ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Gartenpalais Liechtenstein


Das Gartenpalais Liechtenstein zählt zu den ältesten adeligen Sommerpalästen Wiens. Schon 1658 erwarb Fürst Johann Adam Andreas I von Liechtenstein von der Familie Auersperg einen Haus- und Weingarten in der Roßau, den er später mehrmals durch Zukäufe erweitern ließ. Bei den ersten Planungen war noch Johann Bernhard Fischer von Erlach führend beteiligt. Er dürfte den Generalplan für das riesige Grundstück, das bis über die heutige Lichtentaler Kirche hinaus reichte, entworfen haben. Neben dem Palais und der Kirche waren auch eine Mustersiedlung und ein Brauhaus vorgesehen. 1689 wurde nach seinen Plänen am anderen Ende des vorgesehenen Parks ein Belvedere erbaut. Gleichzeitig gestaltete Jean Trehet den lang gestreckten Garten und errichtete eine Orangerie. Mit der Errichtung des wichtigsten Teiles der Anlage, dem Palais, wurde Domenico Martinelli beauftragt, nachdem bereits 1690 Domenico Egidio Rossi einen detaillierten Entwurf vorgelegt hatte. Dieser enthielt bereits den zentralen Festsaal und die beiden repräsentativen Treppenhäuser. Der Baubeginn verzögerte sich jedoch um Jahre. Zuerst musste der 1691 vorgesehene italienische Bauführer Antonio Riva auf Grund eines Protestes der Wiener Maurerzeche durch den einheimischen Hofmaurermeister Lorenz Laher ersetzt werden. Dann verlangte Fürst Liechtenstein vom römischen Architekten Carlo Fontana einen neuen Entwurf. Schließlich wurden aber die Pläne Martinellis ab 1697 durch Alexander Christiani ausgeführt, während Laher bis 1711 nur die Nebengebäude errichtete. 1704 war das Palais im Rohbau fertig.

Die Ausgestaltung des Inneren zog sich bis 1709 hin. Sie erfolgte durch die besten Künstler Wiens, wie den Bildhauer Giovanni Giuliani, den Stukkateur Santino Bussi und die Maler Marcantonio Franceschini und Johann Michael Rottmayr, sowie Andrea Pozzo. Franceschini war jedoch nicht dazu zu bewegen, nach Wien zu kommen. Er schuf seine Gemälde in Öl auf Leinwand in Italien. Diese wurden nach Wien gebracht und an den Decken montiert. Es entstand eine geschlossene, palazzoartige Stadtvilla im römischen Stil. Als Sommerpalast waren die Räume nur zum Repräsentieren bestimmt. Sie sind so groß, dass sie praktisch unbeheizbar waren. Daher wurden sie auch bald nicht mehr bewohnt. Ab 1807 übersiedelte allmählich die berühmte Liechtenstein’sche Gemäldegalerie aus dem Majoratshaus in der Bankgasse hierher. 1940 zählte sie 1613 Werke. Aus Sicherheitsüberlegungen wurde sie aber am Ende des Zweiten Weltkrieges nach Vaduz transferiert. Auch die große Bibliothek und das Familienarchiv wurden ins Fürstentum verbracht. Von 1957 bis 1978 diente das Palais dem Österreichischen Bauzentrum als Domizil für seine Dauerausstellung. Bis zu seiner Übersiedlung ins neue Museumsquartier 2001 war ab 1979 das „Museum Moderner Kunst“ im Palais untergebracht. Das Palais ist auch heute noch im Besitz der Fürsten Liechtenstein. Es wurde in den letzten Jahren prächtig renoviert. Vor allem die Restaurierung der Ölbilder und Fresken war recht aufwändig. Seit heuer (2004) beherbergt es wieder die Liechtenstein’sche Gemäldegalerie, eines der exquisitesten Kunstmuseen Wiens und zugleich vermutlich die größte Privatsammlung der Welt. Von Rubens bis Waldmüller finden sich hier Meisterwerke der berühmtesten europäischen Maler.

Das Liechtenstein’sche Gartenpalais ist einer der bedeutendsten und besterhaltenen Adelspaläste Wiens. Es ist ein monumentaler, rechteckiger Baublock von 13 Fensterachsen an der 75 m langen Hauptfront und 7 Achsen an den Seitenfronten. Als Fassadendekoration dienen nur eine große Pilasterordnung sowie die profilierten Fensterverdachungen. Der seichte fünfachsige Mittelrisalit ist leicht überhöht. Der gesamte Mittelteil wird im Erdgeschoß vom Vestibül und der großen Sala terrena eingenommen. Diese war einst nach beiden Seiten hin offen und diente als Durchfahrt in den Park. Die fünf Rundbögen der Pfeilerhalle mussten jedoch später aus klimatischen Gründen verglast werden. Dies war vor allem für die Deckenfresken Rottmayrs wichtig, die bereits unter der Witterung gelitten hatten. In der Sala terrena stehen zwei bedeutende Skulpturen Giulianis, die nach Vorbildern von Massimiliano Soldani geschaffen wurden: der tanzende Faun und die sterbende Kleopatra. Auch der Goldene Wagen des Fürsten Joseph Wenzel von Liechtenstein ist hier ausgestellt. Die an die Sala terrena anschließenden sechs Erdgeschoßräume sind mit 26 Fresken mythologischen Inhalts von Johann Michael Rottmayr geschmückt. Sie sind von Stuckreliefs Santino Bussis eingefasst. Als das Majoratshaus in der Herrengasse kurz vor dem Ersten Weltkrieg abgerissen wurde, verlegte man die große Bibliothek mit ihrer von Joseph Hardtmuth geschaffenen klassizistischen Einrichtung sowie einen großen Teil des Hausarchivs der Familie Liechtenstein in das Erdgeschoß des Gartenpalais. Hier befand sich ursprünglich die Wohnung des Hausherrn. Die gegenüberliegenden drei Räume des Damenapartements weisen besonders schöne Stuckarbeiten von Santino Bussi auf.

An die vordere Halle schließen die beiden symmetrisch angeordneten Treppenhäuser an. Sie führen zum Zentralraum des Palais, dem großartigen Marmorsaal, auch Herkulessaal genannt. Dieser erstreckt sich sowohl über das Haupt- als auch über das Mezzaningeschoß. Er ist 25 m lang und 16 m hoch. Zwischen 16 Riesenhalbsäulen aus rotem Kunstmarmor mit vergoldeten Kapitellen sind große Ölgemälde eingelassen. Mit zwei großen, reich verzierten Kaminen aus grauem Kunstmarmor versuchte man den Riesensaal zu beheizen. Ursprünglich führten fünf hohe Türen aus dem Saal in die dahinter liegende Große Galerie, doch wurden vier davon zu Beginn des 19. Jh. zugemauert als das Palais erstmals als Museum eingerichtet wurde und man in der Galerie Wandflächen für die großen Gemälde des Decius-Mus Zyklus von Rubens benötigte. Höhepunkt der malerischen Ausstattung des Palais ist das große Deckenfresko im Herkulessaal. Es wurde in den Jahren 1704 bis 1708 vom Jesuitenbruder Andrea Pozzo geschaffen und stellt die Heldentaten des Herkules dar. Der Marmorsaal ist einer der beeindruckendsten Barocksäle Wiens. Er wurde im 19. Jh. klassizistisch dekoriert, doch wurden diese Eingriffe in die Originalsubstanz zu Beginn des 20. Jh. rückgängig gemacht. In weiteren Sälen findet man Wandmalereien von Antonio Belluci und Marcantonio Franceschini. Anlässlich der jüngsten Restaurierung wurden im Sommer 2002 in den beiden Treppenhäusern die verloren geglaubten Fresken Rottmayrs entdeckt. Sie waren seit 1810 unter Ölbilder des Venezianers Antonio Belluci versteckt, die dieser für das Stadtpalais in der Bankgasse gemalt hatte. Als Rottmayrs Fresken zum Teil durch einen Wassereinbruch zerstört worden waren, hatte man einfach Bellucis Gemälde darüber befestigt. Die Fresken sind zwar sehr beschädigt, können aber wiederhergestellt werden. Die entsprechenden Arbeiten sind bereits im Gange.

Der Liechtensteinpark ist heute der älteste, noch vorhandene, feudale Schlosspark Wiens und zugleich der erste, der nach der Beendigung der Türkengefahr entstanden ist. Die prachtvolle barocke Gartenanlage erstreckte sich bis an den Alserbach, wo das Belvedere den optischen Abschluss bildete. 1814 wurde dieser Garten unter Feldmarschall Johann Fürst von Liechtenstein in einen englischen Landschaftspark umgewandelt. Die meisten der zahlreichen barocken Gartenplastiken wurden damals verkauft. Von Giulianis Werken haben sich nur einige Vasen und zwei monumentale Statuen erhalten. Seine Skulpturen auf den Nebengebäuden wurden schon vor Jahrzehnten durch Kopien ersetzt. 1814 ließ Josef Kornhäusel die Mauer mit den Nebengebäuden an der Fürstengasse abreißen und an ihrer Stelle einen klassizistischen Triumphbogen und einen Zaun errichten, so dass das bis dahin abgekapselte Ensemble zur Stadt hin geöffnet wurde. Der kahle Ehrenhof wurde gleichzeitig durch kleinteilige Grünanlagen etwas freundlicher gestaltet. Im Jahre 1873 wurde das bereits mehrfach umgebaute Belvedere abgetragen. An seiner Stelle errichtete Heinrich von Ferstel das Neue Palais Liechtenstein. Der historische Garten hinter dem Gartenpalais wird derzeit rekonstruiert. Er geht in den Landschaftspark des 19. Jh. über, hinter dem das Neue Palais Liechtenstein liegt. Im Mittelpunkt des Gartens steht eine Brunnennymphe von Franz Anton Zauner.

Ort/Adresse: 1090 Wien, Fürstengasse 2

Besichtigung: täglich außer Dienstag von 09.00 bis 20.00

Homepage: www.liechtensteinmuseum.at


Weitere Literatur:


26.05.2004