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Feistritz am Wechsel


Der aus dem Slawischen kommende Name Feistritz ist von Bystrica abgeleitet und bedeutet soviel wie fließendes Wasser. Er kommt in Österreich häufig vor, so dass die mittelalterlichen Nennungen oft nicht lokalisierbar sind. Die erste gesicherte Erwähnung des niederösterreichischen Feistritz stammt aus dem Jahr 1170, als ein Gerhard von Glizenvelt (Gleißenfeld an der Pitten) dem Kloster Admont ein Bauerngut zu Vustritz übergab. Er war ein Ministeriale der Formbacher. Die Burg dürfte um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet worden sein. Sie war Teil einer Burgenkette, die Einfälle aus dem Osten erschweren sollte. Über die ersten Besitzer der Herrschaft ist wenig bekannt. 1366 nennt sich Nyclo der Sachsenganger nach Feistritz. Zu Beginn des 15. Jh. wird Hertnit von Pottendorf als Lehensinhaber erwähnt. Die Pottendorfer saßen allerdings nicht selbst auf Feistritz, sondern ließen es durch Pfleger verwalten. Als 1488 der letzte männliche Vertreter dieser Familie starb, ging die Herrschaft durch Heirat an den Erblandjägermeister Christian IV von Zinzendorf über. 1537 besaß sie der südsteirische Adelige Christoph Rabenschüssel (Rambschüssl) von Schönegg. Er verkaufte sie bereits 1547 an den mit ihm verwandten Oberst-Landessilberkämmerer Wilhelm von Rottal. Die gut gerüstete Burg wurde 1556 als Zufluchtsort für die Bewohner der Umgebung in Kriegszeiten bestimmt. Tatsächlich bot sie sicheren Schutz vor den herumstreifenden Türken und Kuruzzen. Der letzte auf Feistritz sitzende Rottal war der minderjährige Hans Ehrenreich. Seine Mutter verkaufte das bereits schwer verschuldete Gut 1682 an den niederösterreichischen Landschaftsbeisitzer Carl Freiherr von Pergen. 1683 gelang es den türkischen Streifscharen wieder nicht, die Burg zu erobern.

Freiherr von Pergen ließ zwei Jahre später den noch weitgehend mittelalterlichen Bau umbauen und wohnlicher gestalten. Auf ihn gehen die schönen Arkaden im Hof sowie die hübsche Freitreppe zurück. Damals wurde auch der ursprünglich ostseitige Zugang an die Westseite verlegt. 1766 kam Feistritz neuerlich als Heiratsgut an den Oberstlandrichter von Mähren, Johann Baptist Graf Mitrowsky. 1802 befand es sich im Besitz des Wenzel Josef Jähnl. 1815 erwarb der Großindustrielle Josef von Dietrich (später Freiherr von Dietrichsberg) die Anlage. Er war als einfacher Fuhrwerksbesitzer in den napoleonischen Kriegen durch Kriegslieferungen reich geworden und hatte daher die Mittel, um die Burg und den Park im Sinne der Frühromantik umgestalten zu lassen. Einige Parkplastiken ließ Dietrich sogar aus Versailles hierher kommen. Als großer Theaterfreund musste er auch ein Schlosstheater haben. Die einst prachtvolle Waffensammlung sowie große Teile des Mobiliars gingen ebenfalls auf ihn zurück. Zu den heute nicht mehr vorhandenen Spitzenstücken seiner Sammlung gehörte auch eine Eiserne Jungfrau, die aber 1932 nach Nürnberg abgegeben wurde. Der Überlieferung nach, war Dietrich so korpulent, dass er zuletzt beim Stiegensteigen von vier Dienern hochgestemmt werden musste. Als er 1858 starb, ging Feistritz an seinen Schwiegersohn, Fürst Ludwig Sulkowsky, über. Unter ihm wurde der Besitz herabgewirtschaftet, die Burg nicht mehr gepflegt und der Großteil der Kunstgegenstände verkauft.

Eine Wendung zum Guten erfolgte 1922 mit dem Erwerb der Anlage durch den Bankier Maximilian Mautner. Er hatte sie aus der Verlassenschaft des entmündigten Fürsten erworben. Sofort begann er den bereits ruinösen Bau durch den Architekten Marischka aufwändig wiederherstellen zu lassen. Als Vorbild dienten ihm dabei der Stich von Georg Matthäus Vischer von 1672 sowie andere alte Ansichten. Danach stattete er das Innere mit zahlreichen Kunstgegenständen aus seinen Sammlungen neu aus. Er unterhielt hier die bedeutendste private Harnischkollektion Österreichs. Auch seine Uniform- und Kostümsammlung war berühmt. Mautner musste 1938 nach Amerika fliehen. Die Burg kam zuerst unter kommissarische Verwaltung und wurde dann an Ernst Mahla und Reinhard Thurnwald verkauft. Eine Plünderung durch russische Truppen konnte 1945 durch eine beherzte Angestellte in letzter Minute gestoppt werden. Der herbeigerufene Kommandant verfügte sofort den Abzug der Soldaten und die Bewachung der Anlage. Danach diente sie als russisches Offizierskasino. Burg Feistritz blieb bis 1955 unter Verwaltung der Besatzungsmacht und wurde dann an die Vorbesitzer zurückgegeben. Neuerlich wurde ein beträchtlicher Teil der transportablen Ausstattung verkauft. Als 1965 der österreichisch-amerikanische Industrielle Henry Reichhold die Burg übernahm, war eine Generalrestaurierung fällig. Er richtete die Räume wieder mit Kunstgegenständen ein und legte eine beachtliche Jagdwaffensammlung an. Die Burg diente ihm als eleganter Tagungsort für die Führungskräfte seines Chemieunternehmens. Auch heute noch gehört Feistritz der Familie Reichhold. In der Hauptburg sowie in den restaurierten Nebengebäuden finden häufig Seminare und Hobbykurse statt.

Die Burg liegt südlich des Ortes Feistritz auf einer niedrigen Anhöhe. Sie ist von einem ausgedehnten parkartigen Gelände umgeben. Der einstige Englische Garten wurde von Josef Dietrich durch Pavillons, Grotten, Kaskaden und Sandsteinplastiken bereichert. Hier stehen auch einige Nebengebäude, wie die im 19. Jahrhundert historistisch umgebaute Reitschule. Nach einer gründlichen Renovierung dient sie nunmehr dem Seminarbetrieb. Der Eindruck einer gut erhaltenen mittelalterlichen Feste trügt etwas. Er wird vor allem durch die geschickten Ausbauten des Freiherrn von Dietrichsberg (ab 1815) und Maximilian Mautners (1922/24) hervorgerufen. Mit ihren rot-weiß bemalten Fensterläden macht die Burg einen freundlichen Eindruck. Von den ehemaligen äußeren Befestigungen ist nur mehr der Graben an der Westseite erhalten, über den eine Steinbrücke zum Haupttor führt. Sie ersetzt die ursprüngliche Konstruktion, die in ihrem letzten Teil als Zugbrücke ausgebildet war. Das rundbogige Tor und das spitzbogigen Mannloch befinden sich in einem mächtigen Turm, der von einem hohen Pyramidendach überragt wird. Über dem Tor ist ein Steinwappen der Familie Rottal aus dem Jahr 1685 angebracht. Darüber öffnet sich ein Biforienfenster, über dem ein auf starken Konsolen gestützter Erker vorspringt. Beide Bauteile sind aber nicht romanisch, sondern wurden erst 1922/24 im Zuge der Aufstockung des Turmes eingebaut. Dieser ist dadurch zum dominierenden Baukörper der Anlage geworden. Links vom Torturm erstreckt sich ein 1922/24 mit drei gotischen Giebeln und Krüppelwalmdächern rekonstruierter Wohntrakt aus dem späten 17. Jh., der an einen runden spätgotischen Bastionsturm grenzt. In den beiden Untergeschossen dieses Rundturmes liegen das „Verlies“ und die „Folterkammer“, die durch ein Angstloch miteinander verbunden sind. Ihre malerische Gestaltung stammt aus dem 19. oder frühen 20 Jahrhundert. Verschiedene historische Gegenstände des Strafvollzuges erinnern an die angebliche einstige Verwendung. Feistritz besaß jedoch kein Landgericht und war nur mit der niederen Gerichtsbarkeit ausgestattet.

Im Obergeschoß des nordwestlichen Wohntraktes sind drei gotische Zimmer eingerichtet. Wand- und Deckenvertäfelungen sowie Kachelöfen und Möbeln stammen aus dem 15. bzw. 16. Jahrhundert und befanden sich einst im Südtiroler Ansitz Reinegg im Sarntal sowie in einem Mühlviertler Bauernhaus. Ansonsten haben sich in mehreren Räumen steinerne Türgewände und frühbarocke Türblätter mit ornamentalem Dekor vom Ende des 17. Jh. erhalten. Rechts vom Torturm zieht sich eine ehemalige Zwingeranlage, die aber im 19. Jh. verbaut wurde, bis zu einem weiteren Rundturm an der Nordwestecke. Auch den anderen Seiten des lang gestreckten Berings waren Zwinger vorgelagert. Geländebedingt waren an der Ostseite mächtige Substruktionen erforderlich. Durch die Torhalle, die an der Innenseite mit einem Fallgatter versehen ist, gelangt man in den geräumigen Burghof. Er ist von zweistöckigen Trakten umgeben. Lediglich jener im Südwesten ist dreistöckig. Alle Gebäude der Burg sind durch dem Hof zugewandte Gänge verbunden. Der Nord- und der Ostseite sind zwei- bzw. dreigeschossige Arkaden vorgesetzt. An der Nordseite führt eine Renaissance-Freitreppe ins Obergeschoß. Im Südwesten und Nordosten wird der Hof durch neuzeitliche Anbauten, in denen sich heute Gästezimmer befinden, eingeengt. In seinem Südteil steht ein gedeckter Ziehbrunnen, der vermutlich bis zur Talsohle reichte.

Die ältesten Bauteile der Burg sind der rechteckige romanische Bering sowie der massive romanische Querbau an seiner nördlichen Schmalseite. Letzterer besteht aus einem quadratischen Bergfried im Nordosteck, auch Hungerturm genannt und dem nach Westen anschließenden ehemaligen Palas. In diesem befindet sich ein zweigeschossiger neugotischer Prunksaal. Sein bemerkenswertes Rippengewölbe wurde 1815/20 eingebaut. Die monumentalen marmornen Türgewände entstanden erst hundert Jahre später. Beheizt wurde der Saal durch einen großen Renaissance-Kachelofen mit figural reliefierten Kacheln (Mitte des 17.Jh.). Dieser „Rittersaal“ war in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zur Aufnahme der Rüstungen aus Mautners Sammlung bestimmt. Über dem Saal wurde nach 1815 das Biedermeier-Schlosstheater eingebaut. Der wuchtige Wohnbau an der südlichen Schmalseite ist ebenfalls mittelalterlich, aber etwas jünger als der Nordpalas. In seinem ersten Obergeschoß liegt im Südosten die Burgkapelle. Sie ist mit spätbarocken Stuckarbeiten und Glasmalereien des 16. Jahrhunderts geschmückt. Im zweiten Obergeschoß liegen ein großer Saal sowie die als Gerichtszimmer und Archiv eingerichtete zweigeschossige Zeugkammer. Hier war der Hauptteil der Mautnerschen Waffensammlung untergebracht, die in der ersten Hälfte des 20. Jh. zu den bedeutendsten in Österreich gehörte. Von ihr haben sich nur Reste erhalten. Ihre besten Stücke befinden sich aber schon seit Jahrzehnten im Besitz des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien. Im darüber befindlichen Dachboden ist ein Wehrgang mit neuzeitlichen Schartenöffnungen unter dem Dach eingebaut.

Lage: Niederösterreich/Bucklige Welt – ca. 5 km östlich von Kirchberg am Wechsel

Ort/Adresse: 2873 Feistritz am Wechsel

Besichtigung: üblicherweise nur von außen möglich. Für eventuelle Innenbesichtigungen sollte man zuvor die Eigentümerin, Frau Sabine Reichhold, kontaktieren.

Homepage: www.burgfeistritz.com


Weitere Literatur:


26.01.2005