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Bockfließ


Ein Ritter Luduvicus de Pochvlise ist 1168 der erste urkundliche Hinweis auf einen hier bestehenden Herrensitz. Der kleine, von Palisaden geschützte Wohnturm dürfte aber am künstlich aufgeschütteten Hausberg, dem heutigen Kalvarienberg, in der Mitte des Ortes gestanden sein. Auf die Herren von Bockfließ, die 1292 zum letzten Mal genannt werden, folgten um 1346 Bertold von Bergau, der aber nur zwei Drittel der Feste besaß und dann ab 1372 die Herren von Eckartsau. Letztere wurden 1396 durch Herzog Albrecht IV mit Bockfließ belehnt. Nach ihrem Aussterben 1507 kam die Herrschaft an Sigmund Ludwig von Polheim, der mit Anna von Eckartsau verheiratet war. Kaiser Maximilian I bestätigte ihm den Besitz als freies Eigen. Vermutlich damals dürfte das heutige Schloss im wesentlichen neu erbaut worden sein. 1547 gelangte Bockfließ an die Familie Prankh. Sowohl Ulrich von Prankh, als auch Andreas Freiherr von Teufel, der von ihm 1592 die Burg erwarb, waren eifrige Protestanten. Unter Carl Freiherr von Teufel geriet die Herrschaft in große finanzielle Schwierigkeiten und wurde schließlich 1621 von den Landständen konfisziert. Sein Schwiegersohn Franz Christoph Graf Khevenhüller beglich die beträchtlichen Schulden und verkaufte 1635 Bockfließ an den Landmarschall und Generallandobristen Sigmund Adam Graf Traun. Als 1653 Graf Ernst von und zu Traun in den Reichsgrafenstand erhoben wurde, fügte er zu seinem Namen das Prädikat Abensperg hinzu. 1663 wurde Bockfließ als Fluchtort für die umliegende Bevölkerung bestimmt.

Die Untertanen der Herrschaft, die noch 1663 keine Freude damit gehabt hatten, als sie bei der Befestigung des Schlosses zu umfangreichen Schanzrobot-Arbeiten verpflichtet wurden, waren wohl zwanzig Jahre später dafür dankbar. Graf Ernsts Sohn Ferdinand Ernst gelang es, eine Belagerung der Burg durch türkische Streifscharen abzuwehren. Am Eisenbeschlag des alten Innentores sind noch heute die Kerben von Säbelhieben erkennbar. Wegen seiner Verteidigungsbereitschaft wurde die Burg damals auch Brustwehr des Marchfeldes genannt. 1780 vernichtete ein schwerer Sturm den alten Dachstuhl. Dies wurde von Rudolf Graf Abensperg-Traun zum Anlass genommen, einen neuen Stock mit dem nach innen geneigten Pultdach aufzusetzen, wodurch das Schloss sein heutiges Aussehen erhielt. In den Franzosenkriegen hatte Bockfließ 1809 schwer zu leiden. Noch schlimmer traf es aber der Zweite Weltkrieg. 1945 verwüsteten russische Soldaten die Innenräume. Die meisten historischen Waffen der Traunschen Rüstkammer wurden damals entwendet, die kostbare Porzellansammlung in den Burggraben geworfen sowie zahlreiche Möbel und Gemälde sinnlos zerstört. Auch das Archiv wurde weitgehend vernichtet. Erhalten haben sich zwei türkische Kanonen. Die Familie Abensperg-Traun ließ die reparablen Schäden des zweiten Weltkrieges wieder beheben und die arg dezimierte Einrichtung ergänzen. Heute gehört das gepflegte Schloss der Gräfin Maya Goess, einer geborenen Gräfin Abensperg-Traun. Es dient als Wohnsitz der Familie.

Das auf einer leichten Anhöhe am Nordrand des Ortes gelegene Schloss Bockfließ macht auch heute noch einen recht wehrhaften Eindruck. Die nahezu quadratische Anlage war von Bastionen umgeben. Die an der Südwestecke mit einer Futtermauer verkleidete Wallanlage ist größtenteils erhalten. Lediglich im Süden, wo sich ein mit Kugeln und einem kleinen Obelisken geschmücktes Portal befindet, ist sie geöffnet. Dahinter führt eine gemauerte Brücke über den ehemaligen Graben zum großen Rundbogentor in der Außenmauer. Daneben befindet sich eine Fußgängerpforte. Diese sieben Meter hohe Mauer ist mit gemalten Quadern rustiziert und mit Bogenzinnen sowie Schießscharten ausgestattet. An der dem Dorf zugewandten Seite ist sie durch zwei vortretende viereckige Ecktürme verstärkt. Sie waren ursprünglich mit Zwiebelhelmen gedeckt, doch wurden diese beim letzten großen Umbau durch Zeltdächer ersetzt. An der Innenseite wurden im 18. Jahrhundert Stallungen und Wirtschaftsräume angebaut. Während das freistehende dreigeschossige Wohnschloss mit seinen im Erdgeschoß vier Meter dicken geböschten Mauern nach außen hin recht streng wirkt, zeigt es in seinem kleinen Innenhof an drei Seiten luftige dreigeschossige Arkaden aus der Renaissancezeit. Wie üblich entsprechen einer Korbbogenarkade im Erdgeschoß zwei Rundbogenarkaden im ersten und zweiten Stock. Die von Kreuzgratgewölben überspannten Wandelgänge sind mit Jagdtrophäen geschmückt. Im hinteren Hofteil liegt der einstige Brunnen.

Die Nordseite des Hofes wird lediglich von einer Mauer abgeschlossen, in die eine kleine Pforte eingelassen ist. Der Haupteingang liegt jedoch an der Südseite. Über ihm ist das Doppelwappen Traun-Batthyány angebracht. Der Mittelbalkon und die Fensterrahmungen des Obergeschosses stammen aus dem vierten Viertel des 18. Jh. Auch der Volutengiebel mit dem Abensperg-Traunschen Wappen wurde erst beim Umbau von 1780 errichtet. Am Vischer-Stich von 1672 ist an seiner Stelle noch ein Mittelturm mit Uhr zu sehen. Er dürfte bei der Türkenbelagerung beschädigt und danach abgerissen worden sein. Hofseitig wurde dem Südflügel vermutlich im 18. Jh. ein Treppenhaus vorgebaut. Im ersten Stock befand sich einst ein dreiachsiger Mittelsaal, der aber später unterteilt wurde. Das nordöstliche Eckzimmer im zweiten Obergeschoß wurde gegen Ende des 19. Jh. mit einer Neorokokoausstattung versehen. Am Dachboden des Westflügels sind noch vermauerte Scharten für leichte Geschütze zu erkennen. Der Turm an der Nordostecke dürfte im Mauerwerk noch auf die romanische Zeit zurückgehen. Von den einstigen Wehreinrichtungen, die das Schloss umgaben, ist außer dem Wall, der Mauer und den beiden Türmen auch der Wehrgraben erhalten. Außerhalb der Befestigungen steht vor dem Schloss der Meierhof mit der ehemaligen Falknerei. Dem Keilstein an der Einfahrt kann man entnehmen, dass der Bau 1672 von Ferdinand Ernst Graf Abensperg-Traun in Auftrag gegeben wurde. Östlich des Schlosses liegt der barocke zweigeschossige Schüttkasten aus dem Jahr 1670. In seinem Presshaus haben sich zwei reich geschnitzte wappenverzierte Weinpressen aus dem Jahr 1698 erhalten. Jeder der mächtigen Pressbäume ist ca. 10 m lang und etwa 2800 kg schwer. Im jetzt englischen Park sind noch Reste eines barocken Buchsbaumparterres erkennbar.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – ca. 8 km nördlich von Deutsch-Wagram

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


30.08.2004