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Herberstein Schloss


Der Name des Schlosses geht auf Herwig von Krottendorf, einen Lehensmann der Stubenberger zurück, der zwischen 1215 und 1232 mehrfach urkundlich genannt wird. Von 1260 bis 1290 war die damals Herwigstein genannte kleine Burg im Besitz von Ulrich dem Rosenecker, der sie dann seinem Schwager Otto von Hartberg verkaufte. Diesem gelang es, das bisherige Lehen der Stubenberger gegen Bezahlung von 50 Mark Silber in Freies Eigen umzuwandeln. Er nannte sich erstmals nach der Burg und gilt daher als Ahnherr der Herbersteiner. Seit damals befindet sich die Feste im Familienbesitz. Damit ist sie wohl jene österreichische Burg, die am längsten von einem Adelsgeschlecht bewohnt wird. Die Herbersteiner gehören zu den ganz wenigen österreichischen Adeligen, denen es gelang, trotz bäuerlicher Vorfahren bis zu Reichsgrafen aufzusteigen. Sie teilten sich bald in verschiedene Linien und hatten Besitzungen nicht nur in Österreich, sondern auch in Slowenien, Schlesien, Deutschland, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Das berühmteste Familienmitglied ist wohl Sigmund von Herberstein, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts für die Kaiser Maximilian I und Ferdinand I als Diplomat vorwiegend in Russland und Polen tätig war. Sein literarisches Hauptwerk ist die 1549 herausgegebene „Moscovita“, in der er die Verhältnisse am Moskauer Zarenhof schilderte. Dieses Buch ist noch heute ein Standardwerk der Osteuropa-Forschung. Andere Herbersteiner waren Landeshauptleute, Bischöfe und Heerführer. Einer brachte es bis zum Großmeister der Johanniter. 1537 wurde die Familie in den Freiherrenstand erhoben und 1568 die Herrschaft mit der Hochgerichtsbarkeit ausgestattet.

Georg der Breite, Freiherr von Herberstein, begann um die Mitte des 16. Jh. damit, die mittelalterliche Burg in einen repräsentativen Wohnbau umzuwandeln. Erzherzog Ferdinand I hatte ihn zum Oberstoberkämmerer und Erbtruchseß ernannt. Diese neuen Würden mussten natürlich auch in seinem Wohnsitz zum Ausdruck kommen. Außerdem benötigte er Platz für seine 22 Kinder. Er ließ den Meierhof, der an der Stelle des heutigen Florentinerhofes stand, abtragen und ihn an seinem jetzigen Standort neu errichten. Er beauftragte den Bau des fünfgeschossigen Südtraktes mit seinen schweren Stichkappen-Tonnengewölben und des ihn nach Osten abschließenden Kanonenturms. Seine mächtigen Gewölbe werden von zwei Steinpfeilern abgestützt. Das „äußere Höflein“ d. h. der heutige Innenhof wurde mit Renaissance-Portalen und –Fensterumrahmungen ausgestattet. Da die Erbschaftsverhältnisse nicht einwandfrei geregelt waren, kam es nach Georgs Tod 1584 unter seinen Nachfahren zu Auseinandersetzungen, die erst 1604 beigelegt werden konnten. Bernhardin II von Herberstein diente Erzherzog Ferdinand als Hofmarschall. Er ließ den äußeren Burggraben überbauen und die schon von seinem Vater begonnenen Arbeiten am Florentinerhof fortsetzen. Fertiggestellt wurde dieser aber erst von seinem Sohn Johann Maximilian I. Er war Vizestatthalter von Innerösterreich und Landeshauptmann der Steiermark. 1648 beauftragte er den Baumeister Anton Solar, der auch die Kirche von St. Johann errichtete, mit dem Ausbau des Florentinerhofes. Bereits 1644 hatte die Familie die Grafenwürde erhalten, was mit einer Wappenverbesserung verbunden war. Im 17. Jh. stellten die Herbersteiner besonders viele hohe Militärs. 1686 fiel Johann Georg Graf Herberstein in der Schlacht vor Ofen. Graf Johann Josef war Kommandant der Malteser Seeflotten im Mittelmeer. Leopold Graf Herberstein zeichnete sich in den Türkenkriegen sowie im Spanischen Erbfolgekrieg und auf dem italienischen Kriegsschauplatz aus.

Durch die Heirat mit der Prinzessin Anna Eleonora von Eggenberg kam Johann Leopold Graf Herberstein 1742 in den Besitz der umfangreichen Güter der Fürsten Eggenberg, die 1717 im Mannesstamm ausgestorben waren. Die heute in Herberstein gezeigte Porzellan-Sammlung stammt zum Teil aus diesem beträchtlichen Vermögenszugang. Schloss Herberstein war in seiner Geschichte stets vom Glück begünstigt. Es wurde nie von Feinden erobert oder auch nur ernstlich angegriffen und nie durch Brand oder Kriegseinwirkung zerstört. Ungarn, Türken und Kuruzzen verheerten zwar die Besitzungen der Herbersteiner, verschonten aber das Schloss. Sigmund von Herberstein hat es sogar posthum 1945 vor der russischen Besatzung gerettet. Der Überlieferung nach nahm ein geschichtsbewusster Offizier von einer Beschlagnahme Abstand, als er auf einem Gemälde Sigmund erkannte. Herberstein war im 18. und 19. Jh. eine der größten Herrschaften der Steiermark. Bis zur Bauernbefreiung von 1848 waren rund tausend Bauernhöfe nach Herberstein zinspflichtig. Auch heute noch ist das Schloss, in dem bereits die 21. Generation der Herbersteiner wohnt, Zentrum eines land- und forstwirtschaftlichen Großbetriebes, der seit 1960 auch im regionalen Tourismus kräftig mitmischt. Am meisten Besucher zieht der ausgedehnte Tierpark an, der schon im 17. Jh. gegründet wurde. Damals erkannte Johann Maximilian I, Graf Herberstein, dass die steilen Hänge der Feistritzklamm landwirtschaftlich nicht genutzt werden konnten. Sie eigneten sich aber vorzüglich für die Haltung von Wildtieren. Er siedelte vorwiegend italienisches Damwild an. 1888 sowie in den letzten Jahren wurde der Tierpark um angrenzende Waldflächen kräftig erweitert. Heute leben hier auch Exoten, wie Geparden.

Herberstein gehört zu den ganz wenigen Burgen, zu denen man hinabsteigen muss. Es liegt im Talgrund auf einem ca. 40 m hohen steilen Felsen über der Feistritz, die es an drei Seiten umfließt. Es musste daher später, als die Belagerungstechnik schon fortgeschrittener war, durch ausgedehnte Vorwerke auf der Höhe geschützt werden. Das Schloss zeigt die kontinuierliche Entwicklung vom festen Haus des 13. Jahrhunderts bis zum Schloss der Gegenwart. Man findet alle Baustile vom romanischen Portal über die gotische Wendeltreppe und die Renaissancetüren bis zu den frühbarocken Stuckdecken. Ältester Teil der langgestreckten Anlage ist das um die Mitte des 13. Jh. am westlichen Ende des Felssporns aus Bruchsteinen erbaute spätromanische zweigeschossige Feste Haus (Palas). Es enthält im Erdgeschoß drei gewölbte Räume und im Oberstock einen durchgehenden Saal. Dieser ist über eine Schneckenstiege in der Außenmauer zugänglich. Um 1300 ließ Otto von Hartberg den damals frei stehenden Bergfried errichten und durch einen Halsgraben an der gefährdeten Ostseite sichern. Im ersten Obergeschoß des Turmes befand sich der Einstieg, darunter das Verlies. Dieses verfügte über den ungewöhnlichen Komfort einer von außen zu bedienenden Ofenheizung. Darüber lagen drei Wohngeschosse sowie ein Wehrgang. Um die Mitte des 14. Jh. wurde dem Altbau eine Vorburg mit einer starken Schildmauer vorgelagert. Die kurz vor 1375 fertig gestellte Katharinenkapelle mit dem Pfaffenstöckl befand sich bis um 1580 außerhalb der spätmittelalterlichen Burg. Der zweijochige einschiffige Raum weist bedeutende Fresken (u. a. Katharinenlegende, Christus in der Mandorla) aus den Jahren 1360/70 auf, die erst zwischen 1930 und 1949 freigelegt wurden. Diese Kapelle wurde während der Reformation aufgelassen und steht heute leer. Im 15. Jh. erfolgte eine Überbauung des Grabens um Platz für eine Erweiterung zu gewinnen. Damals wurde der Bergfried mit dem Palas durch den zweigeschossigen Mitterstock verbunden. Es entstanden ein schmaler trapezförmiger Hof sowie der alte Rittersaal, der damals größte Raum der Anlage. Seine Renaissancetüren wurden allerdings erst am Ende des 16. Jh. eingebaut. Eine besondere Note erhält er durch das aufgeputzte Netzgratgewölbe, das aber keine tragende Funktion hat.

Im 16. und 17. Jh. wurden die Schlossbauten vereinheitlicht und bedeutend erweitert. Zur Deckung des neu angelegten Grabens wurde an der Südseite ein mächtiger fünfeckiger Kanonenturm errichtet. Ein italienischer Festungsbaumeister erbaute den mehrgeschossigen Kasemattenflügel. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden eine weitere Vorburg mit über Eck gestellten Türmen sowie der Nordtrakt. Der neue Rittersaaltrakt mit dem aufgesetzten achteckigen Uhrturm wurde über dem überbauten zweiten Halsgraben aufgeführt. Die Tiefe des Grabens wurde für die Anlage gewaltiger Kellerräume genutzt. In der Glockenstube hängt eine Glocke aus dem Jahr 1448. Im Erdgeschoß liegt die St. Georgskapelle von 1648. Ihre prächtige Stuckdecke ist ein Werk von Alexander Serenio. Sie zeigt das Allianzwappen Herberstein-Galler. Im Zentrum des figural reich verzierten Hochaltar-Aufsatzes steht eine Reiterstatue des hl. Georg. Der nahezu quadratische „Rittersaal“ im Obergeschoß, dessen Stuckdecke ebenfalls Alexander Serenio zugeschrieben wird, war bereits als Ahnengalerie geplant. Der großzügige Florentinerhof ist mit Ausnahme der bereits 1561 vollendeten Nordseite von südländisch wirkenden, hellen Bogengängen umgeben. Im hohen Erdgeschoß sind es Pfeilerarkaden, im Obergeschoß Säulenarkaden. Darüber schließt eine umlaufende Balustrade die drei Trakte ab. Die Dachzone des Rittersaal-Traktes ist durch eine reich gegliederte Schaufront mit Blendnischen halb verdeckt. In der Hofmitte befindet sich eine Zisterne mit einer sechseckigen Balustradeneinfassung. Im äußersten Osten der Anlage liegt die einzige Schauseite des Schlosses zwischen zwei klobigen Ecktürmen, auf deren Zeltdächern kleine Zwiebeln aufgesetzt sind. Sie wird vor allem durch den in den Florentinerhof führenden Portalbau bestimmt, der mit den Figuren von Mars und Minerva geschmückt ist. Über ihren Köpfen wird in zwei Kartuschen das beliebte Barockthema Marte et Arte, also Kunst und Krieg angesprochen, womit auf die Bauherren des Schlosses hingewiesen wird. Darüber halten zwei Löwen das Familienwappen Herberstein/Breuner. Ein Chronogramm zeigt die Jahreszahl 1667. Ganz oben thront die Statue der Gottesmutter mit dem Jesuskind. Dieses Portal wurde von Anton Solar und Alexander Serenio geschaffen. Es ist der einzige Zugang zum Schloss. Die Ecktürme sind noch Reste der gotischen Vorburg.

Die im Schloss befindlichen Möbel gehören zum Großteil dem Historismus des 19. Jahrhunderts an. Daneben gibt es aber auch zahlreiche historische Exponate. Ein Prunkstück ist jedenfalls der große Hallenschrank, den Prinz Eugen seinem General Leopold Graf Herberstein schenkte. Er ist mit vier Kampfszenen aus den Türkenkriegen bemalt. Bemerkenswert ist, dass bei seiner Konstruktion keine Schrauben und Nägel verwendet wurden und dass er in wenigen Minuten zerlegbar und wieder herstellbar ist. Ein Salon im Südflügel weist eine prächtig intarsierte Kassettendecke (um 1590) auf, die 1860 aus Schloss Neuberg hierher übertragen wurde. Sie zählt zu den schönsten österreichischen Intarsienplafonds. Die Portraitsammlung umfasst alle wichtigen Familienmitglieder der steirischen Hauptlinie von Georg dem Breiten (1562) bis in das 20. Jh. Im Schloss hängen etwa 100 personenbezogene Gemälde. 1930 wurde die Sammlung durch die Verlagerung der Galerie aus dem Schloss Grafenstein, das der schlesischen Linie gehörte, wesentlich bereichert. Interessant ist ein großformatiges detailreiches Gemälde im Sattelgang, das den Einzug Johann Bernhards II von Herberstein als Landeshauptmann in Gloggau 1672 zeigt. Es weist über 500 Personen auf. Ebenfalls vom schlesischen Familienzweig stammen die prächtigen Wappenteppiche mit dem Allianzwappen Herberstein-Annenberg im Sattelgang. Die dort hängenden Schlösserbilder zeigen schlesische Besitzungen der Familie. Ein bemerkenswertes Familien-Kleinod ist die Herbersteiner Taufgarnitur. Sie besteht aus dem reich verzierten Becken und einer Kanne. Beides ist aus Silber getrieben und vergoldet. Die Garnitur wurde um 1575 von Ulrich Schönmacher in Augsburg gefertigt. Sie wird noch heute bei den Taufen der Herberstein-Kinder verwendet. Außer dem Familienmuseum im alten Palas befinden sich im Schloss noch verschiedene andere Sammlungen – von Waffen bis zum Porzellan. Die Gartenkultur auf Herberstein reicht bis in das 16. Jh. zurück. Eine Besonderheit stellt der um 1650 angelegte Zier- und Lustgarten beim Meierhof dar. Er wurde zwar bereits 1720 verändert und dann im 19. Jahrhundert durch einen Nutzgarten und später durch Tiergehege ersetzt. Seit 1997 gelang es, diesen historischen Garten wieder herzustellen.

Lage: Steiermark/Oststeiermark – ca. 20 km südwestlich von Hartberg

Besichtigung: von April bis Oktober täglich Führungen um 12.00, 13.00, 14.00, 15.00 und 16.00

Homepage: www.herberstein.co.at


Weitere Literatur:


23.07.2004