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Seebenstein


Der Felsrücken, auf dem die Burg Seebenstein liegt, fällt stellenweise senkrecht 164 m zur Talsohle ab. Er war also ein günstiger Platz zur Anlage einer Befestigung, umso mehr, als er an der vielbefahrenen alten Römerstraße über den Wechsel lag, die hier durch eine Talenge führte, die leicht abgeriegelt werden konnte. Wehrpolitisch hatte Seebenstein den Auftrag, gemeinsam mit den anderen Burgen der Umgebung, Einfälle aus Ungarn abzuwehren und die Ostgrenze der Steiermark zu sichern, zu der es im Mittelalter gehörte. Seebenstein soll angeblich bereits 1092 durch Eckbert von Formbach-Neuburg erbaut worden sein. Dieser hatte bereits 1055 die Grafschaft Pitten gegründet. 1096 befand sich die Gegend im Besitz der mit den Formbachern verwandten Markgräfin Ita, der Gemahlin des Babenbergers Leopold II. Sie nahm von hier aus mit 300 Mann 1101 am ersten Kreuzzug ins Heilige Land teil, von dem sie nicht mehr zurückkehrte. Herzog Heinrich der Stolze von Bayern befahl angeblich 1131 die Zerstörung der Burg aber bereits 1159 wurden die Wildensteiner, Ministeriale der Babenberger, mit der Herrschaft belehnt. Sie hatten ihre gleichnamige Stammburg bei Bad Ischl. Otto von Wildenstein, der als einer der ersten seiner Familie auf Seebenstein saß, fiel 1162 in der Schlacht bei Mailand, als er die Fahne der Steiermark auf einem Turm gehisst hatte und dort von einem Pfeil getroffen wurde. Mit Chadelhoh de sewenstaine wird die Burg 1170 erstmals urkundlich erwähnt. 1308 gehörte Seebenstein dem österreichischen Herzog Friedrich dem Schönen. Neun Jahre später gelangte es an die steirische Linie der Liechtensteiner. Ulrich von Stubenberg, ein Abkömmling dieser Familie, verpfändete 1367 seinen Burganteil an die Herren von Königsberg. 1379 übernahm Herzog Leopold III von Österreich von seinem Bruder Albrecht III die Herrschaft und verkaufte sie an Hans Auer von Herrenkirchen, der bereits Pfleger von Pitten war.

1403 erwarb Niklas Seebeck, ein Verwandter der Auer, Seebenstein. Er war auch Burgherr auf Thomasberg und Aspang. Von 1432 bis 1658 besaßen die Königsberger neuerlich die Feste. Sie waren Ministeriale der Salzburger und Gurker Bischöfe. Ihr Stammsitz war die Burg Königsberg südöstlich von Cilli in der damaligen Untersteiermark. Unter ihnen erlebte Seebenstein seine Blütezeit. 1486 wurde das von Matthias Corvinus belagerte Wiener Neustadt von hier aus heimlich mit Proviant und Munition versorgt. Zwei Jahre später belagerte der ungarische König auch Seebenstein, allerdings vergeblich. Auch den Türken gelang es 1529 nicht die Burg einzunehmen. In den Jahren danach entstand die Sage vom Türkensturz, wobei Seebensteiner Bauern versprengte türkische Soldaten von diesem Felsen gestürzt haben sollen. 1589 wurde Wolfgang von Königsberg in den erblichen Freiherrenstand erhoben. Nachdem Wolf Matthäus 1653 als letzter Königsberger verstorben war, verkaufte seine Schwägerin die bereits stark verschuldete Herrschaft sukzessive an Carl Pergen. Dieser erhielt kurz danach die Grafenwürde. 1663 wird Seebenstein wegen der drohenden Türkengefahr mit Geschützen und Munition versorgt sowie als Fluchtort für die Bevölkerung bestimmt. Die Burg blieb jedoch – ebenso wie zwanzig Jahre später anlässlich der Belagerung Wiens – von ernsthaften Angriffen verschont. Immerhin bot sie Hunderten von Bauern aus der Umgebung Schutz vor dem sonst sicheren Untergang. Johann Ferdinand Graf Pergen erbaute 1733 im Ort ein neues Schloss, wohin er seinen Wohnsitz verlegte. Die alte Burg blieb dem Verfall überlassen.

1788 pachtete Anton David Steiger die bereits ruinöse und leerstehende Anlage. Steiger war ein Mineraloge, der in Niederösterreich namhafte Steinkohlen-, Eisenerz- und Schwefelvorkommen entdeckt hatte. Er ließ die verwahrlosten Räume des neueren Wohntraktes restaurieren und stattete sie mit alten Möbeln, Bildern und Waffen aus. Auch seine umfangreiche Mineraliensammlung wurde hier untergebracht. 1790 gründete Steiger die Wildensteiner Ritterschaft zur Blauen Erde. Dieser romantisch-sentimentale Verein widmete sich der Pflege des Ritterideals und der Wiedereinführung des fast vergessenen Volksliedes. Seine Mitglieder waren in Ritter, Knappen, Burgpfaffen usw. eingeteilt und entsprechend gekleidet. Zu ihnen zählten Hochadelige wie Erzherzog Johann, Prinz Wilhelm von Preußen (der spätere deutsche Kaiser Wilhelm I) und Prinz Leopold von Sachsen-Coburg (der spätere König von Belgien), aber auch Wissenschaftler, Schriftsteller, Ärzte sowie hohe Offiziere und Staatsbeamte. Staatskanzler Metternich vermutete wohl nicht zu Unrecht, dass es sich bei der Wildensteiner Ritterschaft um eine getarnte Freimaurerloge handelte und ließ 1823 den Verein auflösen. Im Jahr darauf verkaufte Reichsgraf Johann Karl von Pergen, der letzte seines Geschlechtes, die Herrschaft an den Fürsten Johann I von und zu Liechtenstein. Auch er war vom Geist der Romantik beseelt. Da ihm das Aussehen von Seebenstein nicht alt genug erschien, ließ er einzelne Bauteile abtragen um die Ruine noch „ruinöser“ erscheinen zu lassen. Das von Steiger restaurierte Wohnschloss wurde aber weiter gepflegt und sogar zeitweise bewohnt. 1942 erwarb Frau Lilly Nehammer-Prinz die Burgruine und das Wohnschloss, während der größte Teil des bisher mit ihnen verbundenen Wald- und Immobilienbesitzes beim Haus Liechtenstein verblieb. Frau Nehammer-Prinz ließ zuerst die bewohnbaren Teile restaurieren und brachte dann darin ihre Sammlung mittelalterlicher Kunst unter. Derzeit gehört die Burg ihrer Großnichte Frau Christine Vopara. In den letzten Jahren hat sich wieder ein Nachfolgeverein der Wildensteiner Ritterschaft etabliert, der auf dem Schloss seine Versammlungen abhält.

Seebenstein besteht aus zwei kompletten Burgen. Die ursprünglich, aus dem 12. Jh. stammende romanische Anlage ist im Neuen Schloss erhalten, während die im 14. Jh. auf dem Gelände der ehemaligen Vorburg errichtete gotische Feste völlig in Ruinen liegt. Der Zugang zur Burg führt durch das erste Tor in der zerstörten Ringmauer auf eine Wiese, die fälschlicherweise auch als Turnierhof bezeichnet wird. Tatsächlich handelt es sich dabei um einen ehemaligen Vorhof, in dem in der Renaissancezeit Wirtschaftsbauten errichtet wurden. Sie sind aber längst verschwunden. Der hier befindliche Brunnen soll alten Angaben zufolge 150 m tief gewesen sein, was nicht mehr zu überprüfen ist, da er bis auf 27 m zugeschüttet ist. Der zweite Torbau ist mit Schlüssel- und Maulscharten ausgestattet. Sein Obergeschoß war nur über eine Leiter zugänglich. Hier ragt eine Pechnase vor. Das Dach des Torturms wurde 1824 abgebrochen, ebenso die Umfassungsmauer. Nun folgt ein breiter Graben, der den eigentlichen Burgbereich vom Vorhof trennt. Eine Holzbrücke, die im letzten Teil als Wippbrücke (1846 erneuert) ausgebildet ist, ermöglicht das Durchschreiten des dritten Tores. Daneben befindet sich eine mit starkem Eisenblech beschlagene Fußgängerpforte. Der dahinter liegende äußere Burghof wird im Nordwesten vom vierten Torbau abgeschlossen. Die zwei mächtigen halbrunden Türme, die ihn flankieren, waren zur Geschützverteidigung ausgebaut. Eine Inschrift über dem Torbogen weist auf den Umbau von 1604 unter Wolf Matthäus von Königsberg hin, der der Burg weitgehend ihre heutige Form gab. Er hatte in Mantua und Padua studiert, weshalb seine Bauten deutlich vom Geist der italienischen Renaissance beeinflusst sind. Der anschließende kurze Zwinger wird links durch die Ruinen der alten Burg und rechts durch das Neue Schloss gebildet. Vom fünften Tor, das den Zwinger abschloss, sind nur mehr Mauerreste vorhanden. Danach wendet sich der Weg in einer scharfen Kehre nach Westen der ruinösen Kernburg zu. Im Mittelalter gab es diesen Zugang noch nicht. Damals führte der Weg von Süden her durch einen viereckigen Torturm und einen langen Zwinger in die damalige Vorburg.

Der hier befindliche Bergfried hat einen eiförmigen Grundriss, wobei er im Westen abgeplattet ist, um Raum zur Verteidigung der Außenmauer zu gewinnen. Er ist aus Bruchsteinen erbaut und noch recht gut erhalten. Aufgrund von dendrochronologischen Untersuchungen wird er um 1385 datiert. Der Turm ist etwa 23 m hoch und durch Holzdecken in sieben Geschosse aufgeteilt. Sein Hocheinstieg über dem heutigen Rundbogenportal wurde im 17. Jh. vermauert. Die Zinnenlücken seiner Wehrplatte wurden später, als diese mit einem Dach versehen wurde, zu Ochsenaugen umgebaut. 1824 brannte sein Dach, das doppelt so hoch wie das jetzige war, ab und wurde durch die heutige Konstruktion ersetzt. Der Ringmauer wurden an der talseitigen Schauseite vier Rundtürmchen aufgesetzt. Der mit seiner Schmalseite an den Zwinger grenzende Palas stammt wie der Bergfried aus der ältesten Bauperiode der Burg. Von dem überraschend kleinen Bau stehen nur mehr die Außenmauern. Dem Zwinger gegenüber ist außen an der Ringmauer ein rechteckiger Flankierungsturm angebaut, der Lug-ins-Land genannt wird. Er trug einst ein hölzernes Pyramidendach, ist aber heute dachlos. An der rechten Seite des Zwingers führt eine gedeckte Treppe durch die Pilgerruhe in das vorwiegend aus dem 17. Jh. stammende Wohnschloss mit seinem geräumigen Hof. Er ist von mit Efeu bewachsenen Renaissancefassaden umgeben. Bemerkenswert ist die Verschiedenartigkeit der Fenster. Die schmiedeeiserne Haube der hier befindlichen, 15 m tiefen Zisterne stammt aus dem Jahr 1600, der Wasserspeier in Form eines Drachens aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Der Südosttrakt des Neuen Schlosses enthält die im Kern aus der Zeit von 1170 bis 1220 stammende romanische Altburg. Sie ist durch die Königsberger-Bauten des 17. Jh. verdeckt, doch kann man im Grundriss unschwer Bergfried, Palas und Wirtschaftstrakt erkennen. 1805 wurde der drei Jahre zuvor teilweise eingestürzte Turm abgetragen. Der Großteil der etwa 40 Innenräume ist museal eingerichtet. Das zweite Obergeschoß des Nordwesttraktes wurde 1734 zu einem barocken Festsaal umgebaut. Er diente im 19. Jh. der Wildensteiner Ritterschaft als Rittersaal. Die im Grundriss dreieckige Kapelle im Scharfen Eck der Burg besitzt einen alpenländischen Flügelaltar aus der Zeit um 1550 sowie zwei Skulpturen aus Adneter Marmor, die Petrus und Paulus darstellen. Sie sind Meisterwerke des Niclas Gerhard von Leyden, der das Friedrichsgrab im Wiener Stephansdom geschaffen hat. Die drei Säle umfassende Waffenkammer birgt sowohl echte Waffen und Rüstungen als auch Kopien. In der Bibliothek steht ein Himmelsglobus von Peter Anich. Im Marienzimmer, der einstigen Gerichtsstube, stehen zwei gotische Madonnenstatuen. Die reich gestalteten Holztüren der Trabantenstube wurden erst um die Mitte des 19. Jh. von J. Angeler geschaffen. Alte Musikinstrumente sind im Haydnzimmer ausgestellt. Die Porzellansammlung gehörte einst Katharina Schratt. Leider werden die Exponate, an denen der Zahn der Zeit zum Teil bereits seine Spuren hinterlassen hat, immer wieder geschmälert. So wurde vor einigen Jahren der Stolz der Sammlung, eine Marienplastik von Tilman Riemenschneider ins Ausland verkauft.

Lage: Niederösterreich/Bucklige Welt – ca. 4 km südöstlich von Neunkirchen

Ort/Adresse: 2824 Seebenstein

Besichtigung: Führungen finden zwischen Karsamstag und dem zweiten Sonntag im Oktober an Samstagen, Sonn- und Feiertagen um 14.00 und 15.00 statt, ansonsten nach telefonischer Vereinbarung. Die Ruine darf aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden.


Weitere Literatur:


22.09.2004