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Heiligenkreuz-Gutenbrunn


Der Herrschaftssitz befand sich ursprünglich in einem Renaissanceschloß im Dorf Gutenbrunn am Fuß des heutigen Kreuzberges, wo bereits 1233 ein Besitz des Dietmar von Gutenbrunn erwähnt wird. Zu den späteren Eigentümern zählten Reichard von Wehring (1379), Georg Andrä Freiherr von Hofkirchen (1620), die Familie Herberstein (1621), Karl Freiherr von Santhilier (1627) und Jakob Daniel von Tepsern (1709). 1727 wurde auf dem Dachboden des Schlosses eine Marienstatue gefunden, die Jahre zuvor im Schloßhof von Gutenbrunn auf einer Säule gestanden hatte, aber vom Sturm herabgeschleudert wurde. Der Jäger Johann Paul Müller stellte sie auf dem oberhalb von Gutenbrunn befindlichen Berg auf, wo sie bald von zahlreichen Pilgern auf ihrem Weg nach Mariazell besucht wurde. Joseph Johann von Tepsern errichtete 1733 eine Marienkapelle zu ihrem Schutz. Fünf Jahre später fasste er den Entschluß, selbst auf den Hügel, der Tepserberg genannt wurde, zu übersiedeln und dort ein Schloß zu errichten. 1753 begann er mit der Erbauung eines Servitenklosters, verkaufte aber die Herrschaft bereits ein Jahr später an den Wiener Weihbischof Franz Anton Marxer. Dieser hatte 1742 am Wiener Rennweg ein großes Waisenhaus gegründet, wofür er von der Kaiserin Maria Theresia mit der Herrschaft Ebersdorf und bedeutenden Geldgeschenken belohnt wurde. Zwei hohe Lotteriegewinne erleichterten es ihm zusätzlich die begonnenen Bauten fertig stellen und unmittelbar neben dem Schloß durch den Wiener Architekten Johann Ohmeyer eine große Wallfahrtskirche errichten zu lassen. Die nun im Gebäude integrierte Marienkapelle wurde zur Privatkapelle des Bischofs. Der ganze Baukomplex wurde Heiligenkreuz genannt. Bischof Marxer benutzte das Schloß als Sommerresidenz, stellte die meisten Räume aber den Passauer Bischöfen als Alumnat zur Verfügung. Später schenkte er dieses mit der gesamten Herrschaft dem Passauer Bistum. Nachdem Kaiser Josef II die Diözese St. Pölten gegründet hatte, wurde das Priesterseminar in St. Pölten eingerichtet und die Herrschaft Gutenbrunn 1836 öffentlich versteigert. Käufer war Dr. Karl Ludwig Reichenbach, ein bekannter Erfinder und Naturforscher, der vor allem auf dem Gebiet des Eisenhüttenwesens tätig war. Er war zeitweise Leiter der mährischen Hüttenwerke des Altgrafen Salm-Reiffenscheid in Blansko. Nach seinem dortigen Ausscheiden erwarb er die Herrschaft Gutenbrunn-Heiligenkreuz und begann hier mit einer Seidenraupenzucht. Dieser Versuch scheiterte ebenso wie später eine von ihm begonnene Schienenproduktion. Er musste 1858 seine Güter verkaufen. Schloß Heiligenkreuz gelangte in den Besitz der Familie Figdor, die den bereits stark vernachlässigten Bau renovierte. Dr. Albert Figdor (1843 – 1927), der als Bankier die nötigen Mittel besaß, war einer der größten Kunstsammler Europas. Seine fast 4500 Kunstwerke wurden 1930 in Wien und Berlin versteigert und über die ganze Welt verstreut. 1945 wurde die Westseite des Schlosses durch Artilleriebeschuß erheblich beschädigt, aber durch die Familie Figdor, die das Schloß auch heute noch besitzt, wieder instandgesetzt. Von 1964 bis 2001 war hier das Niederösterreichische Barockmuseum untergebracht. Nach der Übersiedlung des Niederösterreichischen Landesmuseums von Wien nach St. Pölten werden aber im dortigen Neubau alle Exponate der bisherigen Außenstellen konzentriert. In den Sommermonaten finden im Festsaal des Schlosses häufig Konzerte statt.

Die Schauseite des Gebäudes ist die fünfzehnachsige Nordfront. Ihr fünfteiliger Mittelrisalit tritt zwar nach außen nicht vor, weist aber einen eigenen Dachstuhl auf. Außerdem ist er durch ein figurengeschmücktes Attikageschoß und einen Dreieckgiebel betont. Die Fassade wird von zwei achtseitigen Türmen flankiert, die früher Zwiebelhelme trugen, jetzt aber Pyramidendächer aufweisen. Die Fassade ist waagrecht gebändert. In den beiden Obergeschoßen sind über diese Bänderung Lisenen gezogen. Der Mittelrisalit wird ebenso wie die Türme durch eine große Pilasterordnung gegliedert. Vor der Front verläuft ein seichter Graben, über den eine Steinbrücke zum einstigen Hauptportal führt. Rechts und links davon stützen Atlanten einen Balkon, dessen Eisengitter die Initialen des Bischofs Anton Marxer zeigt. Heute führt dieses Portal ein Schattendasein, da ihm keine Auffahrt vorgelagert ist und es keine direkte Verbindung zur unmittelbar daneben vorbeiführenden Straße hat. Der dazwischen liegende schmale Garten ist an der Ostseite durch ein schön gearbeitetes Gartentor zugänglich. Heute betritt man das Schloß durch eine ebenfalls an der Ostseite liegende Nebentüre. Von ihr führt der relativ einfache sog. Bischofsgang zum Glanzstück des Schlosses, zur Prunktreppe. Im überreich stukkierten Stiegenhaus wendet sich die Treppe im Zwischenstock doppellarmig in die Gegenrichtung. Auf diesem Treppenabsatz stehen in hohen Muschelnischen große Vasen, die mit antiken Szenen geschmückt sind. Reliefs versinnbildlichen Architektur, Malerei und Bildhauerei. Den Wandabschluß zum Plafond bildet ein deutlich vortretender Sims, über dem zahlreiche, nahezu vollplastische Putten, Vasen und Rocaillen den Raum beleben. Im Oberstock weisen zwei große Figurengruppen auf die christlichen Tugenden hin. Das Stuckprogramm der Wände und der Decke des Stiegenhauses wurde vom geistlichen Bauherrn entscheidend beeinflusst. Der ausführende Künstler ist jedoch nicht bekannt. Die übrigen Räume des Schlosses können mit dem Prunk des Stiegenhauses nicht Schritt halten. Zwar gibt es auch hier einiges an Stuckverzierungen, doch wirken sie eher sachlich und zweckgebunden. Dies gilt auch für den großen fünfachsigen Festsaal über dem Haupttor, in dem einige große Habsburgerporträts hängen. Ein weiteres Kleinod von Heiligenkreuz-Gutenbrunn ist jedoch die zweigeschossige Schlosskapelle. Sie weist in ihrer Flachkuppel ein Deckenfresko von Paul Troger auf, das die Himmelfahrt Marias zum Thema hat. Die Ornamentmalerei stammt von Domenico Francia aus dem Kloster Herzogenburg. Nicht mit dieser Marienkapelle zu verwechseln ist die Wallfahrtskirche, die 1755 von Johann Ohmeyer an der Südseite des Schlosses angebaut wurde. Sie ist ebenfalls wegen ihres Deckenfreskos berühmt, das aber von Franz Anton Maulbertsch geschaffen wurde. Der Hochaltar aus Stuckmarmor ist ein Werk von Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg. Der die Ostfassade belebende barocke Kirchturm gehört nicht zur großen Pfarrkirche sondern zur Marienkapelle.

Lage: Niederösterreich/Tullnerfeld – auf einem Hügel ca. 6 km östlich von Herzogenburg

Besichtigung: Nach der Schließung des Barockmuseums sollten die Besichtigungsmöglichkeiten individuell erfragt werden.


Weitere Literatur:


24.08.2002