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Liechtenstein - Burg


Eine Vorgängerin der Burg lag auf dem Großen Rauchkogel, etwa 600 m nordwestlich und 20 m höher als die heutige Anlage. Es handelte sich dabei um einen, von Wall und Graben umschlossenen Erdhügel mit einer kleinen Holzburg darauf. Nach 1100 wurde sie von den Herren von Engilschalchesdorf, wie Maria Enzersdorf damals genannt wurde, vergrößert. Zwischen 1135 und 1140 ließ ein Gefolgsmann der Herren von Schwarzenburg-Nöstach, namens Hugo von Petronell die heutige Burg errichten. Die damalige Anlage bestand aber lediglich aus einem steinernen Wohnturm mit Kapelle. Wohl im bewussten Gegensatz zu seinem Dienstherrn nannte sich Hugo „von Liechtenstein“. Die Burg war Teil eines Festungsgürtels, der am Ostrand des Wienerwaldes verlief und Angriffe aus dem Osten abwehren sollte. Eine weitere Aufgabe der Burg war es, die Straße von Wien über Heiligenkreuz ins Triestingtal zu überwachen. Die erste urkundliche Erwähnung der Burg stammt aber erst aus dem Jahr 1330, als ein „haus ze Liechtenstain“ erwähnt wird. Zu diesem Zeitpunkt dürften die Liechtensteiner ihre Burg gar nicht mehr besessen haben. Als Heinrich von Liechtenstein 1249 vom Böhmenkönig Ottokar Nikolsburg erhielt, verlagerten sich die Interessen seiner Familie mehr und mehr nach Südmähren und ihre Stammburg verlor an Bedeutung. Ob die Liechtensteiner die Burg an den Landesfürsten verloren oder verkauft haben ist unbekannt. 1330 wird jedenfalls nur der Burggraf aber nicht der Burgherr erwähnt. Um 1350 sind die Herren von Wallsee und 1367 Ulrich der Pair im Besitz von Liechtenstein. Auf letzteren folgten die Herren von Stadeck. 1384 verpfändeten sie die Herrschaft an die Grafen Hermann und Wilhelm von Cilli. 1456 wurde sie als erledigtes Lehen unter Herzog Albrecht VI wieder landesfürstlich. Der Söldnerführer Jan Holuberzi besetzte in seinem Auftrag die Burg, wo er die Witwe des ehemaligen Pflegers heiratete und die Pflegschaft übernahm. Um 1480 wurde Liechtenstein durch die Truppen des ungarischen Königs Matthias Corvinus verwüstet. 1494 verkaufte König Maximilian I die Herrschaft den Brüdern Sigmund und Heinrich Prüschenk, übergab sie aber sechs Jahre später als Lehen an seinen ehemaligen Innsbrucker Zeugmeister Bartholomäus Freisleben. Erstmals zerstört wurde die Burg 1529 durch osmanische Streifscharen, wobei Christoph Freisleben in türkische Gefangenschaft geriet. Georg Freisleben erhielt 1533 das Lehen erneuert, unter der Bedingung die Burg wieder aufzubauen. Der nächste Besitzer, Andreas Pögl von Reifenstein, vereinigte Liechtenstein mit seiner Herrschaft Mödling. Seit diesem Zeitpunkt blieben beide Güter vereinigt.

1592 übertrug der damalige Pfandinhaber Freiherr Hans Khevenhüller die Verwaltung seiner Güter Georg Wiesing, der am Fuße des Burgberges einen Gutshof errichtete, den Vorläufer des späteren Schlosses. Die Burg dürfte damals bereits nicht mehr sehr wohnlich gewesen sein. Zu neuerlichen Beschädigungen kam es 1605 beim Einfall des Siebenbürger Wojwoden Stefan Bocskay. Halbherzige Renovierungen konnten den weiteren Verfall nicht stoppen. 1613 erhielten die Khevenhüller die bisherige Pfandherrschaft als freies Eigen. Obwohl die Burg bereits weitgehend ruinös war, wurde sie 1663 angesichts der drohenden Türkengefahr noch als „wehrhafter Zufluchtsort“ angeführt. Der Vischer-Stich von 1672 zeigt einen offenbar weitgehend intakten Bau. 1683 wurde Liechtenstein durch die Türken endgültig zerstört und blieb Ruine. Im späten 18. Jh. ließ Freiherr von Penkler erste Sicherungsmaßnahmen durchführen. 1798 übernahm Fürst Stanislaus Poniatowski, ein Neffe des letzten polnischen Königs, Burg und Herrschaft. 1808 kaufte Fürst Johann I von und zu Liechtenstein aus romantischer Begeisterung den Stammsitz seiner Vorfahren. Er errichtete gegenüber der Burg 1820/21 das Neue Schloss, das heute als Seniorenresidenz dient. Das jetzige Aussehen der Burg wurde ab 1890 unter Fürst Johann II durch die Architekten Gangolph Kayser und Humbert Walcher Ritter von Moltheim geschaffen. Man versuchte zwar mit umfangreichen Bauarbeiten der Burg wieder ihr mittelalterliches Aussehen zu geben, doch veränderte man die Raumanordnung und die Geschoßhöhen. Der Bergfried wurde ab dem zweiten Stock völlig neu gestaltet und im Stil des Historismus ausgebaut. Der ursprüngliche Turm war deutlich niedriger. Neben ihm legte man ein modernes Treppenhaus an. Die alte Pankratiuskapelle wurde lediglich instand gesetzt. 1903 waren die Arbeiten beendet. Trotz der umfangreichen Investitionen, war die Burg Liechtenstein – ähnlich wie Kreuzenstein – nicht mehr für Wohnzwecke vorgesehen, sondern als bauliche Dokumentation des Mittelalters bestimmt. 1945 lag die Burg in der Hauptkampflinie und wurde schwer beschädigt. Danach wurde sie den Pfadfindern übergeben, die sich um die Restaurierung kümmerten und in ihr ein Jugendzentrum einrichteten. 1975 wurde die Anlage an die Marktgemeinde Maria Enzersdorf verpachtet. Im Sommer finden im unteren Burghof Nestroy-Festspiele statt. Einzelne Bereiche der Burg können für Veranstaltungen gemietet werden. Eigentümer war bis vor kurzem das Fürstenhaus Liechtenstein, doch gibt es derzeit einen neuen Besitzer.

Die Burg liegt am Auslauf des Kalenderberg-Nordhanges. Aus der Zeit um 1165 stammen nur mehr die Burgkapelle und ein anschließender, rechteckiger Wohnturmbau, der aber heute verbaut und von außen nicht mehr erkennbar ist. Neben ihm und der Kapelle befindet sich das hochgelegene Burgtor. Die romanische Kapelle ist ein gedrungener rechteckiger Raum, der von einem romanischen Kreuzrippengewölbe überdeckt ist. Im Osten schließt eine Halbkreis-Apside den Bau ab. Die Außenwände der Kapelle sind durch Lisenen mit Würfelkapitellen gegliedert. An diesen alten Baukern des 12. Jh. wurde in der ersten Hälfte des 13. Jh. entlang des nach Westen gerichteten Felsrückens ein Erweiterungsbau angeschlossen. Vorbild für diesen Bau waren die damals aktuellen Stauferburgen, wie vor allem die Kaiserburg in Nürnberg. Westlichster Punkt ist der mächtige neue Bergfried, der den kleineren bei der Kapelle ablöste. Er hatte, wie üblich, einen Hocheinstieg, aber auch einen noch erhaltenen Fluchtweg, der über den Felshang ins Freie führte. Im Osten wurde zur Sicherung der Toranlage die bisher frei stehende Pankratius-Kapelle mit einem etwas kleineren Turm überbaut. Dazwischen entstand der Palas. Bedingt durch die schmale Felsrippe mussten die Räume hintereinander angeordnet werden. Die Burg ist über 50 m lang, aber nur 12 bis 15 m breit. An der Nordseite dürfte sich ein schmaler Hof mit einem Wehrgang entlang gezogen haben, der aber bei der Rekonstruktion des 19. Jh. verbaut und in Geschosse unterteilt wurde. Die Räume bzw. deren Bezeichnung als Knappensaal, Rittersaal, Burgverlies usw. sind nicht original, sondern entstammen dem romantischen Geist des 19. Jh. An den verschieden gefärbten Mauerteilen kann man noch heute den Umfang des Neubaues erkennen. Romanisches Quaderwerk gibt es nur mehr bis zum ersten Geschoß. Der Rundaltan sowie die rundbogigen Doppelfenster sind gutgemachte Zutaten des 19. Jh., doch wurden gelegentlich ältere Architekturteile, wie Marmorkapitelle aus dem 13. Jh. eingebaut. Die Befestigungsanlage am Fuß des Burgfelsens mit dem Torhaus und dem unteren Burghof wurde im 15. Jh. errichtet. Typisch für Liechtenstein sind die vielen Reliefplatten, Kapitelle und Konsolen, die sich überall an den Außenwänden, aber auch im Inneren finden. Sie gehören aber nicht zum Altbestand sondern stammen aus der Sammlung der Familie Liechtenstein. Es handelt sich zum Teil um wertvolle romanische und gotische Originale. Viele Stücke sind jedoch geschickt gemachte Kopien des 19. Jahrhunderts.

Lage: Niederösterreich/Wienerwald – zwischen Gießhübl und Maria Enzersdorf

Besichtigung: März bis Oktober von 09.00 bis 16.00 und 3. November bis 19. Dezember 10.00 bis 16.00 (Geschlossen: Karfreitag, Allerheiligen und Allerseelen)

Homepage: www.burgliechtenstein.eu


Weitere Literatur:


10.09.2003