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Guntramsdorf


Aus einer undatierten Urkunde geht hervor, Heinrich II von Kuenring während der Regierungszeit des Herzogs Leopold III (1095 – 1136) hier eine Burg besaß, nach der er sich auch Heinric de Gundrammisdorf nannte. Allerdings ist nicht bekannt, ob sich diese Burg auch an der Stelle des späteren Schlosses befand. Um 1200 kam Guntramsdorf an die Herzoge von Mödling und dann 1246 an die Herren von Guntramsdorf. Letztere waren Gerfolgsleute der Pottendorfer. 1365 veräußerten sie die Herrschaft an Herzog Albrecht III. Dieser ließ ein neues Schloss mit einem sechsgeschossigen Turm errichten. 1447 gelangte es an Heinrich Haiden, dem auch Achau gehörte. Es wurde 1529 von den Türken schwer beschädigt und danach umgebaut. Sein damaliges Aussehen ist auf einem Vischer-Stich von 1672 abgebildet. 1599 war Freiherr Hans Christoph von Wollzogen im Besitz der Herrschaft. Ihm folgte 1608 Wolfgang Furt von Furtenburg. 1711 ließ Fürst Hartmann von Liechtenstein, den Bau niederreißen und auf seinen Fundamenten ein barockes Schloss errichten. Es war ein zweigeschossiger rechteckiger Bau. An den dreiachsigen giebelgekrönten Mittelrisalit schlossen sich zweiachsige Seitenrisalite an. Die Fassade des Mittelteiles war sowohl an der Eingangs- als auch an der Gartenfront durch ionische Riesenpilaster gegliedert. Unmittelbar vor dem Hauptgebäude befand sich eine Textilfabrik des Michael Peyerl, der aber 1772 in Konkurs ging. Der Herrschaftssitz befand sich schon seit 1759 in dem von Karl Leopold von Moser erworbenen Traunerhof. In der zweiten Hälfte des 18. Jh. gelangte das Schloss an Adam Fürst Batthyány. Ein geplanter Verkauf an den Kaiser kam nicht zustande. Schließlich erwarb es 1782 Josef Lepper und richtete darin eine Leinwand- und Tüchel-Druckfabrik ein. Nach dem Wiener Großhändler Simon Jankovich (1808) und der Familie Moser (1827) kam Schloss Guntramsdorf 1844 an Johann und Anna Kühn. Nach diesen Besitzern wurde es auch Kühnhof genannt.

1898 brachte es Frieda Kühn in ihre Ehe mit Dr. Max Hussarek von Heinlein ein, der 1918 kurzzeitig Ministerpräsident von Österreich-Ungarn wurde. 1938 wurde das bereits vernachlässigte Schloss von der deutschen Wehrmacht besetzt, der 1945 die russische Armee folgte. Die Möbel waren bald verheizt bzw. gestohlen. Nach dem Krieg erhielt die Familie Hussarek-Heinlein das Gebäude zwar wieder zurück, doch war es bereits so stark devastiert, dass man es 1951 abreißen ließ. Lediglich der ebenfalls desolate barocke Gartenpavillon entging diesem Schicksal. Frieda von Hussarek verkaufte ihn schließlich an den Verein für Denkmal- und Stadtbildpflege. 1963 ging er in den Besitz der Marktgemeinde Guntramsdorf über. Mittlerweile hat man seine Bedeutung erkannt. Er ist einer der qualitätsvollsten hochbarocken Gartenpavillons Österreichs und steht unter Denkmalschutz. Nach einer hervorragenden Renovierung dient er dem Standesamt als Trauungssaal und wird für kulturelle Veranstaltungen genützt. Der Pavillon steht in der Nordostecke des ehemaligen Schlossareals, von dem heute sonst nichts mehr zu erkennen ist, da sich an seiner Stelle eine Wohnsiedlung befindet. Einige Fragmente von Gartenfiguren sind im Guntramsdorfer Heimatmuseum ausgestellt.

Der Gartenpavillon ist ein kleiner rechteckiger Bau mit einem pagodenartigen Mansardendach aus Holzschindeln. Seine Schauseite ist dem Ort zugewendet. Sie wird von einer prächtigen Freitreppe dominiert, die die gesamte Gebäudebreite einnimmt. Von ihrem ersten Absatz aus ist das Untergeschoß durch ein einfaches korbbogiges Portal zugänglich. Danach wird sie zweiteilig und erreicht über zwei seitliche Absätze die Altane des Obergeschosses. Ihren besonderen Reiz erhält die Treppe durch ihr Steingeländer, das auf mit Arabesken verzierten Pfeilern ruht. Die Fassade des Obergeschosses ist durch Lisenen gegliedert. In der Mitte führt eine, mit einem Dreiecksgiebel bekrönte Tür in den dahinter befindlichen Saal. Seitlich davon befindet sich je ein mit einem Keilstein und Nabelscheiben verziertes Fenster. Die Rückseite des Gebäudes weist im Erdgeschoß drei Türen auf, denen im ersten Stock drei Fenster entsprechen. Allerdings ist das mittlere vermauert. Der Saal ist völlig mit Fresken bedeckt. Sie zeigen neben Grotesken und Bandlwerk vor allem chinesisch-indische Hofszenen und exotische Tiere. Das zentrale Deckenfresko stellt ein Gastmahl unter einem Zeltdach dar. Die Ecken der Wände sind mit gemalten Fantasiepilastern geschmückt. Als Maler gilt Jonas Drentwett, der dieses Werk wenige Jahre vor seinem Tod 1728 vollendet haben dürfte. Man nimmt an, dass es sich beim Architekten des Pavillons um Johann Lukas von Hildebrandt handelt, der für die Fürsten Liechtenstein damals mehrfach tätig war. Er arbeitete mit Drentwett auch beim Obersiebenbrunner Gartenpavillon zusammen. Der Guntramsdorfer Pavillon dürfte einige Jahre später als das Schloss – vielleicht um 1715 – entstanden sein. Einige Kunsthistoriker vermuten im Schöpfer des Pavillons eher einen Schüler Hildebrandts.

Lage: Niederösterreich/Wiener Becken – ca. 5 km südöstlich von Mödling

Besichtigung: nach Anfrage beim Gemeindeamt möglich


Weitere Literatur:


23.04.2004