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Weitra


Das nordwestliche Waldviertel wurde im Laufe des 12. Jahrhunderts kolonisiert. Für die Rodung des Landes war in erster Linie das aus Bayern gekommene, weitverzweigte Geschlecht der Kuenringer verantwortlich. Mittelpunkt ihres von den österreichischen Markgrafen unabhängigen Hoheitsbereiches waren Stadt und Burg Weitra, die in den Jahren 1201 bis 1208 durch Hadmar II von Kuenring gegründet wurden. Die Burg war zugleich Residenz und Kern der Stadtverteidigungsanlagen. Von einem älteren Wehrbau, der bereits um die Mitte des 12. Jh. neben der Kirche von Alt-Weitra errichtet worden sein soll, haben sich keine Spuren mehr erhalten. Der Name Weitra wird vom slawischen Wittraha abgeleitet, was soviel wie „gewundener Fluß“ bedeutet. Hadmars Sohn Heinrich II wurde 1228 von Herzog Leopold VI zum Marschall in Österreich ernannt. Dennoch war er der Anführer eines Adelsaufstandes gegen Herzog Friedrich II. Dieser konnte die Empörung niederschlagen und die Burg Weitra einnehmen. Er verzichtete auf Konsequenzen für die Kuenringer, die sogar die Marschallswürde bis zum Regierungsantritt der Habsburger behalten konnten. Heinrich V von Kuenring bereitete neuerlich eine Verschwörung, diesmal gegen König Rudolf I von Habsburg, vor. Auch diese hatte keinen Erfolg. Schließlich kämpfte er in der Schlacht von Dürnkrut an der Seite König Ottokars II, mit dessen Tochter er verheiratet war. Nach dem Sieg Rudolfs zog er sich auf seine Feste Weitra zurück, musste sich aber nach längerer Belagerung Stephan von Maissau ergeben. Er wurde enteignet und nach Böhmen verbannt. Weitra wurde landesfürstlich. 1292 verlieh Herzog Albrecht I die Burg an Leuthold von Kuenring. Auch er stellte sich drei Jahre später an die Spitze einer Adelsrevolte. Nach deren Misslingen musste er Weitra dem Herzog zurückgeben. Es wurde nun von Burggrafen verwaltet und die Kuenringer spielten in Weitra keine Rolle mehr.

Die stark befestigte Burgstadt war ein wichtiger Stützpunkt der Habsburger an der böhmischen Grenze. 1332 wurden Stadt und Burg von den Böhmen erfolglos belagert. Von 1376 bis 1429 hatten sie die Herren von Maissau als landesfürstliches Lehen in Besitz. Als diese aber der Kooperation mit den Hussiten beschuldigt wurden, verloren sie die Herrschaft wieder. Die Hussiten belagerten 1426 und 1431 die Stadt. 1486 versuchten sie ungarische Truppen einzunehmen. Ab 1508 wurde Weitra mehrfach verpfändet. 1582 schenkte Kaiser Rudolf II Burg und Stadt seinem Oberstkämmerer Wolf Siegmund Rumpf Freiherr von Wielroß (Wullroß). Im 16. Jahrhundert entsprach die alte Burg längst nicht mehr den Vorstellungen eines herrschaftlichen Sitzes, obwohl bereits der Baumeister Hans Saphoy die ärgsten Mängel beseitigt hatte. 1584 legte der kaiserliche Architekt Pietro Ferrabosco Pläne für die Umwandlung der Burg in ein zeitgemäßes Schloss vor. Vor allem ein regelmäßiger Grundriss war gefragt. Die eigentlichen Bauarbeiten leitete aber der aus Flandern stammende Baumeister Anton de Moys, der später auch den Neubau des Linzer Schlosses leitete. Sie dauerten von 1590 bis 1606, wobei die Untertanen durch Robotleistungen stark belastet wurden. Dabei wurde die alte Burg weitgehend abgerissen und an ihrer Stelle ein größeres symmetrisches Schloss errichtet. Dieses war so gut bewehrt und mit Artillerie versehen, dass es allen Belagerungen des Dreißigjährigen Krieges widerstehen konnte. Auch den aufständischen Bauern war es nicht gelungen, 1596 in die Stadt zu gelangen. Ihre Anführer wurden aber anschließend in ihr hingerichtet. Nach dem Tod des Freiherrn heiratete seine Witwe 1606 den aus Schwaben stammenden Grafen Friedrich V von Fürstenberg-Heiligenberg. 1618 ließ der Schlossverwalter Stephan Engelhard die böhmischen Truppen unter Graf Schlick heimlich in die Burg, so dass sie von hier aus die Stadt besetzen konnten. Einige Monate später wurden sie aber von den kaiserlichen Truppen wieder vertrieben. 1645 mussten die Schweden ihre Belagerung erfolglos abbrechen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Weitra die größte Herrschaft des Waldviertels. Durch Blitzschlag brannte 1747 der Turm im Inneren weitgehend aus. Zu einem weiteren Brand kam es zehn Jahre später. Damals wurde der Dachstuhl sowie das oberste Stockwerk vernichtet und die Kapelle beschädigt. Bald danach wurde das Gebäude wiederhergestellt. Die Weitraer Linie der Fürstenberg wurde in den Landgrafenstand erhoben und starb in den dreißiger Jahren des 20. Jh. aus. Das Schloss ging an die Fürsten zu Fürstenberg in Donaueschingen über. Diese besitzen noch heute das Schloss, in dem u. a. ein Biermuseum sowie ein Lokalmuseum untergebracht sind. Die Wirtschaftsgebäude werden von der Fürstenberg’schen Forst- und Güterdirektion genutzt.

Das Renaissanceschloss liegt auf einem Granitfelsen über der Stadt, von der es über eine steile Auffahrtsrampe erreichbar ist. Die Feste war in die heute noch streckenweise gut erhaltene Stadtbefestigung aus dem 13. Jh. einbezogen. Die Anlage ist ein breit gelagerter, regelmäßiger Bau, in dessen Fundamenten noch Bausubstanz aus dem 13. Jahrhundert steckt. So sind in den Kellerräumen des Osttraktes Mauerteile aus großformatigem Quadermauerwerk zu erkennen, die Teile des östlichen Berings bzw. der Südwand des östlichen Bergfrieds waren. Das Schloss ist ein dreigeschossiger Vierflügelbau, der später äußerlich kaum verändert wurde. Lediglich der über der stadtseitigen Torhalle sich erhebende, 35 m hohe Turm verlor bei einem Brand im Jahr 1747 seinen Zwiebelhelm. Er erhielt danach seinen heutigen Abschluss mit der Balustrade. Die beiden Glocken stammen aus den Jahren 1606 und 1756. Charakteristisch für das Erscheinungsbild des Schlosses sind die vierfach gestaffelten Grabendächer des West- und Osttraktes sowie die im 18. Jh. vorgelegten barocken Volutengiebel. Von außen hat es daher den Anschein, als ob es aus vier, nur je zwei Fenster breiten Gebäuden mit geschweiften Giebeln zusammengesetzt wäre. Die nach 1747 erneuerte Dachstuhlkonstruktion ist ein Meisterwerk barocker Zimmermannskunst. Während der Nordtrakt dreigeschossig ist, verfügt der Südteil geländebedingt über fünf Stockwerke. Seine zweistöckigen Substruktionen dienen als Keller. In neun Meter Höhe erkennt man ein Tor. Da es keine Treppe gibt, ist es funktionslos. Es wurde lediglich aus Gründen der Symmetrie errichtet.

Der Haupteingang liegt ihm gegenüber an der Nordfront. Die repräsentative rustizierte Toranlage besteht aus einer großen Einfahrt und zwei Fußgängertüren, die in den geräumigen Innenhof führen. Dieser wird an der West- und Ostseite von fünf dreigeschossigen Pfeilerarkaden begrenzt. Ihre Bögen sind abwechselnd mit Löwenköpfen, Muscheln und stilisierten Schwertern verziert. Die Dächer zeigen hofseitig hübsche barocke Gaupen und die für die Zeit um 1600 typischen Rauchfangformen. In der Mitte des Hofes steht ein achtseitiger Renaissancebrunnen. Die Umbauten des 17., 18. und 19. Jahrhunderts bezogen sich vorwiegend auf das Innere. Hier ist vor allem das im ersten Stock des Westtraktes im 18. Jahrhundert eingebaute Schlosstheater zu nennen. Es wurde 1885 nach Plänen von Helmer und Fellner historisierend im Rokokostil umgestaltet. Der 155 Personen fassende Raum wurde 1983 restauriert und wird seither fallweise wieder bespielt. Im Erdgeschoß des Nordtraktes liegt die der Muttergottes geweihte Schlosskapelle aus dem Jahr 1758. Es handelt sich dabei um einen stuckverzierten dreiachsigen Saal mit Stichkappengewölbe und angebauter Apsis. In den einstigen Wohnräumen haben sich etliche barocke Kachelöfen erhalten. Die – nicht öffentlich zugängliche – Bibliothek enthält etwa 30.000 Bände. Der einstige Festsaal im Nordtrakt wurde schon im 18. Jh. in Wohnräume unterteilt. Unterhalb des Schlosses liegt ein befestigter Wirtschaftskomplex, der mit zwei Toranlagen ausgestattet ist. Er wurde im 19. Jahrhundert umgebaut. Da das abfallende Gelände und die nahen Häuser der Stadt keinen Platz für einen ausgedehnten Schlosspark ließen, wurde dieser im nur wenige Kilometer entfernten Lainsitztal angelegt.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 13 km südwestlich von Gmünd

Ort/Adresse: 3970 Weitra

Besichtigung: von Mai bis Oktober täglich (außer Dienstags) von 10.00 bis 17.30

Homepage: www.schloss-weitra.at


Weitere Literatur:


22.04.2005