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Graz - Meerscheinschlössl


Der päpstliche Nuntius Malaspina am Grazer Fürstenhof errichtete hier um 1580 einen Vorgängerbau im Stil der Spätrenaissance. Er benützte ihn als Sommersitz. 1674 wird hier ein Hof Rosenthal erwähnt, der sich im Besitz von Georg Friedrich Graf Mersperg befand. Er war vom Merspergischen Garten umgeben. Der Ausbau zum Lustschloss erfolgte in drei Bauperioden (1674, 1689/94 und 1706/08). 1689 kam das Gebäude durch Kauf an Balthasar Graf Wagensberg, der zwischen 1689 und 1694 einen umfangreichen Umbau vornahm, der Joachim Carlone zugeschrieben wird. Ein Inventar von 1694 weist neben den Figuren eines Zwerglgartens und zahlreichen Porträts auch 15 ½ Hektoliter Wein aus. 1706 erwarb Leopold von Stubenberg das Schlösschen. Er ließ den Bau 1706/08 teilweise unterkellern und wahrscheinlich durch Andreas Stengg die Gartenfront gestalten. Leopold von Stubenberg wurde übrigens 1708 im Zuge einer Familienfehde von einem Herrn von Saurau ermordet. Um 1750 gehörte der Bau Carl Adam Graf Breuner. 1772 kam er an Thomas Gundaker Graf Wurmbrand-Stuppach. Er machte den bis zum Glacis reichenden Garten öffentlich zugänglich und veranstaltete in den neu ausgestatteten Innenräumen rauschende Feste. 1801 gelangte das Schloss von seinen Erben in den Besitz von Johann Meerschein, von dem es seinen Namen hat. Der Postmeister und Kaffeehausbesitzer betrieb hier bis 1809 ein vielbesuchtes Ausflugslokal. Das Gebäude lag damals ja noch außerhalb der Stadtmauern. Im Franzosenkrieg von 1809 hatte die Anlage stark zu leiden, da im Garten eine französische Batterie Aufstellung nahm. 1843 erwarb der Großkaufmann Josef Schlosser den Besitz. Er ließ den Garten weitgehend parzellieren und als Baugrund verkaufen. Nach dem Wiener Brauereibesitzer Adolf Ignaz Mautner, der 1864 der nächste Besitzer war, wurde der Bau auch als „Villa Mautner“ bezeichnet. Nach ihm wechselten die Eigentümer mehrmals. 1899 unterhielt hier Leopold Schreiner ein Sanatorium für Nervenkranke und Morphiumabhängige. Es wurde 1913 aus wirtschaftlichen Überlegungen geschlossen. 1914 ging das Areal an das k. k. Unterrichtsministerium über, das hier einige Universitätsinstitute einrichtete. Pläne zum Abriss und dem Neubau eines vielstöckigen Universitätsgebäudes wurden in den 60er und 70er Jahren des 20. Jh. glücklicherweise nicht verwirklicht. Zwischen 1977 und 1982 erfolgte eine umfangreiche Sanierung des Schlosses. Seither dient es wieder universitären Zwecken. Der Festsaal wird für kulturelle Veranstaltungen genützt.

Das Gebäude hatte ursprünglich einen H-förmigen Grundriss mit einem Ehrenhof zum Park hin. Die heutige Straßenfront im Osten ist jedoch nicht mehr original, da sie um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen pilastergegliederten Vorbau mit Pultdach verändert wurde. Besonders attraktiv ist die repräsentative Gartenfront, die wohl unter Einfluss der Werke Johann Bernhard Fischers von Erlach und Johann Lukas von Hildebrand entstand. Sie war einst durch eine Allee vom Paulustor her zu erreichen. Der deutlich vorgezogene Mitteltrakt wird von einem um 1772/80 aufgesetzten Pseudogeschoß mit Dreiecksgiebel und Pilastern überhöht. Die Gliederung der Fassade erfolgt durch korinthische Kolossalpilaster. Über den Segmentfenstergiebeln und dem gewellten Portalgiebel liegen hochgestellte Ovalfenster, die von stuckierten Volutenrahmen und Festons seitlich gefasst sind. Das von konkaven Pilastern gerahmte, rechteckige, profilierte Steinportal ist mit 1652 datiert. Der Giebel ist mit Sandsteinbüsten vom Anfang des 18. Jahrhunderts geschmückt. Pilastergegliederte, zweiachsige und zweigeschossige Seitenflügel leiten in konkavem Übergang zu Eckrisaliten. Über diesen befinden sich Sandsteinbüsten, die Herakles, Ares und Aphrodite darstellen, vom Beginn des 18. Jahrhunderts. Der quadratische Mittelsaal wird von zwei kleineren quadratischen Räumen flankiert, an die kreisförmige Salons sowie zur Gartenfront konkav geschwungene Seitentrakte anschließen. Der Große Saal ist mit der einzigen in Graz erhaltenen josefinisch-klassizistischen Stuck-Innenraumgestaltung ausgestattet. Die Wandgliederung erfolgt durch ionische Pilaster auf Sockeln. Die ovalen Reliefmedaillons zeigen mythologische Szenen, Bildnisse römischer Kaiser sowie Maschen- und Zopfdekor (um 1801). Die 160 m² großen Fresken am Spiegelgewölbe stellen den Sieg der christlichen Religion über die heidnische Götterwelt, sowie die Jahreszeiten dar. Sie wurden 1708 von Giulio II Quaglio gemalt und 1976/79 restauriert. Auch im anschließenden südlichen Nebenraum findet man zarten Stuck in der Art Heinrich Formentinis. Vor der Gartenfront stehen vier überlebensgroße Sandsteinfiguren, welche die vier Jahreszeiten symbolisieren. Sie dürften dem Umkreis von Anton Kakons zuzurechnen und im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts entstanden sein. Ihr ursprünglicher Aufstellungsort lag beim gusseisernen Gartentor, das sie nach 1846 flankierten. Vom einstigen Garten hat sich nur ein kümmerlicher Rest erhalten. In ihm stehen zwei skulptierte Steinvasen aus der gleichen Zeit.

Ort/Adresse: 8010 Graz, Mozartgasse 3

Besichtigung: von außen jederzeit möglich. Das Innere ist üblicherweise nur bei Veranstaltungen allgemein zugänglich.


Weitere Literatur:


26.02.2005