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Palais Bourgoing


Die Nähe zum Belvedere und dem Palais Schwarzenberg führte in den Jahren ab 1870 dazu, dass die hier befindlichen Gartengründe bald zu einer bevorzugten Wohngegend für die High Society Wiens wurden. Auch Othon Baron de Bourgoing (1839 – 1908) ließ sich hier 1891 ein Palais errichten. Er war ein Mitglied der französischen Botschaft in Wien und spielte in der Wiener Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Später verließ er den diplomatischen Dienst Frankreichs, ließ sich endgültig in Wien nieder und wurde Verwaltungsrat der Österreichischen Länderbank. Bourgoing dilettierte auch als Autor zahlreicher Revuen, Ballette und Theaterstücke. Als Architekten beschäftigte er Armand Bauqué und Albert Pio, die um 1880 ihren Tätigkeitsbereich wegen der dortigen starken Konkurrenz von Paris nach Wien verlegt hatten. Hier waren sie vorwiegend für die in der Monarchie lebenden Franzosen tätig. Unter anderem errichteten sie auch für die Familie Rothschild mehrere Bauten. Die Bauführung für das Palais Bourgoing lag bei der Wiener Firma Franz & Heinrich Glaser. Die Innenausstattung erfolgte durch Wiener Kunsthandwerker. 1893 war das Palais fertig. Baron Bourgoing bewohnte sein neues Haus aber nur bis 1904, da er dann in ein kleineres neoklassizistisches Gebäude in der Jaquingasse, das ebenfalls von Albert Pio errichtet worden war, umzog. Das Palais wurde an Sigismund (Baron von) Springer verkauft. Dieser ließ das Gebäude um ein Mezzaningeschoß erhöhen, wodurch die Proportionen aber etwas ungünstig verändert wurden. Nach Springers Tod erbte seine Witwe Valentine das Palais. Sie war eine Nichte des Barons Nathaniel von Rothschild und starb erst 1969. Seit 1950 hat die Akademie für Musik und darstellende Kunst hier die Abteilung für Stimmbildung, Opern- und Konzertgesang untergebracht. Auch die Mozartgemeinde Wien hat hier ihren Sitz. Die wandfeste Innenausstattung ist zum Großteil noch erhalten. Die große Kunstsammlung Bourgoings wurde vorerst in das neue Domizil mitgenommen, dann aber 1936 von seinem Sohn zum Großteil versteigert. Die verbliebenen Stücke (immerhin noch 16 Kisten) wurden im Zweiten Weltkrieg nach Schloss Feldsberg in Südmähren ausgelagert, wo sie 1945 von der russischen Armee verschleppt wurden.

Das Palais liegt von der Straßenfluchtlinie etwas zurückgesetzt. Durch einen Garten ist es mit dem Areal der Anglikanischen Kirche verbunden. Die Straßenfront wird durch ein repräsentatives Tor abgeschlossen. Das einst daran angebrachte Wappen der Familie Bourgoing wurde nach 1904 unter dem neuen Eigentümer durch ein großes S (für Springer) ersetzt. Die Einfahrt wird von einem Pförtnerhäuschen mit anschließendem gedecktem Verbindungsgang flankiert. Das Hauptgebäude ist ein späthistoristischer Bau im Stil des französischen Frühklassizismus. Es besteht aus einem Parterre, das als Beletage diente, sowie aus einem Ober- und einem Mansardgeschoß. Die siebenachsige Fassade wird von einem vorspringenden dreiachsigen Mittelrisalit mit Dreiecksgiebel beherrscht. Seine drei großen Rundbogenfenster sind von ionischen Kolossalpilaster flankiert. Die Kartusche im Giebelfeld zeigte ursprünglich das Allianzwappen Bourgoing-Kinsky, doch wurde es später durch das Wappen Springer-Rothschild ersetzt. Man betritt das Palais durch das mit farbigem Marmor verkleidete Untere Vestibül. Ein hier hängendes Gemälde (ca. 1800) stellt Bacchus und Ariadne dar. Über einige Stufen gelangt man in das Obere Vestibül, in dem sich ein großer Fayence-Ofen erhalten hat. Die Repräsentationsräume liegen im Erdgeschoß. Es handelt sich dabei um eine gartenseitig gelegene Suite mit reicher Stuckierung und Wandmalereien. Das hofseitig gelegene Speisezimmer war mit alten bemalten Leinentapeten bespannt, die aus einem eleganten Restaurant aus der Zeit Ludwigs XVI stammten. Der Kleine Salon zeigt neben Supraportenbilder und einem Kaminaufsatz mit Spiegel ein Gemälde, das fliegende Putti zeigt und Jacob de Witt zugeschrieben wird. Gesellschaftlicher Mittelpunkt des Palais war der Große Salon. An der westlichen Längswand des 80 m² großen Raumes steht in der Mitte ein Marmorkamin mit einem rundbogigen Spiegelaufsatz, in dem sich eine Uhr befindet. Die zur Aufnahme von Gemälden bestimmten stoffbezogenen Wandfelder sind von weißen Holzrahmen umgeben. Unter den Bildern befanden sich einst Werke von Jean Etienne Liotard und Jean Marc Nattier. Über den Türstürzen sind plastische Reliefdarstellungen angebracht. Den Abschluss der Repräsentationsräume bildete die im Empirestil eingerichtete Bibliothek mit ihrer bemalten Kassettendecke. Die Bücherschränke sind aus Mahagoni und mit Messing- und Bronzeappliken versehen. Eine einfache, aber elegante Treppe führt in das erste Stockwerk, wo sich die Familienschlafzimmer sowie ein kleiner Salon befanden. Im Mansardgeschoß war das Personal untergebracht.

Ort/Adresse: 1030 Wien, Metternichgasse 8

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


14.04.2005