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Palais Grassalkovics


Als um die Mitte des 17. Jahrhunderts das Wiener Bürgerspital, das Grundherr der Insel "im unteren Werd" war, die damaligen Wiesen- und Aufächen parzellieren ließ und die Grundstücke verkaufte, entstanden im Bereich der heutigen Leopoldstadt etliche Gartenanlagen und Lusthäuser. Vier aneinander grenzende Parzellen gelangten in den Jahren 1660 bis 1665 in den Besitz des Reichsgrafen Georg Ludwig von Sinzendorf. Dieser entstammte einem österreichischen Adelsgeschlecht, das 1610 in den Freiherren- und 1648 in den Grafenstand erhoben worden war. 1656 wurde Georg Ludwig Präsident der Hofkammer, der obersten Finanzbehörde des Landes, sowie Mitglied des Geheimen Rates, eines Gremiums, das vom Kaiser persönlich geleitet wurde. Er besaß an die 30 Herrschaften und gehörte zu den reichsten Männern der Monarchie. 1680 konnte man ihm gigantische Veruntreuungen nachweisen. Er wurde zur Rückstellung von 1.900.000 Gulden - einer damals unvorstellbar hohen Summe - verurteilt. Nachdem seine Güter konfisziert worden waren, schenkte Kaiser Leopold I 1686 den zuvor durch die Türken verwüsteten Garten dem Reichsgrafen Wolfgang von Oettingen-Wallerstein. Er war Präsident des Reichshofrates und 1699 Sonderbotschafter in der Türkei. 1769 verkaufte Graf Ernst den Besitz an den Freiherrn Joseph von Egger. Dieser ließ den großen Garten parzellieren und verkaufen. Eine Parzelle erwarb der Bierwirt Johann Georg Mayer. Er errichtete um 1777 ein einstöckiges Gebäude an der heutigen Augartenstraße.

Dieses wurde von Anton II Fürst Grassalkovics – nachdem er 1789 die Liegenschaft erworben hatte – zum heutigen Palais ausgebaut. Die Pläne stammten von Baumeister Franz Duschinger, der aber noch im gleichen Jahr starb. Anton I Grassalkovics war noch in einfachen Verhältnissen geboren worden, hatte aber studieren können. Er ließ sich als Rechtsanwalt in Preßburg nieder, wo er 1720 zum Kronanwalt berufen wurde. 1731 war er zum Freiherrn ernannt worden. Er setzte sich bei den ungarischen Magnaten für Maria Theresia ein, die ihm dies 1743 mit der Erhebung in den Grafenstand dankte. Der Name „Maria-Theresien-Schlößl“, der früher gerne für das Palais verwendet wurde, geht auf die irrtümliche Annahme zurück, dass Kaiserin Maria-Theresia das Gebäude besaß und es an Fürst Grassalkovics weitergab. 1793 wurde das Hauptgebäude gegen den Hof zu, von Baumeister Ernest Koch, erweitert. Damals wurde vermutlich auch das Familienwappen an der straßenseitigen Front angebracht. Fürst Anton II starb 1794. Sein Sohn Anton III geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Er mußte das Palais 1796 einem Gläubiger, dem Bankier Michael Freiherr von Arnstein, verkaufen. Dieser trat es wenige Monate später an Karl Wetzlar Freiherr von Plankenstern, dem Hauptgläubiger des Fürsten, ab. Aber auch dessen Sohn blieb der Bankrott nicht erspart. 1810 kaufte Ernest Graf von Hardenberg das Palais aus der Konkursmasse. Es wurde nun zu einem Spekulationsobjekt und wechselte bis 1828 siebenmal den Besitzer, was der Bausubstanz nicht bekam. 1828 ließ die damalige Eigentümerin, Barbara Storch, das Palais hofseitig durch einige Seiten- und Quertrakte vergrößern. Auch der zweite Stock des Hauptgebäudes dürfte damals teilweise aufgesetzt worden sein. Damit wandelte sich das herrschaftliche Palais endgültig zum Mietobjekt. Es wurde auch in den nächsten Jahrzehnten immer wieder verkauft und vermietet. Daran änderte auch Karl Freiherr von Kielmannsegg nichts, dem es zwischen 1862 und 1905 gehörte. Von 1912 an hatte die AG der Wiener Sodawasserfabriken in dem bereits stark verwahrlosten Bau ihre Betriebsstätte. 1958 wurde die Fassade durch das Bundesdenkmalamt restauriert. 1959 erwarb Erwin Klein, der Besitzer der Firma Almdudler, das Palais. Er verkaufte es 1975 der Gemeinde Wien, die es 1987 der gemeindeeigenen Baugesellschaft GESIBA zur Revitalisierung übertrug. Die umfangreiche Restaurierung war 1991 beendet. Seit damals ist das Hauptgebäude an den Wiener Tourismusverband vermietet.

Die Fassade des dreigeschossigen klassizistischen Gebäudes wird durch einen deutlich vortretenden, dreiachsigen Mittelrisalit betont, an den sich zwei vierachsige Seitenteile anschließen. Über der zentralen Einfahrt mit den daneben liegenden zwei Fußgängereingängen befindet sich ein großer, von vier Säulen getragener Balkon. Die im 19. Jh. angebrachte Balkonverglasung wurde 1958 bei einer Fassadenrestaurierung wieder entfernt. Vor dem Mansardwalmdach ist ein großes Wappen der Fürsten Grassalkovich angebracht, in dessen Herzschild die Initialen der Kaiserin Maria Theresia angebracht sind. Die dreischiffige Einfahrtshalle zeigt ein rhytmisiertes Platzlgewölbe auf Doppelsäulen. Im repräsentativen Steigenhaus führt eine gegenläufige Treppe in die Beletage. Die hinteren Bauteile, die ebenfalls aus dem 19. Jh. stammten, wurden gleichfalls abgerissen. An ihrer Stelle entstand ein neuer Wohntrakt. Im Inneren des Palais hat sich durch die lange Zeit der Vermietung praktisch nichts aus der Bauzeit erhalten.

Ort/Adresse: 1020 Wien, Obere Augartenstraße 40

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


26.08.2002