25 m². In der bis zu 4,5 m dicken Mauer führt ein zweiarmiges Treppensystem mit versperrbaren Türen bis zum Wehrgang unterhalb des steilen Walmdaches empor. Die 60 cm hohen Stufen der nur schulterschmalen niedrigen Gänge machten den Aufstieg etwas mühsam, so dass ein einzelner Mann genügte, um ein feindliches Eindringen zu verhindern. Der Turm besitzt keine Fenster, sondern nur wenige schmale Lichtschlitze. Das äußere Erscheinungsbild der Burg wird aber nicht vom Bergfried sondern vom mächtigen runden Kapellenturm in der Nordostecke der Hochburg bestimmt. Sein Durchmesser beträgt etwas mehr als 12 Meter. Er trägt einen Wehrgang und darüber ein hohes Kegeldach. In seinem Erdgeschoß befindet sich die mit 1456 datierte Kapelle. Die flache Holzdecke des winzigen Raumes zeigt Reste gotischer Rankenmalereien. Dieser Nordostturm ist mit dem Südostturm durch einen spätgotischen Wohntrakt verbunden, der schöne Renaissance-Doppelfenster zeigt. Aus seiner von Rundzinnen gekrönten Außenmauer springt der gewaltige, wie ein Stützpfeiler wirkende, dreigeschossige Kamin der einstigen Rauchküche vor. Der ebenfalls dreigeschossige Palas im Süden wurde um 1400 an den romanischen Bering angebaut. Dieser ist noch heute als Außen-, Hof- und Zwischenmauer der Burg erhalten, wird aber zum Großteil von den in der Spätgotik angebauten Gebäuden verdeckt.

Seine Südostecke wird durch einen nach außen vorspringenden Halbrundturm verstärkt. In den Hof springt ein quadratischer Vorbau vor, der einen tonnengewölbten Saal mit einer Brunnenanlage enthält. An diesen Vorbau ist ein runder dreigeschossiger Treppenturm mit einer spätgotischen Spindeltreppe angebaut. Der schönste Saal des Palas ist der fast 27 m lange „Rittersaal“ im zweiten Geschoß. Er war ursprünglich 12 m hoch und reichte bis in das gotische Dachgebälk des Südtraktes, das gigantische Ausmaße hat und wie ein umgedrehter Schiffsrumpf wirkt. Seine gehackten Balken werden durch geschnitzte Holznägel rostfrei zusammengehalten. Der Raum war natürlich nicht zu heizen. Im 18. Jh. dachte man praktischer und zog eine Zwischendecke ein, so dass zwei Säle entstanden. Der erst seit dem 19. Jahrhundert als Rittersaal bezeichnete Raum diente früher dem Landgericht als Gerichtssaal. Sein spätgotischer Fliesenboden ist noch original, ebenso die geschnitzte Balkendecke. In wohl keiner österreichischen Burg gibt es so viele gotische und romanische Möbel wie in Heidenreichstein, wobei diese hier keine Sammlerstücke sind, sondern zur originalen Ausstattung der Burg gehörten. Bemerkenswert ist z. B. ein gotischer Giebelschrank, der die Entwicklung des Kastens aus der aufgestellten Truhe zeigt. Eine große Tischplatte ist aus einem einzelnen tausendjährigen Ahornstamm geschnitten. Im Puchheimsaal steht ein bunt bemalter Majolika-Kachelofen mit dem Puchheim-Wappen aus dem Jahr 1652. Kulturhistorisch interessant sind auch die vier bis fünf Meter langen Gelagesäcke sowie die Saufstühle im Rittersaal. In der Nordwestecke der Burg liegt im zweiten Stock ein Saal mit einer verschließbaren Altarnische. Er ersetzte in späterer Zeit die Burgkapelle im Kapellenturm, die nicht mehr benützt wurde.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 18 km nordöstlich von Gmünd

Ort/Adresse: 3860 Heidenreichstein

Besichtigung: von Mitte April bis Mitte Oktober tägliche Führungen (außer Montag) um 10.00, 11.00, 14.00, 15.00 und 16.00

Homepage: www.kinsky-heidenreichstein.at


Weitere Literatur:


09.05.2005