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Palais Schey


Das Palais Schey liegt zwar direkt am Ring, doch fällt es den Vorbeigehenden kaum auf, da seine Schauseite mit dem Prunkportal, etwas hinter dem Goethe-Denkmal versteckt, in der gleichnamigen Gasse liegt. Es ist vielleicht der ausgeglichenste der privaten Ringstraßenbauten. Es wurde 1863/64 von Johann Julius Romano und August Schwendenwein erbaut. Romano war ein so vielbeschäftigter Architekt der Ringstraßenzeit, daß er bei seiner Nobilitierung den Beinamen „vom Ringe“ erhielt. Bauherr war der Bankier und Großkaufmann Friedrich Freiherr Schey von Koromla, der das Grundstück 1860 von seinem Kunden und Nachbarn Erzherzog Albrecht um 149 Gulden pro Quadratmeter erworben hatte. (Der durchschnittliche Lohn eines Fabrikarbeiters betrug damals einen Gulden für einen 16-Stunden Arbeitstag.) Der aus dem ungarischen Güns stammende Baron Schey war Bankier von Erzherzog Albrecht und zählte einen Großteil der Hocharistokratie zu seiner Klientel. Er galt als großer Förderer der Kunst und der Wirtschaft, war Protektor des Künstlerhauses, des Musikvereins und des heutigen Museums für angewandte Kunst (MAK). Schey gehörte zu den Gründern der Handelsakademie und des Stadttheaters in der Seilerstätte, des späteren Ronachers. Der Salon des Palais war ein gesellschaftlicher Treffpunkt von Schauspielern und Künstlern. Die Beletage wurde im Zeitgeschmack gepflegt ausgestattet. Die Möbel schuf Franz Schönthaler. Nach dem Tod Friedrich Scheys wurde das Gebäude von seinen Erben 1881 an Dr. Jakob Rappaport verkauft und das Bankhaus liquidiert. Heute ist das Palais an diverse Firmen vermietet und dient als Bürohaus.

Das auf einem trapezförmigen Baugrund errichtete Gebäude ist fünfgeschossig (Erdgeschoß, Mezzanin, zwei Hauptgeschoße, Mezzanin). Es ist ein verputzter Ziegelbau, nur die Portalanlage ist aus Stein errichtet. Die beiden Fassaden weisen keine Risalite und keine Vertikalgliederung auf. Die horizontale Gliederung erfolgt stockweise durch die Fensterüberdachungen bzw. durch die in die Parapeten eingesetzten Balustraden der Beletage. Erdgeschoß und Mezzanin werden durch das rustizierte Mauerwerk optisch zusammengefaßt. Die Ecken der dreigeschossigen Oberzone sind mit einer Quaderung versehen. Ihre Fenster werden von Stockwerk zu Stockwerk nach oben zu immer kleiner und bescheidener. Das Palais ist einer der wenigen Ringstraßenbauten, bei denen noch die ursprünglichen Bögen im Erdgeschoß erhalten sind. Meist fielen sie den Umbauten zu Geschäftslokalen zum Opfer. Besonders prunkvoll gehalten ist das triumphbogenartig gestaltete Portal, dem vier freistehende kannelierte Säulen vorgesetzt sind, die einen geräumigen, in der Mitte halbrund vortretenden Balkon tragen. Zwischen den Säulen stehen große Schmuckvasen. Das eingeschossige Vestibül ist wird durch kannelierte ionische Pilaster gegliedert. Durch ein qualitätvolles, verglastes Gittertor aus Schmiedeeisen gelangt man in den Innenhof, der über dem Erdgeschoß mit einem Glasdach abgedeckt ist. Hier befanden sich Ställe für neun Pferde und Remisen für sieben Wagen. Die Wasserversorgung des Palais erfolgte durch einen Brunnen im Hof, von dem aus das Wasser in einen großen Vorratsbehälter am Dach gepumpt wurde.

Rechts vom Vestibül liegt die Haupttreppe. Die Decke des repräsentativen Stiegenhauses ist mit Neorokoko-Stuckarbeiten von Franz Schönthaler geschmückt. Die Ätzglasverzierungen seiner Korbbogenfenster stellen weibliche Figuren unter Baldachinen dar. Im Mezzanin war das Comptoir, ein Salon und ein Billardzimmer untergebracht. Die Beletage befand sich im ersten Stock. Vom zentralen Tanzsaal gelangte man auf den großen, dem Burggarten zugewandten Balkon. Außerdem gab es in dieser Etage noch einen Speisesaal, die Bibliothek und einen großen Ecksalon. Die eigentlichen Wohnräume lagen im zweiten und dritten Stock. Von der Originalausstattung der Innenräume, die größtenteils ebenfalls von Franz Schönthaler stammte, hat sich in einem Eckzimmer des Mezzanin-Geschosses, dem einstigen Arbeitszimmer des Hausherrn, ein Kassettenplafond erhalten, der mit Intarsien aus imitierten Elfenbein und Holz verziert ist. Diese symbolisieren Handel und Gewerbe. Die im Schätzinventar, das nach dem Ableben des Barons angefertigt wurde, erwähnten Rosenholztische, chinesische und japanische Bronze- und Porzellanvasen sowie die kunstvollen Uhren und Alabasterluster sind längst nicht mehr vorhanden. Auch die Bibliothek und die Waffensammlung haben schon vor vielen Jahrzehnten neue Eigentümer gefunden. Die 180 Bilder der Gemäldegalerie, zu der Werke von Rembrand, Waldmüller, Gauermann und Guardi gehörten, wurden schon 1882 versteigert.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Goethegasse 3/Opernring 10

Besichtigung: Das Stiegenhaus und der Hof sind zugänglich. Die Innenräume sind modern eingerichtet und können nicht besucht werden.


Weitere Literatur:


06.02.2005