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Tollet


Ortolf de tolet wird 1170 erstmals urkundlich genannt, was auch der früheste Hinweis auf die einstige Burg ist. Seine Familie war ein Ministerialengeschlecht der steirischen Otakare. Mit Wulfing von Tegernbach starb sie aus und Tollet fiel 1273 an die Herrschaft Ort am Traunsee zurück, zu der es bereits einmal gehört hatte. 1331 saß hier Dietmar von Lerbühel. Er erhielt von König Friedrich die Erlaubnis, sich ein neues Haus zu erbauen. Im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts kam die Burg durch die Heirat der Dietmut von Lerbichel mit Helmhart IV Jörger an dessen Familie. Damals war Tollet noch ein Lehen der Wallseer, wurde aber nach deren Aussterben 1483 zu einem landesfürstlichen Lehen. Die Jörger blieben bis in die 20er Jahre des 17. Jh. im Besitz der Burg, die zwischenzeitlich allerdings als Heiratsgut an verwandte Familien ging. Hans Freiherr von Jörger ließ sie schließlich niederreißen und an ihrer Stelle in den Jahren 1607 bis 1611 das heutige Schloss errichten. Tollet wurde zu einem Zentrum des Protestantismus in Oberösterreich. Nach der bayrischen Besetzung des Innviertels musste Hans Jörger als einer der Führer des protestantischen Adels das Land verlassen. Seine umfangreichen Besitzungen wurden konfisziert und dem Kurfürsten von Bayern übergeben. Dieser ließ Tollet um einen Spottpreis seinem Statthalter in Oberösterreich, Adam Graf Herberstorff, dem berüchtigten Urheber des Frankenburger Würfelspiels, zukommen. Nach dem Tod des Grafen verkaufte es seine Witwe 1637 an Wenzel Reichard Graf Sprinzenstein. Um 1750 erwarb Graf Philipp Fieger von Hirschberg die Herrschaft.

Danach wechselten die Besitzer relativ rasch bis 1845 Graf Anton Revertera y Salandra Tollet übernahm. Seiner Familie gehört es auch heute noch. Da diese auf Schloss Helfenberg im Mühlviertel lebt, wurde das Schloss auch gelegentlich verpachtet. Die Grafen Revertera sind ein aus Spanien stammendes Geschlecht, das unter Karl V nach Österreich kam. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges war Schloss Tollet von der deutschen Regierung beschlagnahmt. In ihm wurde zuerst eine Schule für Arbeitsführerinnen und später ein Lazarett untergebracht. Nach dem Krieg diente es vorübergehend als Durchgangslager für Flüchtlinge sowie als Kaserne für eine amerikanische Panzereinheit. 1947 pachtete die oberösterreichische Landwirtschaftskammer das Gebäude und richtete in ihm eine bäuerliche Bildungsstätte ein. Diesem Zweck diente Tollet bis etwa 1976. Da mit dem Eigentümer keine Einigung über ein langfristiges Mietverhältnis erzielt werden konnte und die anstehenden Renovierungen eine kurzfristige Anmietung als nicht vertretbar erscheinen ließen, zog das Bildungsheim wieder aus. Seither sind die Gebäude verwaist. Der Besitzer schien jedes Interesse an der Erhaltung des Schlosses verloren zu haben und ließ es verkommen. 1980 zog in die einstigen Stallungen ein Regionalmuseum ein, das aber ebenfalls längst geschlossen ist. Vor wenigen Jahren wurde das Gebäude von einer Immobilienfirma übernommen. Langwierige Restaurierungsarbeiten sind nun beendet. Seit 2009 sind im wiederhergestellten Schloss das Gemeindeamt sowie einige Wohnungen untergebracht. Derzeit (2010) wird hier eine Ausstellung über die Familie Jörger gezeigt.

Schloss Tollet liegt auf einem Hügel unweit von Grieskirchen. Es wirkt aus einiger Entfernung am besten. Zur Anlage gehört ein großer Park, der sich den Hügel hinabzieht. Vor dem Schloss liegen die Wirtschaftsgebäude, darunter recht bemerkenswerte Pferdeställe. Der zwei- bis dreigeschossige Renaissancebau wurde gegen Ende des 19. Jh. im Zeitgeschmack völlig umgestaltet. Vier zweigeschossige Wohnflügel mit Mansarden- bzw. Walmdächern umgeben einen hübschen Innenhof. Eine zweiflügelige Außentreppe führt zu den Repräsentationsräumen im ersten Stock. Das schmiedeeiserne Treppengitter sowie jenes der umlaufenden Galerie ist eine bemerkenswerte Arbeit vom Anfang des 17. Jh. Davor steht ein 40 m tiefer Brunnen mit einer ebenfalls schmiedeeisernen Laube. Diese ist allerdings eine moderne Imitation. Leider sind der Hof und der Brunnen derzeit völlig mit Gestrüpp verwachsen. Weithin sichtbare Dominante des Schlosses ist der quadratische kuppelbedeckte Torturm. Er steht auf den Fundamenten seines Vorgängers, der vermutlich als Bergfried diente. Im 18. Jh. wurde er mehrmals durch Blitzschlag beschädigt, so dass er zu Beginn des 19. Jh. zum Teil abgetragen werden musste. Die Innenräume wurden bereits Ende des 19. Jh. neu eingerichtet und dann in der zweiten Hälfte des 20. Jh. den Erfordernissen des Bildungsheimes angepasst. Von der ursprünglichen Ausstattung hat sich im ehemaligen Speisesaal eine Stuckdecke aus dem Jahr 1609 erhalten, deren Inschrift und Wappen sich auf Hans Jörger beziehen. Im Obergeschoß gibt es noch zwei weitere Stuckdecken aus der zweiten Hälfte des 17. Jh. Ansonsten überwiegen vor allem im Erdgeschoß die schweren Balkendecken. Das Schloss steht derzeit leer und verfällt. Das Dach ist schadhaft, die Löcher sind nur notdürftig mit Plastikplanen abgedeckt. Auf Grund der fehlenden Reparaturmaßnahmen ist bereits eine Balkendecke eingestürzt und hat den darunter stehenden Kachelofen beschädigt. Derzeit wäre der Bau sicher noch zu retten. Ob dies in wenigen Jahren noch der Fall sein wird, ist zu bezweifeln.

Lage: Oberösterreich/Innviertel – ca. 2 km nordwestlich von Grieskirchen

Besichtigung: während der Amtsstunden teilweise möglich


Weitere Literatur:


26.09.2003