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Ebreichsdorf


Obwohl hier bereits ein Römerweg vorbeiführte und schon im 10. Jahrhundert ein militärischer Vorposten bestand, wird erst 1294 in einer Heiligenkreuzer Urkunde ein Otachar von Ebreichsdorf genannt. Der Grund dürfte wohl darin liegen, dass unweit von Ebreichsdorf in Kaltengange, einem heute nicht mehr existierenden Ort, eine Burg von größerer wehrpolitischer Bedeutung bestand. Ebreichsdorf zählte aber gemeinsam mit den benachbarten Burgen Ebenfurth und Pottendorf zu jener Kette von Wehrbauten, die das Wiener Becken vor Einfälle aus dem Osten schützen sollte. 1328 waren Ulrich II von Pergau und sein Bruder Berthold die Besitzer der Herrschaft. In der zweiten Hälfte des 14. Jh. gehörte Ebreichsdorf der ritterlichen Wiener Ratsbürgerfamilie von Tirna. Rudolf von Tirna gilt als Stifter der Schlosskapelle. Auf Grund hoher Schulden musste er 1393 die Burg dem Wiener Schottenstift übergeben. Danach folgten die Wallseer. 1450 ging die Herrschaft durch Kauf an den Wiener Kaufmann Simon Pötel über. Er bewohnte das Schloss seit 1462 ständig und dürfte einen fürstlichen Lebensstil gepflogen haben. Der Grabstein seines Hofzwerges ist in der Pfarrkirche erhalten. Noch 1474 konnte die Burg gegen die vordringenden Ungarn erfolgreich verteidigt werden, fiel aber bald danach in die Hände von Matthias Corvinus. Bis zum Pressburger Frieden von 1491 war sie mit einer ungarischen Besatzung belegt. 1529 gelang es türkischen Streifscharen die Besatzung zu überrumpeln und die Burg teilweise zu zerstören. In der ersten Hälfte des 16. Jh. stellten die Meneses und dann die Zelkinger die Burgherren. Carl Ludwig von Zelking, der Schloss Sierndorf bewohnte und für Ebreichsdorf kein großes Interesse aufbrachte, verkaufte die Herrschaft 1568 an Hieronymus Freiherrn von Beck. Dieser ließ den alten Wehrbau in ein Renaissanceschloss umbauen und vergrößern, was wegen des sumpfigen Bodens nicht einfach war. Das Schloss hatte damals noch drei Türme. Er veranlasste auch die Pflasterung der Wassergräben. Freiherr von Beck besaß in Ebreichsdorf eine erlesene Bibliothek. Einzelne Werke daraus befinden sich heute in der Vatikanischen Bibliothek in Rom. Ein im Schlosspark eingerichtetes Lapidarium zählte zu den bedeutendsten archäologischen Sammlungen seiner Zeit.

1683 war es so gut gerüstet, dass alle Angriffe der Türken abgewendet werden konnten. Nun folgte eine Reihe von Besitzern, zu denen der Wiener Bürgermeister Daniel Moser (1639), die Familie Collalto (1686) und Josef Anton Pilati-Thassul (1704) gehörten. Letzterer ließ die bereits beschädigten Wälle sowie den Graben erneuern, das Schloss barockisieren und nochmals festungsähnlich ausbauen. Die Vorburg sowie einer der Türme wurden abgetragen. 1747 wird Franz von Wiesenhütten als Eigentümer genannt, doch gehörte Ebreichsdorf bereits zwei Jahre später der Familie Bartenstein, die es fast 80 Jahre lang besaß. Auch im 19. Jahrhundert gab es mehrere Besitzer. Es waren die Familien Kolowrat-Liebsteinsky (1843), Arco-Zinnenberg (1873) und Pongracz-Metternich. 1890/91 erfolgte eine Generalrestaurierung im historistischen Stil durch den Architekten Ludwig Wächtler. 1909 übernahm die Familie Drasche-Wartinberg das Schloss und ließ umfangreiche Renovierungsarbeiten durchführen. Heinrich von Drasche-Wartinberg zählte zu den bedeutendsten österreichischen Industriellen des 19. Jh. Er nutzte den durch den Wiener Ringstraßenbau und die Stadterweiterung gegebenen enormen Baumaterialbedarf und baute die von seinem Onkel gegründeten Wienerberger Ziegelwerke stark aus, wodurch er zu einem großen Vermögen gelangte. Schloss Ebreichsdorf wurde von seinem Sohn Richard erworben. Nach den Plünderungen und Devastierungen des Jahres 1945 und der Besatzungszeit musste das Schloss in den Jahren 1959/63 komplett restauriert und mit neuem Inventar ausgestattet werden. Es dient auch heute noch der Familie Drasche-Wartinberg als Wohnsitz. In einem Teil des Parks befinden sich ein bekannter Golfplatz sowie ein Pologelände.

Das Wasserschloss liegt am Westrand der gleichnamigen Kleinstadt. Es ist von einem ausgedehnten englischen Park umgeben, in dem sich südlich des Schlosses die langgestreckten Wirtschaftsgebäude befinden. Der Park ist von einer langen Mauer begrenzt, die stadtseitig durch ein frühklassizistisches Prachtportal passiert werden konnte, das aber heute meist geschlossen ist. Auf den Pfeilern, die das qualitätvolle Eisengitter begrenzen erkennt man Vasen und mit Hunden spielende Putti. Das Schloss selbst wurde auf einem bastionierten Fünfeck inmitten eines Teiches erbaut, das über eine dreibogige Steinbrücke zugänglich ist. Rechts vor dem Gebäude steht auf der Südterrasse die gotische Kapelle. Der freistehende Sakralbau ist der Himmelfahrt Mariens geweiht. Der nahezu quadratische Bau wurde im 19. Jh. stark erneuert. 1891 wurde ein Dachreiter mit Glocke aufgesetzt. Der vorspringende Chor zeigt einen 5/8-Schluss. Der zweischiffige rippengewölbte Raum, dessen Decke von einer achteckigen Mittelsäule getragen wird, wird durch hohe Maßwerkfenster beleuchtet. Leider wurden die um 1390 entstandenen Glasgemälde der drei Chorfenster, die das Leben Jesus zeigten, 1922 verkauft. Teile davon befinden sich heute im Museum für angewandte Kunst in Wien sowie in einigen amerikanischen Museen. Bemerkenswert ist eine spätgotische Sakramentsnische mit reicher Maßwerkbekrönung aus der Zeit um 1739. Eine einst hier befindliche gotische Verkündigungsgruppe mit Maria und dem Erzengel Gabriel ist seit 1945 verschwunden. Außen sind drei römische Grabsteine aus der Antikensammlung des Hieronymus Beck angebracht.

Schloss Ebreichsdorf ist ein fast quadratischer dreigeschossiger Bau (31 x 34 m) um einen rechteckigen Innenhof. Dieser weist an seiner Nordseite im Erdgeschoß einfache Bogengänge auf. Über dem mittleren Arkadenbogen hat Hieronymus Freiherr von Beck eine Wappenreihe anbringen lassen. Das Mittelwappen ist sein eigenes, während links und rechts je drei Wappenpaare des Marcus und Hieronymus Beck und deren Schwiegereltern zu sehen sind. Auch die anderen Laubenbögen sind mit Wappen von Familienmitgliedern geschmückt. Die Außenfassaden über dem gequaderten Sockelgeschoß sind glatt verputzt. Als einzigen Schmuck gibt es je eine Ortsteinreihe an den Gebäudekanten. Die von Steingewänden gerahmten Fenster der beiden Obergeschosse sind wesentlich größer als jene im Erdgeschoß. Das rustizierte Rundbogenportal liegt in der Mitte der Südfront. Über ihm ist das Familienwappen der Drasche-Wartinberg angebracht. Das steile Walmdach wird an der Nord- und der Ostseite von zwei sechs- bzw. siebengeschossigen Türmen überragt. Sie sind 27 bzw. 34 m hoch und stammen im Kern aus der zweiten Hälfte des 13. oder der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Während der nördliche Turm mit einem einfachen Zeltdach gedeckt ist, weist der östliche unter seinem Spitzhelm eine Renaissancegalerie mit vier Erkern über den Ecken auf. Die Balustrade wurde erst 1890 hinzugefügt. Im Dachbodenbereich finden sich noch kleine Buckelquader an den Turmkanten. In beiden Türmen befinden sich Treppenanlagen, die in den oberen Stockwerken innerhalb der Mauerstärke weitergeführt werden. Die Innenräume sind gepflegt und weitgehend modernisiert. Vor allem im ersten Stock gibt es große Säle, die die gesamte Tiefe des jeweiligen Traktes einnehmen. In zwei kleineren Räumen haben sich mit Blumen und Fruchtranken bemalte Balkendecken erhalten. Sie sind mit Cath. Moser 1660 bezeichnet. Ein kreuzgratgewölbter Raum im Südostteil weist bemerkenswerte Gewölbemalereien (Rankenwerk und Tiere) aus der Zeit um 1581/88 auf. Sie wurden erst 1959/60 freigelegt.

Lage: Niederösterreich/Wiener Becken – ca. 14 km östlich von Bad Vöslau

Ort/Adresse: 2483 Ebreichsdorf

Besichtigung: nicht möglich


Weitere Literatur:


26.03.2005