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Scheibbs


Funde zeigen, dass schon römische Legionäre auf dem Areal des heutigen Schlosses einen Wachtposten unterhalten hatten, der spätestens 488 der Völkerwanderung zum Opfer fiel. Im Hochmittelalter gehörten große Teile des oberen Erlauftales den Grafen von Peilstein. Der Vorläufer des heutigen Schlosses dürfte um 1120 unter Konrad von Peilstein als Verwaltungszentrum seiner Herrschaft erbaut worden sein. Von hier aus konnte jederzeit der Verkehr im Erlauftal kontrolliert werden. Der um 1150 genannte Otto von Scibes zählte zu den Gefolgsleuten der Grafen von Peilstein. Nach deren Aussterben wurde Scheibbs um 1218 landesfürstlich. 1349 schenkte Herzog Albrecht II das feste Haus, das vorübergehend den Plankensteinern überlassen worden war, dem Karthäuserorden in Gaming. Die damalige kleine Burg wurde Gemäuer genannt, da die meisten übrigen Häuser des Ortes noch aus Holz gebaut waren. Sie diente als Verwaltungsgebäude des Gaminger Oberamtes Scheibbs und als Sitz des Amtmannes. Auch der jeweilige Prior des Klosters hielt sich hier gerne auf. Ein großes Kastengebäude nahm den Zehent der Grundholden – meist Getreide – auf. 1595 kam es zu einer Erhebung der Scheibbser Bürger und zwei Jahre später der Bauern gegen die Grundherrschaft, wobei der Prior von Gaming jeweils im Schloss gefangen gehalten wurde. Beide Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. 1611 wurde das alte Gebäude großzügig zum vierflügeligen Schloss umgebaut. Nach der Klosteraufhebung von 1782 übernahm die k. k. Staatsgüter-Administration das Schloss, verkaufte es aber 1826 an Ignaz und Luise Müller. 1867 kam es an den Industriellen Andreas Töpper. Seine Witwe verkaufte den Besitz an den Direktor der Neusiedler Papierfabrik, Eduard Musil, der die Walzblechfabrik im benachbarten Neubruck in eine Papierfabrik umgewandelt hatte. Sein Nachfolger, Dr. Fritz Hamburger, erwarb 1906 Schloss Scheibbs. 1954 übernahm das Land Niederösterreich die Anlage. Nach einer umfangreichen Restaurierung wurden im Schloss verschiedene Behörden, wie die Bezirkshauptmannschaft und das Bezirksgericht untergebracht. Die restlichen Räume sind vermietet.

Als ehemalige Burg/Kirchenanlage ist das Schloss auch heute noch durch einen Schwibbogen mit der Pfarrkirche verbunden. Es liegt am höchsten Punkt der Altstadt in der Südostecke der einstigen Marktbefestigung. Die südliche und östliche Ringmauer der Burg war zugleich ein Teil der Marktummauerung. Zwei runde Ecktürme mit Kegeldächern sind noch erhalten. Sie sind mit Schlüsselscharten und Lichtschlitzen ausgestattet. An drei Seiten war die Burg von einem Zwinger geschützt. Er fehlt lediglich an der Seite der benachbarten Pfarrkirche. Der rechteckige Innenhof ist überall von zweigeschossigen Trakten umgeben. Die Abschrägung der Nordwestkante zum Hauptplatz hin markiert den einstigen Torbau. Ihr ist ein einfacher Dreiecksgiebel aufgesetzt. Dieser Bereich wurde 1868 von Andreas Töpper umgestaltet. Die Außenfronten des Schlosses sind betont schlicht gehalten. Beim mächtigen, fünfgeschossigen, quadratischen Turm in der Nordostecke handelt es sich um den ehemaligen Bergfried. Er besitzt keine Fenster, lediglich Lichtschlitze. Die Nachbargebäude werden von ihm um zwei Stockwerke überragt. Diese sind im Kern noch mittelalterlich. So ist der Nordtrakt mit 1471 bezeichnet. Von seinem Dachboden aus führt eine schmale spitzbogige Tür in den Bergfried. Dem Süd- und dem Westtrakt sind hofseitig dreigeschossige Arkaden vorgelagert. Ihre Kreuzgratgewölbe ruhen auf abgefasten Viereckpfeilern.

Am Westflügel führt eine steile Steintreppe zu dem, von einem prachtvollen Schmiedeeisengitter abgeschlossenen Arkadengang des Obergeschosses empor. Das Gitter wurde um 1600 aus der Kartause Gaming hierher übertragen. Dem Südende des Westtraktes ist ein quadratisches Türmchen vorgesetzt, dessen Grundriss in der oberen Hälfte in ein Achteck übergeht. Die ehemalige Schlosskapelle lag im Südtrakt über den Speicherräumen des Erdgeschosses. Daher befand sich früher am Dach ein kleiner Dachreiter. Die Apsis tritt an der Ostfront leicht vor. Das bequeme Stiegenhaus im Nordtrakt weist auf einen frühbarocken Umbau hin. Es ist durch ein repräsentatives Hofportal zugänglich, das mit 1611 bezeichnet ist. Die flankierenden Pilaster sind mit imitierten Buckelquadern verziert. Über dem Sturzbalken ist ein mit seitlichen Voluten geschmückter Dreiecksgiebel aufgebaut. Die benachbarten Fenster weisen schöne schmiedeeiserne Rokoko-Körbe aus der Zeit um 1750 auf. Oberhalb des Portals zeigt eine Sonnenuhr an schönen Tagen seit 1731 die Zeit. In der Mitte des von hohen Bäumen bestandenen Hofes befindet sich ein Brunnen mit dem Gaminger Wappenlöwen auf einer toskanischen Säule. Das Schmiedeeisengitter, das den Brunnen umgibt, ist mit 1831 datiert. Die Repräsentationsräume des Priors lagen im Obergeschoß des West- und Nordtraktes. Sie sind mit floral stuckierten Decken und bemalten Deckenmedaillons um 1720/30 ausgestattet. Das Deckengemälde im kleinen Sitzungssaal des Westtraktes stellt die Glorie des Hl. Bruno dar. Es ist von Medaillons mit Putten und Karthäuserwahlsprüchen umgeben und mit Carl Unterhuber 1723 signiert.

Lage: Niederösterreich - Oberes Erlauftal

Ort/Adresse: 3270 Scheibbs, Rathausplatz 5

Besichtigung: Der Innenhof ist frei zugänglich.


Weitere Literatur:


10.11.2004