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Hofburg - Michaelertrakt


In seinem monumentalen Entwurf zur Neugestaltung der Hofburg sah Johann Lucas von Hildebrand 1724 einen großen halbzylindrischen Baukörper am Michaelerplatz vor, der von einer Kuppel überragt wurde. Aus Kostengründen fand diese Gesamtplanung bei Kaiser Karl VI aber keinen Anklang. Joseph Emanuel Fischer von Erlach musste drei neue Projekte entwerfen. Sie enthielten vorerst keine zentrale Kuppel. Schließlich begann er mit dem Bau des an die Winterreitschule anschließenden Gebäudeflügels, doch blieb dieser gegen 1735 unvollendet. Spätere Abbildungen zeigen eine halbfertige, bis zum Kranzgesims gediehene Rotunde. Das Ganze machte einen etwas ruinenhaften Eindruck. Unter den folgenden Habsburgern wurde der provisorische Status quo beibehalten. An der Stelle des linken Flügels des heutigen Michaelertraktes befand sich nämlich seit Kaiser Ferdinands I Zeiten ein kleines Ballhaus, in dem die Hofgesellschaft Federball spielte. Maria Theresia erlaubte 1740 dem Hofmusikus Johann Selliers diese Sportstätte in ein Komödienhaus umzuwandeln, das sowohl dem Hof als auch dem besseren Publikum zur Verfügung stehen sollte. Nach mehreren Umbauten hatte es 1760 seine endgültige Gestalt gefunden. Hier wurde fast 130 Jahre lang Theatergeschichte geschrieben und das berühmte Burgtheaterdeutsch gepflegt. Das Hofburgtheater war ein Treffpunkt der Wiener Gesellschaft. Die Hofloge war durch einen Gang mit den Kaiserappartements verbunden.

1888 fand die letzte Vorstellung statt. Kurz danach wurde das Theater abgerissen. Inzwischen war es durch das neue Burgtheater an der Ringstraße ersetzt worden. Erst jetzt bestand die Möglichkeit, die Lücke in der Hofburg zwischen dem Reichskanzleitrakt und der Winterreitschule zu schließen und ein repräsentatives Portal zu errichten. Der bereits 72 Jahre alte Burghauptmann Ferdinand Kirschner übernahm diese Aufgabe, wobei er sich auf die Pläne des Architekten Joseph Emanuel Fischer von Erlach stützte, die nach dem Bau des Reichskanzleitraktes unausgeführt geblieben waren. Dennoch ist der Torbau des Michaelertraktes ein eigenständiges Werk der späthistoristischen Wiener Ringstraßenära. Er wurde von nicht ausgeführten Entwürfen Nicolaus Pacassis (1769) und Carl von Hasenauers (1888) stark beeinflusst. Die Bauarbeiten konnten nach vierjähriger Bauzeit 1893 fertig gestellt werden. Als Baumaterial wurde weitgehend Zogelsdorfer Sandstein verwendet. Bis zum Ende der Monarchie diente das Michaelertor als wichtigste Einfahrt in die Hofburg. Erst im Jahr 1919 wurde die Durchfahrt für die Öffentlichkeit freigegeben. In den Jahren 1987/88 erfolgte eine umfangreiche Außenrestaurierung, der 1990 eine Innenrestaurierung der Kuppel folgte.

Der Michaelertrakt begrenzt mit seinen konkaven Flügeln die Südostseite des Michaelerplatzes. Er erstreckt sich zwischen der Winterreitschule und dem Reichskanzleitrakt. Die große Mittelkuppel und die beiden Seitenkuppeln geben dem Gebäude einen imperialen Ausdruck, so dass kaum einer der stets zahlreich fotografierenden Touristen auf den Gedanken kommen würde, das mit ihm erst 25 Jahre vor dem Ende der Monarchie ein Jahrhunderte altes Provisorium beseitigt wurde. Kunsthistorisch bedeutender als die beiden Flügel ist das Michaelertor. Der gewaltige Rotundenbau ist Wiens größtes Durchhaus. Das Hauptgesims des Portalbaues wird von vier kannelierten Säulenpaaren getragen. Die großen Figurengruppen auf der darüber befindlichen Attika schuf der Bildhauer Johann Benk. Sie symbolisieren die drei Tugenden, die jeder Herrscher haben sollte – Gerechtigkeit, Weisheit und Stärke. Unmittelbar über dem Haupttor sind das von zwei Genien getragene kaiserliche Wappenschild von Johann Silbernagel sowie eine Bauinschrift angebracht. Die Eingänge in die Rotunde werden von vier riesigen Heraklesfiguren flankiert, die von verschiedenen Bildhauern stammen (Edmund Hofmann, Anton Paul Wagner, Johann Scherpe und Josef Lax). Sie entsprechen den Heraklesgruppen, die Lorenzo Mattielli an der Burghofseite schuf. Bereits Fischer von Erlach hatte an den geschwungenen Fronten am Michaelerplatz große Nischen für Denkmäler vorgesehen. Kirschner ließ hier zwei monumentale Brunnen aus Laaser Marmor anbringen, deren Skulpturen die Macht und Glorie Österreichs symbolisieren sollten. Die „Macht zur See“ an der Fassade zur Reitschule hin, wurde von Rudolf Weyr und die „Macht zu Lande“ an der Ecke zur Schauflergasse von Edmund von Hellmer gestaltet.

Die mächtige, mit Kupferblech gedeckte Kuppel über der Rotunde wirkt wie ein riesiger Kaiserbaldachin. Sie ist mit vergoldeten Schabracken geschmückt und wird im Inneren durch vergitterte Ochsenaugen beleuchtet. Ihre Höhe beträgt außen 54 m und innen 35 m. Ähnlich gestaltet, aber etwas kleiner sind die beiden Seitenkuppeln. Neben der Durchfahrt für die Wagen bzw. die Autos führen zwei große Seitenportale für Fußgänger in die Rotunde hinein. Der obere Teil der Einfahrt wird von einem qualitätvollen handgeschmiedeten Ziergitter abgeschlossen. An den Wänden des linken Fußgängereinganges sind die „Fürsorge des Kaisers“ (Providentia Augusti) und die „Hoffnung des Vaterlandes“ (Spes Publica) allegorisch dargestellt. Der rechte Durchgang zeigt die „Frömmigkeit des Kaisers“ (Pietas Augusti) und die „Treue des Volkes“ (Fides Publica). An der linken Seite hat sich das ehemalige Bühnentürl des alten Burgtheaters als Fenster erhalten. Zum Michaelerplatz hin findet man in den Passagen zwei Figurengruppen, den „Auszug des Herrschers in den Krieg“ von Otto König und die „Siegreiche Heimkehr“ von Stefan Schwartz. Von der großen Rundhalle führen zwei Stiegen in die beiden anschließenden Trakte empor. Die Batthyány-Stiege ist nach Karl Graf Batthyány benannt, einem General Prinz Eugens, der später Erzieher und Obersthofmeister Kaiser Josefs II wurde. Sie führte bis zum Untergang der Monarchie in die Amtsräume der gefürchteten Obersthofmeisterkanzlei. Die gegenüberliegende Feststiege ist eine imposante, späthistoristische, dreiarmige Treppe. Im Erdgeschoß befindet sich rechts der Eingang zu den sehenswerten Schauräumen der Hoftafel- und Silberkammer sowie der Kaiserappartements. Links wurde 2003 ein neues Foyer für die Spanische Hofreitschule geschaffen. In der Ausfahrt zum Inneren Burghof stehen in Pfeilernischen vier Skulpturengruppen, die die Wahlsprüche der Kaiser Karl VI, Maria Theresia, Josef II und Franz Josef II symbolisieren. Sie stammen aus den Ateliers der Bildhauer Anton Brenek, Richard Kauffungen, Franz Becher und Josef Beyer. Die Räume der Beletage des Michaelertraktes sind mit vergoldeten Stuckdecken und Türen aus der Jahrhundertwende ausgestattet. Drei Gemälde von Josef Fux in prunkvollen Eichenholzrahmen zeigen den Festzug für die Silberhochzeit Franz Josephs und Elisabeths.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Michaelerplatz

Besichtigung: die Rotunde ist jederzeit zugänglich, die Kaiserappartements und die Hofsilberkammer täglich von 09.00 bis 17.00 (Juli/August 09.00 – 17.30)

Homepage: www.hofburg.at


Weitere Literatur:


03.07.2004