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Neu-Scharnstein


Der Pfandinhaber der landesfürstlichen Burg Alt-Scharnstein, Johann Fernberger von Eggenberg, ließ 1537 auf einer Anhöhe über dem linken Ufer der Alm ein Pfleghaus errichten. Als ein Jahr später ein Brand die Burg vernichtete, wurde die Verwaltung in dieses Gebäude, „Schafferleuthen“ genannt, verlegt. 1584 ging die Herrschaft, zu der ein großer Grundbesitz mit reichem Hochwild- und Fischbestand gehörte, als freies Eigen an den kaiserlichen Hofkammerpräsidenten Helmhart VIII Jörger über, der das Amtshaus drei Jahre später in einen prächtigen Renaissance-Herrensitz verwandelte. Auch ein Schlossgarten wurde angelegt. Helmhart war es auch, der in Scharnstein die ersten Sensenwerke erbaute und so einen bescheidenen Wohlstand in die Gegend brachte. Beim Bauernaufstand von 1595 vertrieben die Herrschafts-Untertanen den verhassten Pfleger Hans Reicher. Nachdem Gotthard von Starhemberg den Aufstand 1597 niedergeschlagen hatte, wurde ihr Anführer Georg Tasch in Steyr hingerichtet. 1606 war Neu-Scharnstein baulich vollendet. Es gehörte damals zu den bestausgestatteten Renaissanceschlösser des Landes. Maßgeblich dafür war u. a. der oberitalienische Bildhauer Johann Baptist Spatz. Der Steinmetzmeister Erhard Peundner schuf die Tor- und Fensterumrahmungen. Der wie die meisten seiner Familie protestantisch gesinnte Karl von Jörger war führend am Adelsaufstand von 1619/20 gegen Kaiser Ferdinand II beteiligt. Als Kommandant der rebellischen „Marchlandtruppen“ wurde er von der kaiserlichen Armee besiegt und auf der Flucht gefangen genommen. Seine Besitzungen wurden eingezogen. Er starb 1623 als Gefangener auf der Festung Oberhaus in Passau.

Jörgers Witwe versuchte für die hochverschuldete Herrschaft einen Käufer zu finden. 1624 gelang es dem Stift Kremsmünster Scharnstein zu erwerben. Abt Anton Wolfradt komplettierte die Innenausstattung und benützte das Gebäude vorwiegend als Jagdschloss und für gesellschaftliche Zwecke. Als 1683 die Residenzstadt Wien von den Türken bedroht wurde, ließ der Kaiser Teile seines Vermögens hierher in Sicherheit bringen. 1750 gehörten zur Herrschaft immerhin 572 Untertanen. 1787 wurde das Schloss zum letzten Mal umgebaut, wobei die prächtigen Holzdecken durch eingezogene Zwischenplafonds verdeckt wurden. Bereits 1797 mussten der große Saal und das Schlosstheater abgerissen werden. Auch der Schlossturm dürfte um diese Zeit abgetragen worden sein. Er befand sich in der Mitte der Südfassade. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war auch Scharnstein gezwungen, seinen Beitrag zur Ausgestaltung der Franzensburg in Laxenburg zu leisten. Die Decke des Prälatenzimmers sowie einige geschnitzte Türumrahmungen wurden Kaiser Franz I für sein Lieblingsprojekt „geschenkt“. 1806 quartierten sich die Franzosen ein und verursachten weitere Schäden. Großzügig erwies sich der Abt von Kremsmünster auch 1879 gegenüber Erzherzog Johann Salvator, dem er für sein Schloss Ort u. a. 34 eiserne Fenstergitter, drei bemalte Holzdecken, drei holzgeschnitzte Türen, einen Kamin und sechs Ölgemälde aus Schloss Neu-Scharnstein überließ. Dieses diente nunmehr vorwiegend Wirtschaftszwecken, war aber noch von einigen Mietparteien bewohnt. 1903 kam es zu einer weiteren Schädigung der Bausubstanz, als man sogar die Kapelle in eine Wohnung unterteilte, um die finanzielle Situation des Gutes zu verbessern. Im Zweiten Weltkrieg und in der Zeit danach wurden zahlreiche Flüchtlinge im einstigen Prunkschloss untergebracht. Zur notwendigen Beheizung wurden Türen, Fensterrahmen und Fußböden verwendet. Bei einer Bestandsaufnahme der baulichen Kunstwerke Österreichs in der Nachkriegszeit wurde Neu-Scharnstein als nicht mehr erhaltenswert befunden. 1967 erwarb Mag. Harald Seyrl das inzwischen von vielen Mietparteien bewohnte, aber bereits völlig verwahrloste Gebäude. Er ließ es grundlegend restaurieren und richtete 1973 in jenem Trakt, der bis 1848 das Landgericht beherbergte, das „Oberösterreichische Strafrechtsmuseum“ ein, aus dem nunmehr das mit dem Oberösterreichischen Gendarmeriemuseum vereinigte „Österreichische Kriminalmuseum“ hervorgegangen ist. Es zeigt hochinteressante Objekte aus der Geschichte des österreichischen Justizwesens. Außerdem sind im Schloss noch das Museum für Österreichische Zeitgeschichte und ein Reptilienzoo untergebracht. Im „Rittersaal“ und im Schlosshof finden gelegentlich Konzerte statt.

Schloss Neu-Scharnstein ist ein rechteckiger zweistöckiger Bau des 16. Jh. Ältester Teil ist der Westflügel, in dem noch die alte Schafferleithen-Taverne steckt. In ihm befindet sich auch heute wieder eine Schlosstaverne. Über dem Portal befindet sich eine Inschrift aus dem Jahr 1624, die auf die Übernahme des Schlosses durch das Stift Kremsmünster Bezug nimmt. Bei der Restaurierung von 1969 kamen überraschend viele Baudetails zutage, die bis dahin hinter dickem Mörtel oder Zwischendecken versteckt waren. Die große gewölbte Halle im ersten Obergeschoß wurde um 1600 mit mythologischen Gestalten und skurrilen Fratzen dekoriert. Das künstlerische Programm geht, dem damaligen Brauch entsprechend, vermutlich auf die Vorschläge des Schlossherrn zurück. Mit Malereien geschmückt ist auch das Prälatenzimmer, in dem der Abt von Kremsmünster bei seinen Besuchen wohnte. Zwischen Ornamenten finden sich hier verschiedene Landschaftsdarstellungen. In Sekkotechnik reich bemalt sind die Wände des Turmzimmers (um1600). In der Tafelstube blieb eine Holzdecke mit reicher ornamentaler Bemalung erhalten. Sie zeigt das Doppelwappen Georg Wilhelm Jörgers und seiner Gattin Felizitas Polheim. Der Tragbalken ist mehr als 10 m lang. Insgesamt gibt es noch acht bemalte Holzdecken im Schloss. Heraldische Darstellungen weisen immer wieder auf die Familie Jörger hin. Auch etliche schöne Portale konnten wiederhergestellt werden. Eindrucksvoll ist auch der wiederhergestellte Hauptgang, der den ersten Stock durchquert. Während der Restaurierungsarbeiten von 1995 bis 2000 wurden die nach Schloss Ort verbrachten Fensterkörbe durch Kopien ersetzt.

Lage: Oberösterreich/Almtal – ca. 15 km östlich von Gmunden

Besichtigung: vom 1. Mai bis 15. Oktober täglich außer Montag von 09.00 bis 17.00

Homepage: www.kriminalmuseum.at


Weitere Literatur:


22.01.2004