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Spitz - Niederhaus


Das Gebiet um Spitz war Teil einer Schenkung Karls des Großen an das Kloster Niederaltaich. Diese Schenkung wurde 830 von seinem Sohn, Ludwig den Frommen, bestätigt. Niederaltaich gab den Großteil seines Besitzes als Lehen an die Grafen von Bogen und nach deren Aussterben 1242 an die Herzöge von Bayern weiter. Diese behielten einen Teil als Hofmark und machten aus den Burgen Niederhaus und Oberhaus ein Afterlehen, das sie an verschiedene österreichische Ministerialenfamilien weitergaben. Nach den Kuenringern, die die Vogtei über den Niederaltaicher Besitz ausübten, sind hier ab 1290 die Herren von Grünburg und die Capeller zu nennen. 1355 besaßen die Wallseer die Herrschaft, die aber bereits drei Jahre später den Maissauern als Pfandbesitz gehörte. 1440 fiel der umfangreiche Besitz, zu dem auch Schwallenbach und Zeißing zählte, an die Neidegger. 1504 traten die Herzöge von Bayern ihre Oberherrschaft an Kaiser Maximilian I als Gegenleistung für dessen Vermittlung im bayerischen Erbfolgestreit ab. Von den Rechten des Klosters Niederaltaich war damals schon keine Rede mehr. Dieses exterritoriale Gebiet im Herzen Österreichs war dem Kaiser schon lange ein Dorn im Auge gewesen. Er verkaufte es 1507 als freies Eigen seinem Hofmeister Eitelfritz von Zollern. Dessen Sohn veräußerte die Herrschaft ein Jahr später an Bernhard Kirchberger von Kirchberg. 1590 kam sie durch Heirat an Matthias Freiherrn von Teufel, der sie noch im gleichen Jahr an Hans Georg von Kuefstein verkaufte. 1646 fiel Spitz – neuerlich durch Heirat – an Hans Ehrenreich Geyer von Osterburg. Otto Lorenz Graf von Abensperg-Traun war 1667 der neue Käufer. Von 1674 bis zur Grundentlastung gehörte die Herrschaft Schwallenbach-Zeißing-Spitz den Grafen Dietrichstein.

An der Stelle des heutigen Schlosses befand sich bereits im 13. Jahrhundert eine kleine Burg. Sie wird 1243 erstmals genannt. 1256 wird hier ein Ritter Arnold von Spitz erwähnt, der zum Gefolge der Kuenringer gehörte. Während des Vormundschaftsstreites zwischen Herzog Leopold und Herzog Ernst wurde dieser Bau 1409 durch den Söldnerführer Hans Stickelberger zerstört. Er wurde erst zu Beginn des 16. Jh. wieder aufgebaut, als Spitz in österreichische Oberhoheit übergegangen war. Niederhaus diente nun an Stelle der Burg Hinterhaus als Herrschaftssitz und wurde von den jeweiligen Grundherren auch bewohnt. Ab 1569 hielt sich der Rostocker Theologe David Chyträus, ein Schüler Melanchthons, auf Einladung des Schlossherrn Wilhelm Kirchberger längere Zeit hier auf und arbeitete eine Kirchenagenda aus. Während des Bauernaufstandes von 1597 hatte der Bauernhauptmann im Schloss sein Quartier genommen. Als kaiserliche Truppen des Regiments Bouquoy 1620 Markt und Schloss niederbrannten, weil sich der Schlossherr dem Horner Bund angeschlossen hatte, zerstörten sie auch die erst fünf Jahre zuvor errichtete protestantische Schlosskirche. Obwohl das Schloss von Hans Lorenz von Kuefstein bald größer und schöner neu erbaut wurde, kam es nicht mehr zur Wiedererrichtung der Schlosskirche. Ihre Ruinenreste sind noch vorhanden. 1662 verursachte ein Großbrand neuerlich schwere Schäden. Beim anschließenden Wiederaufbau verzichtete man auf das zweite Stockwerk. 1861 befand sich Niederhaus im Besitz der Gräfin Therese Herberstein, geb. Dietrichstein. 1870 ging es an Erwin Graf Schönborn-Puchheim und ein Jahr später an den Wiener Bürgerspitalfonds, der dann von der Stadt Wien abgelöst wurde. Niederhaus diente in erster Linie als Forstamtsgebäude. Ansonsten war es vermietet. Seit einigen Jahren ist der Bau im Besitz der Marktgemeinde Spitz, die ihn vorwiegend für Ausstellungen und andere kulturelle Zwecke nützt. Das bereits stark abgewohnte Gebäude wurde in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt fachgerecht restauriert.

Schloss Niederhaus liegt westlich des Ortszentrums von Spitz am Nordabfall des Tausendeimerberges. Über die Schlossstraße gelangt man an mittelalterlich anmutenden Mauern vorbei und durch vier Strebebögen zum vorspringenden dreigeschossigen Torturm, der den ortseitigen Zugang sicherte. Möglicherweise befand sich hier ursprünglich ein Zwinger. Das in die Ortsverbauung integrierte Schloss ist ein vierseitiges zweigeschossiges Gebäude um einen großen Innenhof. Es ist heute weder besonders wehrhaft noch besonders repräsentativ. Der größte Teil der heutigen Bausubstanz entstand in der Zeit nach 1600. Lediglich der Nordflügel stammt im Kern noch aus dem 15. Jh. Die Rechteckfenster der wenig spektakulären Außenfront haben noch teilweise ihre originalen Steingewände behalten. Drei Rundbogenportale führen in den Innenhof. Über dem Haupttor kragt das Obergeschoß mit zwei Fenstern auf Konsolen leicht vor. Die drei zuvor vermauerten Rundbogenarkaden wurden bei der letzten Restaurierung geöffnet. Ihre toskanischen Säulen kommen nun wieder zur Geltung. An der Nordostecke deutet das kleinteilige Bruchsteinmauerwerk auf eine Errichtung zu Beginn des 14. Jh. hin. Rechts vom Hauptgebäude liegen die Reste der ehemaligen Schlosskirche, die von der Bevölkerung irrigerweise auch als Judentempel bezeichnet wird. An einer Seite des unregelmäßigen Hofes läuft auf Konsolen ein offener Gang entlang. Über einem mit Perlstabdekor geschmückten Tor ist ein schönes steinernes Allianzwappen der Kuefstein-Neidegg angebracht. Das Portal im Nordflügel ist mit Schuppendekor und einem Engelskopf geschmückt. Das Steinwappen Dietrichstein-Questenberg darüber zeigt die Jahreszahl 1690. Im zum größten Teil modernisierten Inneren ist eine ehemalige Halle im Obergeschoß interessant, deren stuckverziertes Stichkappengewölbe auf Wandpfeilern ruht. Einfache Stuckdekorationen finden sich auch in einigen Zimmern des ersten Stocks. Die tonnengewölbten Kellerräume im Westtrakt stammen noch aus dem 15. Jh. Die Umfassungsmauer des ehemaligen Schlossgartens ist mit zwei runden Ecktürmen verstärkt, die Kegeldächer aufweisen. Gegenüber dem Haupteingang steht ein barockes steinernes Gartentor mit Rollwerkornamentik. Der einstige Schlossgarten dient heute als Parkplatz. Unweit davon, nordwestlich vom Schloss, erhebt sich ein gemauerter Torbogen mit Volutenaufbauten und vereinfachten Obelisken.

Lage: Niederösterreich/Wachau – ca. 20 km südwestlich von Krems

Besichtigung: der Hof ist frei zugänglich


Weitere Literatur:


27.04.2004