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Kobersdorf


Wie alle Burgen im Grenzland zwischen Österreich und Ungarn hatte auch Kobersdorf ein äußerst wechselvolles Schicksal. Am Abschluss des Stoobertales befand sich bereits im ersten Jahrtausend eine hölzerne Flucht- und Schutzburg für die umliegende Bevölkerung. Um 800 wurde sie in den karolingischen Festungsgürtel gegen die Awaren einbezogen. Ob es sich bei dem 860 vom Kaiser Ludwig dem Deutschen dem Erzbistum Salzburg geschenkten „Kundpoldesdorf“ um Kobersdorf gehandelt hat, ist umstritten. Eine gesicherte urkundliche Erwähnung als Burg liegt jedenfalls erst 1222 vor, als sie König Andreas II dem Grafen Pousa schenkte. Der ungarische König Bela IV übergab die Herrschaft 1254 seinem Mundschenk Conrad. Da sich dieser jedoch auf die Seite König Ottokars II schlug, wurde sie ihm aber bald wieder konfisziert. Als Dank für ihre erfolgreiche Verteidigung der Burg Kobold, wie Kobersdorf damals genannt wurde, gegen den böhmischen König belohnte König Ladislaus IV 1278 Jakob und Ladislaus von Zerky. Zwei Jahre später schenkte er die Herrschaft den Grafen Stephan und Peter Czak. 1289 eroberte Herzog Albrecht I von Österreich die Burg, deren Inhaber mit den Güssinger Grafen verbündet gewesen waren. Sie wurde jedoch nicht zerstört, sondern Berchtold von Emmerberg zur Pflege übergeben. Auf Grund des Friedensvertrages von Hainburg musste sie aber bereits 1291 an Ungarn zurückgestellt werden. König Andreas III schenkte sie 1298 dem Grafen Lamberg (Lampelberg) als Dank für dessen Dienste bei den Friedensverhandlungen. Noch vor 1319 wurde Kobersdorf an Graf Simon II von Mattersburg-Forchtenstein verkauft. 1445 erwarb Herzog Albrecht VI von Österreich die Herrschaft. Er verkaufte sie 1451 an seinen Bruder Kaiser Friedrich III.

Zwischen 1452 und 1466 gelang es Sigmund von Weisspriach sich in den Besitz der Burg zu setzen. Er war zuerst ihr Pfleger und dann ihr Pächter, bis sie ihm von König Matthias Corvinus – dem sie übrigens nicht gehörte – als Dank für seinen Abfall vom Kaiser überlassen wurde. Als Weisspriach wieder zu Friedrich III überwechselte, schenkte König Matthias die Burg den Grafen Sigmund und Johann von Szentgyorgy und Buzin. 1493 war Kobersdorf wieder in den Händen des Kaisers Maximilians I, der sie Sigismund von Prüschenk übergab. Dieser reichte sie wieder an die Familie Weisspriach weiter. Gräfin Gertraud von Weisspriach war zu Beginn des 16. Jahrhunderts in mehrere Fehden und Ausschreitungen gegen die Stadt Ödenburg verwickelt. 1519 wurde sie sogar einige Zeit gefangen gehalten. Ihr Sohn Hans von Weisspriach ließ um 1529 die Burg großzügig zum Schloss umbauen und wegen der ständigen Türkengefahr stark befestigen. Er war Obergespan von Ödenburg und kaiserlicher Obrist. Zu seinen Besitzungen gehörten auch die Herrschaften Forchtenstein, Güns, Landsee und Eisenstadt. Nach dem Aussterben der Weisspriach kam Kobersdorf 1563 an die Familie Csoron von Devecser, doch erlosch auch dieses Geschlecht 1585. Es kam zu einer Güterteilung zwischen den beiden Töchtern. Anna bewohnte den nördlichen und Margaretha den südlichen Teil des Schlosses. 1610 erfolgte eine weitere Erbteilung. Graf Ladislaus Listhius (Listhy), einer der Erben, betätigte sich in Kobersdorf, Pressburg und Ödenburg als Falschmünzer und wurde schließlich in Wien hingerichtet. Nach einer weiteren Zersplitterung gelang es 1648 Johann I Kéry de Ipolyker große Teile der Herrschaft zurückzukaufen. Er baute das Schloss weiter aus und ist für die Arkadengänge, die Hoffront des Osttraktes sowie für den Festssaal verantwortlich. Die Hälfte der Herrschaft gehörte aber zuerst Graf Johann Lippay und dann Paul Esterhazy.

1671 wurden die aufständischen ungarischen Grafen Peter Zriny und Franz Frangepány nach einem Besuch auf Schoss Kobersdorf von einem kaiserlichen Kommando festgenommen. Der Schlossherr Franz II Kéry war mit ihnen befreundet, hatte jedoch den Kaiserhof von ihrer Ankunft informiert. Die beiden Verschwörer wurden eine Woche später in Wiener Neustadt enthauptet. 1683 versuchte Franz II Kobersdorf gegen die Türken zu verteidigen, doch wurde Schloss und Dorf niedergebrannt. 1694 wurde er durch Gütertausch Alleinbesitzer der Herrschaft. Seine Witwe und Söhne verkauften sie aber noch im gleichen Jahr an den mit ihnen verschwägerten Palatin Fürst Paul Esterházy. Als Anhängsel des riesigen Esterházy-Besitzes hatte es damit seine Bedeutung verloren und diente nur mehr wirtschaftlichen Zwecken. 1809 waren französische Soldaten im Schloss einquartiert. Da es sich dabei vorwiegend um Offiziere handelte, kam es noch ohne größere Schäden davon. 1876 wurde es beim großen Ortsbrand schwer beschädigt, ebenso 1895 beim Hochwasser des Schwarzbaches. Um das Jahr 1900 war der Renaissancetrakt in zwanzig Kleinwohnungen für Land- und Forstarbeiterfamilien aufgeteilt. Im Ersten Weltkrieg waren im Schloss 200 serbische Offiziere interniert. 1928 wurde die östliche Wehrmauer abgetragen und das Material zur Pflasterung der Dorfstraße verwendet. Auch im Zweiten Weltkrieg diente Schloss Kobersdorf wieder als Gefangenenlager für Offiziere. 1945 kam es zu schweren Verwüstungen. Bis 1947 lag eine russische Vermessungsabteilung in den einzelnen Gebäuden. Sofern die Möbel, Türen, Fenster und Fußböden nicht bereits Bränden zum Opfer gefallen waren, wurden sie in der Nachkriegszeit verheizt. Der Verfall der Gebäude schritt bis 1963 fort. Nach dem Einsturz mehrere Mauern und Decken wollte man sogar das Schloss abreißen und das Areal in Siedlungsparzellen aufteilen. Die Rettung erfolgte erst, als die Familie Bolldorf-Grazigna die Anlage kaufte und eine umfassende Restaurierung einleitete. Zur Deckung der 6000 m² großen Dachfläche waren zwölf Waggons Eternitschindeln erforderlich, die die alten Holzschindeln ersetzten. 2000 m³ Schutt mussten entfernt werden. Heute ist das wiederhergestellte Schloss im Besitz der Tochter des Ehepaares Bolldorf-Grazigna. Es ist bewohnt bzw. teilweise vermietet. Im Schlosshof finden seit 1972 im Sommer Festspiele und andere Veranstaltungen statt.

Das Schloss ist eine beeindruckende Anlage, die noch immer teilweise von einem, allerdings trocken gelegten Wassergraben umgeben ist. Es ist im wesentlichen ein Renaissancebau, doch finden sich auch Bauteile von der Romanik bis zum Frühbarock. Auf einer um zwei Höfe verbauten Fläche von 4000 m² befinden sich ca. 120 Räume, 7 Türme und 6 Eingangstore. Das Schloss ist kunsthistorisch interessant, da es seit 1704 nicht mehr verändert wurde und noch seinen Renaissancecharakter deutlich zeigt. Auch die Nebenanlagen, wie Zier- und Nutzgarten, Stallungen, Meierhöfe und Mühlen sind noch weitgehend vorhanden, wenn sie auch anders genutzt sind. Ältester Teil der Wasserburg ist die ehemalige Fluchtburg. In den fast quadratischen heutigen Gartenhof flüchtete in Notzeiten die Bevölkerung des gesamten Herrschaftsbereiches. Dieser äußere Hof war von Süden her über eine Brücke zugänglich. Die zum Teil bis zu vier Meter starken Umfassungsmauern mit vier schweren Rundtürmen an den Ecken sind fast zur Gänze erhalten. Die Kegeldächer der Türme sind rekonstruiert. In diesem Hof befindet sich eine freistehende gotische Kapelle mit reichen Stuckverzierungen aus dem 17. Jh,. Ihr Stabgotik-Eingangstor wurde bei der letzten Restaurierung freigelegt. Der kleine zweijochige Bau enthält eine Renaissance-Kanzel und ein Gestühl aus der gleichen Periode. 1979 wurden in der Schlosskapelle bemerkenswerte Fresken aus dem 14. Jh. entdeckt. Verschwunden ist der hohe Turm, den die Stiche des Esterházyschen Kupferstechers Matthias Greischer aus dem Jahr 1660 zeigen. Er dürfte den Türkensturm von 1683 nicht überstanden haben. Bei Grabarbeiten konnten seine Sockelmauern im Hof gefunden werden. Der Gartenhof ist mit dem inneren Schlosshof durch ein Tor verbunden.

Der Hauptzugang zum Schloss führt jedoch von Norden her über eine ehemalige Zugbrücke zum ersten Tor, das mit 1656 datiert ist. Über dem rustizierten Portal ist in einer Nische des Sprenggiebels eine Madonnenstatue angebracht. Durch eine Barbakane und über eine gemauerte Brücke gelangt man zum zweiten Tor, das mit einem Fallgitter gesichert war. Über beiden Toren wurden 1704 Esterházy-Wappen angebracht. Nun ist der rechteckige innere Schlosshof erreicht. An seinem Westtrakt wurde 1654 eine zweigeschossige Arkadenfront vorgebaut. Auch im Südtrakt sind Arkaden vorhanden. Der nach außen halbkreisförmig vortretende Nordtrakt zeigt schöne Spätrenaissancefenster. Der sechseckige Renaissancebrunnen im Innenhof trägt das Wappen der Familie Kéry und die Jahreszahl 1656. Die Bauten, die den Innenhof umgeben, entstanden unter der Herrschaft der Weisspriach. Zur besseren Verteidigung wurden sie nach Westen durch drei in den Graben vorspringende Rundtürme gesichert. Im Südosten dieses Wohnschlosses wurde zur selben Zeit ein Granarium errichtet, das ursprünglich durch einen schmalen Zwinger vom Hauptbau getrennt war und später zu einem über zwei Geschosse reichenden Festsaal umgebaut wurde. Allerdings wurde dieser bald durch Decken und Wände in mehrere Säle unterteilt. Die Innenräume des Schlosses sind über zwei diagonal angeordnete Stiegenhäuser erreichbar. Süd- und Westtrakt sind mit großen Hallen unterkellert. Sie dienten als Vorratsräume und Stallungen. Die Gewölbe weisen Spannweiten bis zu zehn Meter auf. Die Erdgeschoßräume wurden für verschiedene Zwecke genutzt. Die großen Säle des ersten Stocks weisen prächtige Renaissance-Fenster auf. Der Rittersaal sowie drei Turmräume zeigen schöne Stuckdecken und Malereien. Die Fresken im großen Saal stammen von 1660. Sie zeigen Szenen aus dem Trojanischen Krieg. Das kleine Oktogon ist mit Passionsbildern in Stuckkartuschen geschmückt. Im nördlichen Eingangstrakt ist ein alter Turmbau mit Malereiresten erkennbar, der später in die Front einbezogen wurde. Auch im Südteil steckt ein mittelalterlicher halbkreisförmiger Turm aus Bruchsteinmauerwerk. Im Westtrakt erkennt man gotische Fenster. Die schmiedeeisernen Fensterkörbe wurden erst 1960 abmontiert und in der Burg Forchtenstein eingebaut. Auch das noch vorhandene Mobiliar wurde dorthin gebracht.

Lage: Burgenland/Mittleres Burgenland – ca. 17 km südlich von Mattersburg

Besichtigung: nach telefonischer Voranmeldung möglich


Weitere Literatur:


22.08.2004