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Freyenthurn


Ob die Geschichte stimmt, dass ein Ernst von Mannswede 996 an einem Turnier in Braunschweig teilgenommen hat und er tatsächlich aus unserem Mannswörth stammte, ist mehr als fraglich. Die erste Erwähnung des Ortes erfolgte jedenfalls 1058, als König Heinrich IV drei Königshufen in Mandesvverede dem Kloster St. Pölten schenkte. Damals soll auch Königin Agnes als Gast der Herren von Mannswerde im Freyenthurm genächtigt haben. Wie der Name andeutet, handelte es sich um einen mit einem Turm bewehrten Freihof. Um 1148 diente Rudiger d. Ä. von Mannswörth den Herzogen von Mödling als Truchseß. 1220 wird Rudiger d. J. als Mundschenk erwähnt. Im 14. Jahrhundert werden die Besitzverhältnisse von Freyenthurn unklar, da um 1348 in Mannswörth mehrere Ritterfamilien bezeugt sind. Gegen 1373 starben die Herren von Mannswörth aus, doch hatten bereits gegen 1356 die Stickelberger den Besitz erworben. Sie gaben den freyn Thurn 1455 an den mit ihnen verwandten Wilhelm von Enzersdorf ab. Zu den nächsten Besitzern zählten der Hofzahlmeister Hans Anger (1534), Wilhelm Reichart (1564) sowie danach die Familie Hüttendorfer. Ende des 16. Jahrhunderts folgten die Freiherren Althan und 1640 die Freiherren Teufel. 1650 wurde das Hauptgebäude durch Brand zerstört. Der Wiederaufbau, der praktisch einem Neubau gleichkam, erfolgte unter Otto Heinrich von Zinzendorf, der 1654 das Gut erworben hatte. Nach den Zinzendorfern stellten ab 1661 die Grafen Mollart die Schlossherren, gefolgt von den Freiherren Pachmann (1733) und den Freiherren von Waldstätten (1772). Friedlich Ritter von Meissel, dessen Familie seit 1798 die Herrschaft besaß, verkaufte sie 1850 an den Industriellen Anton Dreher. Für letzteren war vor allem das angeschlossene Brauhaus interessant, das er in eine Mälzerei mit dreizehn Malztennen umbauen ließ. Von hier aus wurde seine Brauerei in Schwechat mit Malz beliefert. 1901 wurde die Mälzerei aufgelassen und das Schloss nur mehr landwirtschaftlich genutzt. Bis 1938 waren in den Ställen etwa 300 Kühe untergebracht. Das Wohngebäude stand leer, so dass die schweren Bombenschäden des Zweiten Weltkrieges nicht mehr behoben wurden. Fast der gesamte Nordtrakt sowie wesentliche Teile des Südtraktes mit der ehemaligen Hauskapelle wurden danach abgerissen. Der landwirtschaftliche Betrieb schrumpfte immer mehr, bis man ihn 1958 gänzlich einstellte. 1988 wurde das Hauptgebäude unter Denkmalschutz gestellt, was aber am weiteren Verfall nicht viel ändern konnte. Halbherzige Restaurierungsmaßnahmen blieben 1992 im Ansatz stecken. 1993 scheiterte der Plan, im Hauptgebäude Luxus-Wohnungen einzurichten, an den hohen Restaurierungskosten. Auch der Stadtgemeinde Schwechat ging es nicht anders, die das Schloss 2004 erwarb und hier eine Fachhochschule einrichten wollte. Sie verkaufte das Gebäude anfangs 2005 an eine Wohnbaugesellschaft. Bis 2010 wurde das bereits total verwahrloste Schloss restauriert und revitalisiert (Veranstaltungssaal, Bibliothek, Hort usw). Allerdings hat es seinen Schlosscharakter weitgehend verloren.

Das Schloss liegt an der Hauptstraße inmitten des Ortes, der 1954 in die Stadt Schwechat eingemeindet wurde. Einst war der große Innenhof von verschiedenartigen Trakten völlig umschlossen. Durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit blieben nur der lang gestreckte Hauptteil im Osten sowie einige Nebengebäude erhalten. Im Norden und Osten erstreckte sich ein weitläufiger Garten. Der zweigeschossige Haupttrakt zeigt nach Osten und Westen zehn- bzw. elfachsige Fassaden mit zwei- bzw. dreiachsigen Querarmen an den Enden. Über der fünfachsigen Straßenfront liegt ein hohes ziegelgedecktes Walmdach. Im Gegensatz zu seinem Pendant an der Nordseite ist es erneuert. In der Mitte der Längsachsen ermöglichten einfache Rundbogenportale den Zutritt ins Innere. An der Ostseite befand sich einst im Erdgeschoß ein offener, heute aber vermauerter rundbogiger Arkadengang. Sämtliche Fenster sind nicht mehr vorhanden. Ihre Öffnungen sind mit Brettern verschlossen. Die Erdgeschoßräume des Haupttraktes sind mit Tonnen- und Kreuzgratgewölben ausgestattet. Eine einläufige Steintreppe führt ins Obergeschoß. Die tiefen Fensternischen waren mit spätbarock-klassizistischen und historistischen Dekorationsmalereien versehen. Illusionistische Malereien zwischen gemalten Säulen schmückten den großen Gartensaal im Nordostrisalit. Ein weiterer Saal befindet sich im Erdgeschoß des Straßentraktes. Er ist gewölbt und zeigt beiderseits fünf Nischen zwischen Wandpfeilern. Das Hauptgebäude ist im gleichen schlechten Zustand wie die Stall- und Scheunentrakte im Norden und Westen sowie das ehemalige Gesindehaus. Das einstige Parkgelände wurde bereits mit zwei Wohnhausanlagen weitgehend verbaut. Die Häuser sind dem Schloss an beiden Seiten bereits sehr nahe gerückt.

Lage: Niederösterreich/Donau – ca. 2 km nordöstlich vom Schwechater Stadtzentrum

Ort/Adresse: 2323 Schwechat-Mannswörth

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


30.01.2005