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Ernstbrunn


Zwischen 1045 und 1055 erbaute ein Graf Rapoto auf seinem Besitz die dem hl. Martin geweihte Kirche Ernustisprunnin und schenkte sie dem Bischof von Passau. Damit wird der Name Ernstbrunn erstmals genannt. Um 1180 wird ein Heinrich de Ernstbrunne in einer Klosterneuburger Urkunde als Zeuge erwähnt. Ebran von Ernstbrunn wurde 1254 enthauptet, da er sich offenbar in einem Streit mit Bertold von Ernstbrunn auch gegen König Ottokar stellte. 1313 erbte Ulrich von Maissau die Herrschaft von Konrad I von Schaunberg. Als Lehensnehmer scheint um diese Zeit die Familie der Gneusen auf. 1430 kam Ernstbrunn an den Landesfürsten, der es bis 1480 an die Familie Doss verpfändete. Durch Tausch kamen die Herren von Ebersdorf von 1499 bis zu ihrem Aussterben 1556 in den Besitz der Herrschaft. Leonhard von Harrach verkaufte diese 1592 an Joachim von Sinzendorf. Er war Sonderbotschafter am Hofe des Sultans und hatte 13 Kinder. Sein Sohn Lorenz begründete die Ernstbrunner Linie seiner Familie. Nach 1654 ließ Rudolf Graf von Sinzendorf umfangreiche Um- und Neubauten im Barockstil vornehmen. Reichsfürst Prosper von Sinzendorf ließ die Burg vom vierten Viertel des 18. Jh. bis zum Beginn des 19. Jh. großzügig zum Schloss ausbauen. Als Architekt und Bildhauer beschäftigte er Benedict Henrici. Im Inneren war Jacobus Wanderl tätig. Vor allem das Vorschloss wurde weitgehend erneuert. Seine Fassade wird Emanuel Joseph von Herigoyen zugeschrieben. Die Abhänge des Semmelberges wurden in einen ausgedehnten Landschaftspark verwandelt, in den kleine Bauwerke, Skulpturen und Denkmäler eingesetzt wurden. 1809 verbrachte Kaiser Franz II (I) auf Einladung des Schlossherrn einige Tage in Ernstbrunn. Mit Prosper, der 1822 auf einer Reise nach Karlsbad durch einen Verkehrsunfall starb, erlosch die Ernstbrunner Linie der Sinzendorfer. Es folgte ein langwieriger Erbschaftsstreit, der damit endete, dass 1828 Fürst Heinrich der 64. von Reuß-Köstritz die Herrschaft übernahm. (Die Familie Reuß pflegt sämtliche männliche Nachkommen Heinrich zu nennen. Mit jedem Jahrhundert wird erneut zu zählen begonnen.) Um 1863 wurde eine protestantische Schlosskapelle errichtet. Als deutsches Eigentum wurde 1945 das Schloss von der russischen Besatzungsmacht beschlagnahmt, von der USIA verwaltet und erst 1955 wieder freigegeben. In der Zwischenzeit war ein Großteil des Inventars verschwunden. Selbst die Kupfersärge der Familiengruft wurden nicht geschont und als Schrott verkauft. Heinrich IV Prinz zu Reuß-Köstritz konnte 1957 damit beginnen, die schweren Schäden der Besatzungszeit zu beheben. Die Bauten des innersten Hofes wurden jedoch vorläufig dem Verfall überlassen. Ernstbrunn gehört auch heute noch der Familie Reuß und wird bewohnt. Gelegentlich finden Schlosskonzerte statt.

Die großzügige Anlage liegt am Nordhang des Semmelberges oberhalb des Orteiles Dörfles, nordwestlich von Ernstbrunn. Das lang gestreckte Schloss steigt mit vier hintereinander angeordneten Höfen von Süd nach Nord an. An die mittelalterliche Kernburg auf dem nördlichen Felssporn wurden durch Erweiterungen in der Spätrenaissance, im Barock und im Klassizismus immer neue Gebäudegruppen angebaut. Schauseite des Schlosses ist die 16-achsige Südfront, die das Vorschloss nach außen abschließt. Wie das von Löwen gehaltene Wappen des Grafen Rudolf von Sinzendorf über dem Rundbogenportal zeigt, wurde das Vorschloss bereits zwischen 1672 und 1677 ausgebaut. Die Fassade wurde jedoch Ende des 18. Jahrhunderts klassizistisch neu gestaltet. Das Erdgeschoß des Portalbaues ist genutet. Seitlich des Tores sind in Rechtecknischen je zwei große klassizistische Steinvasen auf zylindrischen Sockeln eingestellt. Die darüber befindliche Attikazone, die auch das Wappen enthält, wird durch die paarweise angeordneten Rundfenster bestimmt. Über dem kaum vorspringenden Mittelrisalit erhebt sich turmartig ein dreiachsiger zweigeschossiger Bau mit einem gebrochenen Walmdach. Der im Westen anschließende zweigeschossige Trakt zeigt in seiner Mitte ein Rechteckportal, über dem reliefierte Genien eine Uhr halten. Im südlichen Teil des Osttraktes des Vorschlosses liegt der durch dorische Wandsäulen gegliederte sog. Stein- oder Petrefaktensaal. Sein Stuckmarmor soll grauen Granit vortäuschen. Die Decke ist kassettiert. Dieser Raum wurde um 1800 dazu bestimmt, die Fossiliensammlung des Schlossbesitzers aufzunehmen. Sie ist noch heute zum Großteil erhalten. Vom Vorschloss gelangt man durch den mit einem Pyramidendach versehenen Uhrturm in den zweiten Hof. Die schönen Renaissance-Steingewände der Durchfahrt befanden sich ursprünglich im Schloss Klement, wurden aber hierher übertragen. Der Hof fällt vor allem durch seine Barockfassaden auf. Die fünfachsige Hauptfront wird durch einen asymmetrisch angeordneten und volutengeschmückten Risalit betont.

Eine korbbogige Durchfahrt führt in den dritten Hof. Der ihn umgebende Gebäudekomplex geht auf die Jahre nach 1654 zurück. An seiner Südostecke springt ein Rundturm vor. Sein Pendant an der Südwestecke wurde bereits im 18. Jahrhundert abgetragen. Im ersten Stock des Turmes liegt die protestantische Schlosskapelle. Ihr Sterngewölbe stammt noch aus der Erbauungszeit, die Einrichtung ist neugotisch. Der über der Kapelle liegende runde Salon wird von einer Kuppel überwölbt. Er bildet den Endpunkt einer Flucht von Gesellschaftsräumen an der Ostfront des trapezoiden Hofes, die 1813 von Jacobus Wanderl ausgestattet wurden. Eine im 18. Jh. errichtete, 20 m lange Rampe führt zu einem Portal von 1794, durch das man in den innersten Burghof gelangt. Unter der Rampe befindet sich der Eingang zu einer riesigen Kellerhalle. Die Kernburg aus dem 12. und 13. Jahrhundert, die den innersten Hof umgibt, liegt auf einem an drei Seiten frei stehenden Kalkfelsen, der zum Ort Dörfles steil abfällt. Sie bildet ein gestrecktes Achteck. Die Mauerstärke des Berings beträgt bis zu drei Meter. Er ist im Südosten zusätzlich durch den quadratischen Bergfried verstärkt. Dieser hatte ursprünglich nur drei Geschosse, wurde aber im 16./17. Jh. um ein weiteres Geschoß aufgestockt und mit einem geschweiften Zeltdach samt Zwiebelhelm versehen. Die hohen Außenmauern des Berings tragen zum Großteil noch den originalen Putz. Das Regenwasser wurde über nach innen geneigte Pultdächer in den Hof geleitet, wo sich eine Zisterne befand. Prosper von Sinzendorf ließ die Räume des ersten Stocks in eine Beletage verwandeln. Dazu gehört auch ein oktogonaler, von einer Kuppel überwölbter Raum. Die Decke eines Zimmers an der Ostseite ist mit einem Fresko, das Europa mit dem Stier zeigt, geschmückt. Außerdem weist es Stuck aus dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts auf. Im hintersten Teil der Kernburg liegt die alte katholische Burgkapelle. Sie ist Johannes dem Täufer geweiht. Ihr Altarbild wurde nach 1945 weitgehend zerstört. Der kräftige barocke Stuck wurde unter Prosper von Sinzendorf klassizistisch ergänzt. Von der einst viel bewunderten Inneneinrichtung des Schlosses, den Gemälden, Plastiken und der Bibliothek hat fast nichts die zehn Jahre zwischen 1945 und 1955 überdauert. Am Schlossvorplatz steht ein sowohl künstlerisch als auch historisch interessanter frühbarocker Brunnen von 1673/77, der aus Michelstetten hierher übertragen wurde. Das polygonale Becken zeigt die Wappen der Sinzendorf. Der englische Landschaftspark hat sich in den letzten sechzig Jahren in einen Wald verwandelt. Bei Grabungsarbeiten wurden 1984/85 unweit des mächtigen dreigeschossigen Schüttkastens ca. 80 barocke Steinfiguren aus der Zeit um 1700 gefunden. Sie dürften Prosper von Sinzendorf, der den Park neu anlegen ließ, nicht mehr gefallen haben. Unter den Skulpturen befinden sich verschiedene Musen und Tugenden, die vier Jahreszeiten, aber auch Krieger, ein Herkules und einige Brunnenfiguren. Vor dem Schüttkasten steht ein dem Feldmarschall Laudon gewidmeter Sandsteinobelisk.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – ca. 17 km südwestlich von Mistelbach

Ort/Adresse: 2115 Ernstbrunn

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


20.02.2005