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Hofburg - Reichskanzleitrakt


Erst durch den für Österreich siegreichen Verlauf der Türkenkriege waren die Voraussetzungen gegeben, um aus der alten Hofburg, die bisher mehr Festung als kaiserliche Residenz war, den standesgemäßen Palast eines mächtigen Herrscherhauses zu machen. Als Kaiser Karl VI 1711 den Thron bestieg, stand entlang der Schauflergasse bis zum Michaelerplatz noch der alte zweistöckige Kanzleitrakt aus der Zeit Ferdinands I. Er war wesentlich niedriger als der Amalientrakt und der Leopoldinische Trakt, die den Inneren Burghof an der Südwest- und der Südostseite begrenzten. Zwischen ihm und dem Schweizerhof befand sich ein von Daniel Suttinger geschaffener Torbau. An seiner Stelle errichtete Johann Lukas von Hildebrandt 1712 die sog. Carolingische Triumphpforte, die aber 1728 ebenfalls abgerissen wurde, da man mittlerweile den Grundstein zu einem wesentlich repräsentativeren Reichskanzleitrakt gelegt und 1723 mit den Bauarbeiten begonnen hatte. Hildebrandts Pläne sahen eine Vereinheitlichung der gesamten inneren Burg vor, scheiterten aber letzten Endes an den immensen Kosten. 1726 musste er die Bauleitung an den zum Hofarchitekten ernannten Joseph Emanuel Fischer von Erlach abtreten. Dieser ließ den bereits fertigen Bau an der Schauflergasse bestehen, setzte ihm aber den prächtigen spätbarocken Trakt an der Hofseite vor. Auch Fischer konnte mangels genügend flüssiger Mittel des Kaiserhauses seine Ideen, die sich ebenfalls auf die gesamte Burg bezogen, nicht voll verwirklichen. Die Arbeiten gerieten 1735 ins Stocken und wurden schließlich eingestellt. Das Michaelertor wurde erst ab 1888 nach dem Abriss des alten Hofburgtheaters fertig gestellt.

Im Reichskanzleitrakt waren bis 1806, als Kaiser Franz II/I die römisch-deutsche Kaiserkrone niederlegte, die Zentralstellen der Verwaltung des Heiligen Römischen Reiches untergebracht. Dazu gehörte vor allem als wichtigste Reichsbehörde der Reichshofrat. 1810 wohnte hier der französische Botschafter Berthier, als er im Namen Napoleons um die Hand Maria Luisens, der Tochter Franz I, anhielt. Zur Zeit des Wiener Kongresses war in einigen Räumen des Reichskanzleitraktes der König von Bayern untergebracht. 1848 diente Erzherzog Johann eine Zimmerflucht als Wohnung. Im Sommer dieses Jahres empfing er im Großen Audienzsaal eine Delegation des Frankfurter Reichstages, die ihm die Würde eines „deutschen Reichsverwesers“ anbot. Einige Jahre später wurden die Räume renoviert, neu ausgestattet und in Wohnungen für die kaiserliche Familie umgewandelt. Traditionellerweise hat kein österreichischer Kaiser die Wohnung seines Vorgängers übernommen. Franz Joseph bezog sein Appartement 1857, drei Jahre nach seiner Hochzeit und bewohnte es bis zu seinem Tod 1916. Die Wohnung seiner Gemahlin Elisabeth befand sich im benachbarten Amalientrakt. Heute können die Kaiserappartements, sowie das erst kürzlich eröffnete Sisi-Museum und die ehemalige Hofsilber- und Tafelkammer besichtigt werden. Letztere ist der Kultur des höfischen Haushaltes sowie dem Hofzeremoniell gewidmet.

Während die Front in der Schauflergasse wenig spektakulär ist, wendet sich die fünfgeschossige Schauseite des Reichskanzleitraktes dem Inneren Burghof zu. Dieser diente bis in das 16. Jahrhundert als Turnierhof. Im 1561 herausgegebenen Thurnierbuch wird noch von Turnieren des späteren Kaisers Maximilian II berichtet, die dieser im Juni des Vorjahres hier abgehalten hatte. Im 17. Jh. fanden hier zwar keine Turniere mehr statt, aber Reiterspiele, wie das damals beliebte Rossballett. Die lange Fassade zum Hof ist durch drei nur wenig vorspringende Risalite mit Portalen und Balkonen (1727/29) akzentuiert und durch Riesenpilaster gegliedert. Die Fassadengestaltung erinnert bereits an die Formensprache des französischen Klassizismus. Franz Joseph und Elisabeth gelangten durch das Kaisertor im Mittelrisalit zu ihren Gemächern im ersten Stock. Die empor führende Kaiserstiege weist eine prachtvolle Stuckmarmorausstattung auf und ist mit vergoldeten Bronzevasen geschmückt. Sie wird aber kaum mehr benützt. Der heutige Besuchereingang zu den Kaiserappartements liegt unter der Kuppel des Michaelertores. Den über dem Kaisertor liegenden fünf Fenstern ist ein langer Balkon vorgelagert, der auf starken Konsolen ruht. Auf der Attika des Mittelrisalits ist der riesige Wappenschild Kaiser Karls VI mit dem Doppeladler angebracht. Er wird von der deutschen Kaiserkrone überragt und ist von einer goldenen Kette mit dem Goldenen Vließ umgeben. Flankiert wird er von zwei, Posaunen tragenden Genien. Neben den Portalen der Seitenrisalite stehen je zwei Sandsteinskulpturen von Lorenzo Mattielli. Sie zeigen die Taten des Herkules. Im Erdgeschoß waren bis 1918 verschiedene Hofämter, wie die Hofzahlkammer, das Haus-, Hof- und Staatsarchiv (bis 1902) und das Hofkontrollamt untergebracht. In den Räumen der einstigen Hofwäschekammer befand sich von 1921 bis 1987 die Wiener Gobelinmanufaktur, deren Spitzenprodukte in alle Welt exportiert wurden.

Zu den Kaiserappartements gehört neben den Wohnräumen des Kaisers – jene der Kaiserin lagen im benachbarten Amalientrakt – das Trabantenzimmer, wo die Leibgarde Wache hielt, aber vor allem der große Audienzwartesaal und das Audienzzimmer, wo der Kaiser an seinem Schreibpult stehend, seine Besucher einzeln zu empfangen pflegte. Zur Zeit Maria Theresias fanden im späteren Audienzwartesaal die Beratungen der Reichs-, Hof- und Staatsräte der damaligen deutschen Reichskanzlei statt. Leider wurde dieser schöne, in Weiß, Rot und Gold gehaltene Saal vor kurzem grottenbahnähnlich mit Figurinen in der Landestracht der einzelnen Kronländer ausgestattet, um zu dokumentieren, dass hier Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und allen Provinzen des Landes auf eine Audienz warteten. Im Laufe seiner langen Regierungszeit waren es immerhin mehr als 250.000. In diesem Raum hängen große, vielfigurige Wandgemälde (1832) des Biedermeiermalers Peter Krafft, die Szenen aus dem Leben von Kaiser Franz I zeigen. Von der Decke hängt ein achtzigflammiger böhmischer Kristallluster, der noch aus der Zeit Maria Theresias stammt. Die ursprünglich mit Kerzen bestückte Luster der kaiserlichen Appartements wurden 1891 elektrifiziert. Die kunstvollen Keramiköfen stammen zum Teil noch aus dem 18. Jh. Sie wurden von außen über den hinter den Räumen gelegenen Heizgang mit Holz beheizt. In der Ausstattung seiner Privatzimmer spiegelt sich die persönliche Bescheidenheit des Kaisers wider. Im Gegensatz zu seiner Gemahlin hatte er nicht einmal Fließwasser eingeleitet. Bemerkenswert ist auch das einfache eiserne Militärbett, das ihm jahrzehntelang als Schlafstätte diente. Sein Arbeitszimmer, in dem er meist bereits ab sechs Uhr morgens tätig war, ist mit zahlreichen Fotos und Gemälden seiner Familie geschmückt. Hier hängt auch ein berühmtes Portrait der Kaiserin von Franz Xaver Winterhalter. Die Ausstattung der 22 Amts- und Wohnräume von Kaiser Franz Joseph und seiner Gemahlin Elisabeth, die heute als Kaiserappartements besichtigt werden können, stammt aus mehreren Epochen: vom Spätbarock über das Rokoko und das Empire bis zum Neobarock des 19. Jahrhunderts. Dazu zählen auch die vier Räume des Stephansappartments, das nach Erzherzog Stephan Viktor benannt ist. Der einstige Theatergang, der eine direkte Verbindung zum alten Hofburgtheater ermöglichte, ist heute abgemauert.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Innerer Burghof

Besichtigung: Kaiserappartements, Silberkammer und Sisimuseum sind täglich von 09.00 bis 17.00 (Juli/August bis 17.30) geöffnet

Homepage: www.hofburg-wien.at


Weitere Literatur:


01.02.2005