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Jaidhof


Gföhl und der Jaidhof gehörten ursprünglich dem Landesfürsten, wurden aber Jahrhunderte lang verpfändet. Der seinerzeitig burgartige Bau diente als Amtssitz der großen Herrschaft Gföhl. Sein Erbauer ist nicht bekannt. Er dürfte aber bereits in der Babenbergerzeit errichtet und dann vom Krumauer Burgherrn Hans von Pölla ausgebaut worden sein. Zwischen 1314 und1370 war die Herrschaft an Friedrich von Wallsee und seinen Sohn Heinrich verpfändet. Dann erwarb Heidenreich von Maissau das Pfandgut. Die erste urkundliche Erwähnung des Jaidhofes stammt aus dem Jahr 1381. Als Otto IV, der letzte Maissauer, 1430 wegen angeblicher Kooperation mit den Hussiten auch die Herrschaft Gföhl verloren hatte, wurde sie an Hans Neidegg von Ranna vergeben, nachdem sie zeitweise unter landesfürstlicher Verwaltung stand. 1490 war Leopold von Neidegg Pfandinhaber. Da die jeweiligen Pfandbesitzer nie im Jaidhof wohnten, verfiel dieser. Als Leonhard Rauber, Freiherr von Plankenstein, 1515 Gföhl erhielt, wurde der alte Jaidhof bereits als Burgstall bezeichnet, d. h. er war ruinös und unbewohnt. Von 1521 bis 1581 war die Familie Greiß Pfandinhaber. Wilhelm von Greiß, oberster Jägermeister in Österreich, investierte zwar einiges, aber wohl eher in das Forsthaus, als in ein neues Schloss. Dieses entstand erst 1672 unter Georg Ludwig Graf Sinzendorf, der nach etlichen Vorbesitzern, wie Lazarus Henckel von Donnersmark (1608) und Heinrich Kielmann von Kielmannseck (1651) die Herrschaft erworben hatte. Bereits Henckel von Donnersmark war es gelungen, Gföhl als freies Eigen zu erhalten.

Georg Ludwig Graf Sinzendorf war Hofkammerpräsident unter Kaiser Leopold I, schädigte jedoch den Staat durch gewaltige Unterschlagungen und Falschmünzerei um zwei Millionen Gulden. Er wurde 1681 zuerst zu lebenslangem Kerker verurteilt, dann aber begnadigt und auf seine Güter verbannt. Nach seinem, noch im gleichen Jahr erfolgten Tod, wurde er in Gföhl bestattet. 1769 erhoben sich die Bauern der Herrschaft gegen überhöhte Robot- und Abgabeforderungen. Trotz zehnjährigen passiven Widerstands unterlagen sie jedoch schließlich. Der Jaidhof blieb bei den Sinzendorf bis zu deren Aussterben 1822. Sieben Jahre später kaufte ihn Maximilian Graf d’Orsay, gab ihn aber bereits 1834 an den Bankier Georg Freiherr von Sina ab. Dieser besaß auch die unweit gelegenen Herrschaften Imbach, Droß und Rehberg, die er vom Jaidhof aus verwalten ließ. 1884 kaufte Wilhelm Ritter von Gutmann die gesamte Domäne. Gutmann war es gelungen durch den Ankauf von Bergwerken und der Gründung von Handelsgesellschaften eine kontrollierende Stellung auf dem Gebiet der Kohleversorgung in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zu gewinnen. Das Schloss, das bereits um 1800 klassizistisch erweitert worden war, erhielt nun sein heutiges Aussehen durch den Architekten Max Ferstel. Weitere Zubauten erfolgten unter Bergrat Dr. Max von Gutmann. 1938 wurde die Familie Gutmann aus rassischen Gründen enteignet und ihr Besitz vom Deutschen Reich übernommen. Als Deutsches Eigentum stand dann der Jaidhof von 1945 bis 1955 unter russischer Verwaltung. Danach wurde er der Familie zurückgegeben. 1985 verpachtete Frau Rosa Gutmann das Schloss an die von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete konservative Priesterbruderschaft St. Pius X. Diese ließ das Gebäude 1989 umfassend restaurieren und benützt es seither als Bildungshaus vorwiegend für Seminare, Exerzitienkurse und Jugendlager.

Das Schloss umgibt mit seinen langen Seitentrakten hufeisenförmig einen geräumigen Ehrenhof, der an seiner Südseite an einen ausgedehnten englischen Landschaftspark grenzt. Dieser wird durch Teiche, Brunnen und den Resten eines Gartenpavillons aufgelockert. Die Gebäude sind an der Außenseite dreigeschossig, während sie hofseitig nur zwei Geschosse aufweisen. Die Seitentrakte sind relativ einfach gehalten und lediglich durch Lisenen vertikal gegliedert. Ihr seitlicher Abschluss erfolgt jeweils durch einen Dreiecksgiebel. Die zahlreichen Schornsteine dürften noch vom Vorgängerbau aus dem 17. Jahrhundert stammen. Der Mittelteil des Haupttraktes ist wesentlich aufwändiger gestaltet. Ihm ist sowohl an der Hof-, als auch an der Parkseite eine neoklassizistische Pfeileraltane mit niederer Freitreppe und Balustrade vorgelagert. Der dahinter liegende Mittelrisalit wird von einem Dreiecksgiebel gekrönt. Sein Feld ist mit einem reich verzierten Wappen geschmückt. Der Mittelteil wird von einem zweifach sich verjüngenden viereckigen Turm um fünf Stockwerke überragt, der das gesamte Gebäude dominiert. Er weist zwei, von Volutenkonsolen getragene umlaufende Galerien auf. Obwohl bereits auf dem Vischer-Stich von 1672 ein Uhrturm zu sehen ist, stammt dieser neobarocke Turm erst aus dem späten 19. Jahrhundert und geht auf das Bemühen der Familie Gutmann zurück, das Aussehen ihres Schlosses bedeutender erscheinen zu lassen. Die Innenräume wurden damals ebenfalls neu eingerichtet, doch mussten sie nach den üblichen Verwüstungen der Nachkriegszeit neu ausgestattet werden. Der große Mittelsaal wird heute gerne für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Sein Spiegelgewölbe ist mit stuckierten Eckmedaillons versehen, die Jagdtrophäen zeigen. Auch in den anschließenden Räumen findet man schlichten neobarocken Stuck. Im Westflügel liegt die um 1800 entstandene zweiachsige Kapelle. Die zweiläufige Treppe in der Nordostecke des Schlosses wurde um 1900 eingebaut. An der dem Schloss gegenüberliegenden Straßenseite erstrecken sich lang gezogene Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude, die im sog. Heimatstil um 1910 errichtet wurden.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 2 km nördlich von Gföhl

Besichtigung: nach telefonischer Voranmeldung möglich


Weitere Literatur:


30.03.2005