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Tratzberg


Da hier die Nordgrenze der alten Grafschaft Andechs verlief und der Burgfelsen ein natürliches Verkehrshindernis darstellte, befand sich hier schon im 13. Jahrhundert eine Befestigung der Grafen von Tirol-Görz. Das landesfürstliche castrum Tratzperch hatte die Aufgabe, die Klause zwischen dem Inn und der Stanser Jochwand zu kontrollieren und das Inntal gegen Bayern hin zu sichern. Wie der bayrische Geschichtsschreiber Aventin um 1517 berichtet, fiel Pfalzgraf Rudolf von Bayern 1294 in Tirol ein und zerstörte dabei eine Trasobergamum genannte Befestigung. Möglicherweise war damit aber nur die Talsperre gemeint. Graf Meinhard II begann jedenfalls 1295 kurz vor seinem Tod mit dem Neubau einer Burg. Als Baumeister fungierte Rudolf von Fritzens. Im Raitbuch des Grafen wird erwähnt, das seit 1296 Sighard Cholb als Pfleger auf Tratzberg eingesetzt war. 1310 übernahm Seyfried von Rottenburg die Burgaufsicht. 1346 fiel Tratzberg als Pfandbesitz an die Freundsberger, die es bis 1407 besaßen. Danach behielten die von Margarethe Maultasch als Tiroler Landesfürsten anerkannten Erzherzöge von Österreich Tratzberg in eigener Verwaltung und setzten Pfleger ein, als deren erster 1409 Ulrich von Weisbriach aufscheint. Gelegentlich wurde es auch verpfändet. 1410 verhinderten hier Innsbrucker und Haller Bürger das Eindringen bayerischer Truppen, die den rebellierenden Heinrich von Rottenburg unterstützen wollten. Erzherzog Sigmund der Münzreiche ließ 1462/63 die Burg ausbauen und durch eine neue Talsperre ergänzen. Im Winter 1490/91 brannte die Burg durch Unachtsamkeit des Pflegers Sanazeller bis auf die Grundmauern nieder. Der König und spätere deutsche Kaiser Maximilian I überließ die Ruine 1499, im Tausch gegen Burg und Herrschaft Berneck, den Gewerken Veit-Jakob und Simon Tänzl, die durch ihre Beteiligung am Silber- und Kupferbergbau in Schwaz reich geworden waren.

Wie auf einem Wappenstein am Treppenturm im Hof zu lesen ist, haben sie zwischen 1500 und 1515 einen Neubau, noch in den Formen der Spätgotik, errichten lassen. Sie schufen die talseitige Front, den Osttrakt und den Torbau. Als Baumeister wird Christoph Reichartinger erwähnt. Als Baumaterial wurden zum Teil die Steine der abgebrochenen Ruine verwendet. Bei der Errichtung des Schlosses standen eindeutig die Wohnbedürfnisse im Vordergrund. Wegen der durch die Hanglage gegebenen Überhöhung wäre eine ernsthafte Verteidigung ohnehin unmöglich gewesen. Die Jahreszahl 1523 auf einem Schornstein lässt vermuten, daß auch in den folgenden Jahren noch größere Bauarbeiten durchgeführt wurden. Mit dem Tod von Simon Tänzl kamen sie 1525 jedenfalls zum Stillstand. 1552 hatten die Tänzls größere finanzielle Probleme. Sie mussten ihre Tiroler Besitzungen an Mathias Manlich, einen Ratgeber von König Ferdinand I, veräußern und zogen sich auf ihre bayerischen Güter zurück. Manlich verkaufte Tratzberg schon zwei Jahre später an seinen Vetter Georg Ritter von Ilsung, einen reichen Augsburger Kaufmann. Dieser baute dann im Renaissancestil von 1560 bis 1571 den West- und den Nordflügel, so dass der heutige Viereckbau entstand. Jakob Fugger, ebenfalls aus Augsburg, heiratete 1570 Anna Ilsung und erbte 1589 Tratzberg. Die Fuggers bauten nur wenig am Schloß, trugen aber zur Möblierung bei. 1657 verkaufte Leopold Fugger das Schloß an den mit ihm verschwägerten Konstantin Imhoff und dessen Tante Barbara Filin. Imhoffs Tochter, Maria Elisabeth, heiratete Franz Rudolf von der Halden. Er ließ das Schloß von Geistlichen verwalten. Ein Teil des Gebäudes wurde für einige Jahrzehnte Probstei. 1689 zerstörte eine Schneelawine die bergseitigen Dächer. Im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges fielen die Bayern 1703 in Tirol ein. Die Schäden, die das Schloß dabei erlitt, wurden später nur notdürftig repariert. Eine Zeitlang diente es als Spital. 1731 erwarb Josef Ignaz Reichsfreiherr von Tannenberg die Herrschaft. Als 1809 die mit Napoleon verbündeten Bayern und Sachsen Tirol besetzten, kam es am Schloß neuerlich zu größeren Schäden. Die Rüstkammer wurde von kampfeslustigen Tiroler Burschen aus der Nachbarschaft geplündert. Durch die Heirat mit der Gräfin Ottilia von Tannenberg kam Franz III Graf Enzenberg 1847 in den Besitz des bereits ziemlich verwahrlosten Tratzbergs. Er ließ es bis 1879 komplett wiederherstellen und die Einrichtung durch Zukäufe ergänzen. Seine Nachkommen besitzen und bewohnen das Schloß noch heute. Derzeitiger Eigentümer ist seit 1992 Ulrich Graf Goess-Enzenberg.

Der Zugang zum Schloß ist nur an der Westseite möglich. Hier wurde durch hohe Stützmauern ein ebener Vorplatz geschaffen, der gegen das Tal zu von einer Arkadengalerie begrenzt ist. Von ihr reicht eine, mit acht kleinen Treppentürmchen ausgestattete, vielstufige Stiege den halben Berghang hinab. Das durch Säulen und einen Dreiecksgiebel gegliederte Portal weist ein Wappen der Familie Ilsung von 1571 auf. Hangseitig wird es von einem Rundturm geschützt. Die vom Tal aus sichtbare, dreigeschossige Südfront ist die Schauseite des Schlosses. Sie wird von zwei achteckigen Ecktürmen und einem mittleren Erkerturm akzentuiert. Diese Türme haben keine Wehrfunktion mehr und sind nur von dekorativer Bedeutung. An der bergseitigen Nordostecke ragt die Kapelle mit ihrem halbrunden Chorschluß vor. Vier gleiche Flügel umschließen einen nahezu quadratischen Innenhof. Sie werden von hohen Schindeldächern überragt. Die reiche Groteskmalerei der Wände stammt aus dem Jahr 1600, wurde aber bei der Restaurierung von 1969 bis 1973 stark erneuert. Der Südflügel weist dreigeschossige Arkaden auf, der Ostflügel eine zweigeschossige, spitzbogige Galerie (1515). West- und Nordflügel sind durch flache Pilaster im Stil der Renaissance gegliedert. Die Säulen, Portale, Bögen und Fenstergewände sind aus Kramsacher rotem Marmor gearbeitet. In der Südostecke des Innenhofes ist der quadratische Haupttreppenturm angebaut. Er führt zu den wichtigsten Prunkräumen im ersten Stock. Die übrigen Räumlichkeiten werden durch zwei Wendeltreppen in der Südwest- und Nordwestecke des Hofes erschlossen. Eine davon wird „Maximilianschnegg“ genannt.

Tratzberg zählt, vor allem was die Inneneinrichtung betrifft, zu den schönsten Schlössern nördlich der Alpen. Es wurde im Übergang von der Gotik zur Renaissance erbaut, so dass man beide Baustile auf kleinstem Raum, wie z. B. im Innenhof oder im Königinzimmer, betrachten kann. Aus heutiger Sicht muß es als großes Glück bezeichnet werden, daß im 17. und 18. Jh. keine Geldmittel für eine Modernisierung vorhanden waren, es dadurch zu keiner Barockisierung kam und die originale Ausstattung weitgehend erhalten ist. Auffallend sind die für einen privaten Sitz großen und hellen Räume sowie die Verwendung edlen Baumaterials. Die Räume im Erdgeschoß dienten vorwiegend als Stallungen und Wirtschaftsräume. Die Wohnräume sind so angelegt, daß jede beheizbare Stube mit ein oder zwei, nicht beheizbaren Schlafkammern verbunden ist. Die Jägerstube weist eine vieleckige Mittelsäule aus Marmor auf. Ihre Kassettendecke sowie die Wandvertäfelungen stammen aus den Jahren 1552 bis 1554. Die mit 1512 datierte Waffenkammer ist mit Rüstungen, Schwertern, Stangen- und Feuerwaffen bestückt. Außerdem enthält sie eine Anzahl alter Totenschilder. Eine achteckige Säule stützt die Balkendecke. Ein gotisches Marmorportal führt in die 1508 der hl. Katharina geweihten Schlosskapelle. Hier sind vor allem das qualitätvolle Sakramentshäuschen aus rotem Marmor, ein frühbarocker Altar und die gotische Kanzel sehenswert. Vom einst prächtigen Hauptaltar ist nur die Hauptfigur, die hl. Katharina, sowie die beiden Stifterfiguren erhalten. Sie werden dem Münchner Bildhauer Sebald Bocksdorfer zugeschrieben. Die Schlusssteine des Netzrippengewölbes zeigen die Wappen von Maximilian I, der Tänzl und der Familie Rinderscheit, aus der die Frau von Veit Jakob Tänzl stammte. Der Jagdsaal im ersten Stock ist mit einer Balkendecke aus dem Jahr 1510 versehen. Die hölzernen Wildgruppen wurden um 1850 vom notorischen Wilderer Toni Steger aus Achenkirch geschnitzt. Eine Jägergruppe zeigt Franz Graf Enzenberg mit dem späteren Kaiser Franz Josef, der sich kurz vor seiner Thronbesteigung in Tratzberg aufhielt. Die Wände des Habsburgersaales wurden 1506/08 mit einem in Temperatechnik gemalten 46 m langen Wandbild geschmückt, in dem 148 Figuren den Stammbaum der Habsburger darstellen. Dies geschah offenbar aus Dankbarkeit für die Erhebung der Tänzls in den Adelsstand durch Kaiser Maximilian I. Der Stammbaum ist nicht nur aus genealogischen Gründen interessant, er gibt auch Einblicke in die Kleidermode des ausgehenden Mittelalters. Er beginnt bei Rudolf I und endet mit den Kindern Philipps des Schönen. Der Entwurf des Stammbaumes dürfte von Hans Maler aus Schwaz stammen. Außerdem weist dieser Saal eine gewundene rotmarmorne Mittelsäule und eine Kassettendecke sowie im Erker ein Rippengewölbe auf. Die Tänzlstube ist mit einem seltenen Getäfel aus der Zeit der Frührenaissance verkleidet. Auch die eingelegten Türen sind sehenswert. In der Fuggerkammer steht ein spätgotischer Schrank aus dem Jahr 1510 sowie ein reich mit Schnitzwerk verziertes gotisches Himmelbett. Die Fuggerstube ist einer der schönsten Räume aus der Zeit der Tänzls. Später wurde sie von Georg Fugger bewohnt. Die spätgotischen Türen weisen ein üppig geschnitztes Gesprenge mit dem Tänzl-Wappen auf. Ein Marmorportal führt in einen Erker mit einer gotischen, sternverzierten Holzdecke. Von der Fuggerstube aus war ein Fluchtweg über eine als Wandschrank getarnte Türe zugänglich. An der getäfelten Wand der Maximiliankammer im zweiten Stock befindet sich eine angeblich eigenhändige Inschrift von Kaiser Maximilian I: „Leb, waiss nit wie lang./und stürb, waiss nit wann,/ muess faren, waiss nit wohin./Mich wundert, dass ich so frelich bin.“ Das Königinzimmer ist vor allem wegen der kostbaren Holzintarsien an der Decke und an den Wänden berühmt. Außerdem weist es eine von Marmorsäulen gestützte Balkendecke und reiches Mobiliar auf. Es erinnert an Anna, die Schwester König Wenzels III von Böhmen, die Tratzberg als Morgengabe von Heinrich von Tirol erhielt.

Lage: Tirol/Unteres Inntal – westlich von Jenbach, am steilen Hang des Stanserjoches. 20 Minuten Fußweg vom Parkplatz oder mit Bummelzug (8 Min.)

Besichtigung: Vom 15. 3. bis 02. 11. täglich von 10.00 bis 16.00 im Halbstundentakt – nur mit Führung (1 Stunde) - Im Juli und August findet die letzte Führung um 17.00 statt.

Homepage: www.schloss-tratzberg.at


Weitere Literatur:


29.07.2002