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Kammerstein (Wienerwald)


Otto I von Perchtoldsdorf gehörte zu jenen Adeligen, die sich gegen Herzog Friedrich II stellten, was die Zerstörung seiner Burg in Perchtoldsdorf zur Folge hatte. Obwohl sein Sohn Otto II wieder das Vertrauen des letzten Babenbergers genoss, zog er es vor, vorerst nicht die ruinöse Anlage im Ort aufzubauen, sondern sich auf einem Bergrücken südlich der Dürren Liesing eine im Wald versteckte Höhenburg zu errichten. Sie hieß Chemerstain, was später zum heutigen Kammerstein wurde. Ihre Erbauung dürfte in den Jahren zwischen 1240 und 1250 erfolgt sein. Otto II war zwar unter König Ottokar II Kämmerer von Österreich, doch ist es fraglich, ob der Name Kammerstein mit diesem Amt etwas zu tun hat, da es ansonsten in Österreich keine vergleichbare Namensgebung nach einem Hofamt gibt. Kammerstein hatte vorwiegend militärische Bedeutung. Als ständiger Wohn- und Verwaltungssitz war es von Perchtoldsdorf zu entlegen und der steile Aufstieg von Kaltenleutgeben wohl zu strapaziös. Letztere Aufgaben wurden von der Stadtburg in Perchtoldsdorf wahrgenommen. Die Burg hatte keine lange Existenz. Otto III beteiligte sich 1290 am Adelsaufstand gegen Herzog Albrecht I. Dieser belagerte Kammerstein vorerst vergeblich. Erst als er Otto zu Verhandlungen nach Wien gelockt hatte, gelang es seinen Truppen die Burg durch List einzunehmen. So behauptet es zumindest Thomas Ebendorfer, der Pfarrer von Perchtoldsdorf, in seinen Aufzeichnungen. Jedenfalls wurde Kammerstein anschließend zerstört und nie wieder aufgebaut. Damit wäre es eine der ältesten Ruinen Österreichs. Allerdings wird 1437 noch eine Feste Cammerstein erwähnt, wobei es sich aber um eine Verwechslung gehandelt haben könnte.

Die Burg hatte eine Länge von 42 m und eine Breite von 25 m und war damit eine der größten Wienerwaldburgen des 13. Jahrhunderts. Sie ist vollständig aus Bruchsteinen erbaut, die bei der Planierung des Areals gewonnen wurden. Das Burgtor lag in der Südostmauer des Berings westlich des Bergfrieds. Davor befand sich ein 10 m breiter und etwa 20 m langer Halsgraben, der über eine hölzerne Brücke überquert werden konnte. Er wurde vermutlich bereits bei der Eroberung und Schleifung der Anlage zugeschüttet. Das Tor dürfte nur für Fußgänger passierbar gewesen sein. Von der einst wehrhaften Burg haben sich lediglich der Stumpf des einst viergeschossigen Bergfrieds sowie ein Teil der Beringmauer erhalten. Der keilförmige Bergfried sicherte an der höchsten Stelle der Anlage die Südseite, da hier durch das Gelände eine gefährliche Überhöhung gegeben war. Ansonsten war die Burg mit ihren hohen Mauern weitgehend sturmfrei. Die steil abfallenden Hänge ließen einem Angreifer, der mit der Technik des 13. Jh. ausgerüstet war, kaum eine Chance. Die Mauerstärke des Bergfrieds beträgt bis zu 3,3 m. Er hatte an der Hofseite einen Hocheinstieg, ca. 5,5 m über dem Boden, der über eine Leiter erreichbar war. Sein Innenraum ist fünfeckig. Er war durch Dippelbaumdecken in vier Geschosse unterteilt. In seiner nordwestlichen Ecke befand sich ein Brunnen, der durch eine Mehrung vom 170 m entfernten Kammersteiner Bründl mit Wasser versorgt worden sein dürfte. Die Mauern des quadratischen Berings, der an den Bergfried anschloss, waren an der Angriffsseite etwas über 2 m stark. Ihre Höhe schwankte geländebedingt zwischen 13 und 17 m. An ihrer Außenseite kragte ein hölzerner Wehrgang vor, dessen Balkenlöcher noch sichtbar sind. Ein 27 m langes Stück der Südwestmauer ist noch vorhanden. Sie dürfte zugleich die Außenmauer des viergeschossigen Palas gewesen sein. Die vier, in seinem Untergeschoß erhaltenen Mauerschlitze dienten der Beleuchtung sowie als Schießscharten für Bogenschützen. Im ersten Obergeschoß konnte eine große Fensteröffnung eingebaut werden, da der 6,5 m tiefer davor liegende Steilhang keine feindliche Annäherung erlaubte. Die dem Hof zugewandten Mauern des Palas sind vermutlich in Fachwerktechnik errichtet worden. In der nordöstlichen Ecke des Burghofes stand ein kleines Wirtschaftsgebäude. Inmitten des Hofes soll sich auch eine Zisterne befunden haben.

Lage: Niederösterreich/Wienerwald – ca. 20 minütiger steiler Aufstieg ab der Zementfabrik in Kaltenleutgeben

Besichtigung: ganzjährig frei zugänglich


Weitere Literatur:


14.01.2005