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Greillenstein


1313 wird erstmals von einer kleinen Wehrburg berichtet, die sich damals im Besitz der Familie der Grellen befand. Dieses Geschlecht ist zwischen 1210 und 1313 urkundlich nachweisbar. Nach seinem Aussterben ging die Burg an die Dachbeckh (Dachsberg) und Volkra über. Von letzteren erwarb sie Hans Lorenz von Kuefstein im Jahr 1534. Sein Sohn Hans Georg III ließ die alte Feste abreißen und an ihrer Stelle zwischen 1570 und 1590 das heutige Renaissanceschloss errichten. Freiherr Hans Georg war Vicedom (Landeshauptmann-Stellvertreter) von Niederösterreich. Das neue Schloss diente ihm in erster Linie zur Repräsentation, aber auch als Verwaltungssitz der großen Grundherrschaft, die noch 1848 vierzehn Gemeinden umfasste. Er war aber auch einer der führenden Protestanten des Landes und als solcher mehrfach in bewaffnete Auseinandersetzungen mit dem benachbarten Stift Altenburg verwickelt. Im Dreißigjährigen Krieg blieb Greillenstein von Verwüstungen verschont, doch musste Hans Jakob Freiherr von Kuefstein 1620 das Schloss verlassen, als es vom Führer der Katholischen Liga, Kurfürst Maximilian von Bayern, besetzt wurde. Hans Jakobs Bruder Hans Ludwig war Sprecher des Horner Bundes, in dem die protestantischen Adeligen des Landes zusammengeschlossen waren, die gemeinsam mit den böhmischen Adeligen Kaiser Ferdinand II die Erbhuldigung verweigerten und Friedrich von der Pfalz zum König gewählt hatten. Er versuchte einen Kompromiss zu finden. Greillenstein war kurzzeitig katholisches Hauptquartier. Hier trafen sich Kurfürst Maximilian, Graf Tilly und Feldmarschall Graf Bouquoy, um das weitere Vorgehen gegen die böhmischen Aufständischen zu besprechen. Später wurde das Schloss kampflos von schwedischen Truppen besetzt. Hans Ludwig Freiherr von Kuefstein trat 1627 zum katholischen Glauben über und konnte so die Herrschaft für seine Familie retten. Ein Jahr später reiste er mit einer Delegation von 180 Mitgliedern als kaiserlicher Großbotschafter nach Stambul um Sultan Murad IV die Ratifikationsurkunden des Waffenstillstandsvertrages von Szöny (1627) zu überreichen und ihn zu einem dauerhaften Frieden zu überreden. Dieser hielt zwar nur bis 1660, doch brachte die Reise dem Botschafter die Erhebung in den Grafenstand und die Ernennung zum Landeshauptmann von Oberösterreich ein. 1634 wurde der Herrschaft durch Kaiser Ferdinand II die hohe Gerichtsbarkeit verliehen.

1720 ließ Hans Leopold Graf Kuefstein das Schloss vorsichtig barockisieren. Damals erhielt es seinen heutigen Haupteingang im Mittelturm der Südseite. Um 1770 erfolgte eine Erneuerung der Innenausstattung. Während der Napoleonischen Kriege waren 1809 im Schlossbereich über tausend französische Soldaten mit 1400 Pferden sechs Monate lang einquartiert, die vom Schlossherrn verpflegt werden mussten. Als diese abgezogen waren, war das Schloss so devastiert und die finanzielle Basis der Herrschaft so zerrüttet, dass Johann Ferdinand III Graf Kuefstein Greillenstein dem Kaiser zum Kauf anbot, was dieser aber ablehnte. Bis 1815 konnte der Schuldenberg abgebaut und die Schäden behoben werden. Nach der Auflösung der Grundherrschaften verlor das Schloss 1848 seine Aufgabe als Amtsgebäude und seine Besitzer eine wichtige Einkunftsquelle. Die Kuefsteins waren Diplomaten und wohnten meist nicht hier, so dass am Schloss nicht viel verändert wurde und die Originaleinrichtung des Gerichtssaales sowie des Archivs erhalten blieb. Dank eines gebildeten russischen Offiziers, der das Schloss wegen seiner kulturhistorischen Bedeutung bewachen ließ, überstand es die russische Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg schadlos. Das Gebäude gehört seit 470 Jahren der Familie Kuefstein. Es ist seit den sechziger Jahren des 20. Jh. nicht mehr bewohnt sondern dient als Museum. Allerdings wurde die nach dem Zweiten Weltkrieg hier eingerichtete Strafrechtssammlung des Niederösterreichischen Landesmuseums wieder geschlossen, so dass Greillenstein heute vorwiegend als Familienmuseum agiert. In den letzten Jahren wurde das Gebäude weitgehend renoviert.

Greillenstein ist eines der bedeutendsten Renaissanceschlösser Niederösterreichs. Man betritt es jedoch durch die barock gestaltete Toranlage. Die lange Balustrade vor dem Graben ist mit Putti, Sphingen und Ziervasen geschmückt. An ihrer Stelle befand sich bis 1720 ein Teil der das Schloss umgebenden Wehrmauer. Steinerne Löwen und Obelisken flankieren die Steinbrücke, die über den Graben zum Haupttor führt. Über dem Portal mit dem säulengestützten Sprenggiebel ist das Doppelwappen des Hans Lorenz von Kuefstein und seiner Gattin Maria Franziska Gräfin Kollonitsch angebracht. Der vorspringende, überdimensionierte Torturm war ursprünglich nur zweigeschossig, wurde aber wahrscheinlich 1720 um vier Etagen erhöht. Im 19. Jh. wurde sein oberster Teil verändert. Passiert man das Tor, gelangt man nach wenigen Schritten zu einer neuerlichen Steinbalustrade, hinter der sich der tiefer gelegene Teil des Innenhofes befindet. Die auf der Balustrade aufgestellten Steinvasen sollen auf Zeichnungen von Johann Bernhard Fischer von Erlach zurückgehen. Ansonsten ist der Innenhof ein prächtiges Werk der Renaissance. Seine Nordostfront ist in allen Geschossen in Arkaden aufgelöst. An Stelle der 1590 noch weitgehend üblichen Pfeilerarkaden beherrschen hier schlanke toskanische Säulen mit zierlichen Balustraden die Fassade. Bemerkenswert sind die vierzehn hohen Schornsteine, von denen keiner gleich ist. Ihre zum Teil spiralenförmig gedrehten Schäfte haben ihre Vorbilder im venezianischen Raum, die kleinteiligen Zierformen kommen aus dem westdeutschen Bereich. Im barocken Schlosspark standen ursprünglich vierzig groteske Zwerge aus Sandstein. Neun davon haben mutwillige Beschädigungen und Diebstähle überlebt. Sie stehen nun in einem Erdgeschoßraum des unteren Innenhofes. Ebenfalls im Hof haust in einer Nische ein großer steinerner Drache, der einst als Teil einer großen Wasserspielanlage im Park als Wasserspeier diente. Gegenüber dem Haupteingang liegt ein großer Brunnen mit der spätbarocken Steinfigur des hl. Florian. Dahinter erstreckt sich eine lange Lindenallee. Die das Hauptgebäude umgebenden Wirtschaftsgebäude sind teilweise noch im Gebrauch, teilweise aber ruinös. Unweit des Schlosses befindet sich in Röhrenbach die Gruftkapelle der Kuefstein. Ihre Kuppel weist ein Fresko von Paul Troger auf.

Unter den Räumen, die bei der Führung gezeigt werden, befindet sich eine vollkommen erhaltene Gerichtsstube aus dem 17./18. Jh. Die Gerichtsschranke ist die einzige eines Landgerichts in Österreich. Daneben liegt die Registratur, in der Steuer- und Kriminalakte der Untertanen aufbewahrt werden. Interessant ist der Kachelofen aus dem 16. Jh., auf dem die vier Haupttugenden abgebildet sind. Die Schlosskapelle liegt unmittelbar über der Einfahrt im Südturm. Sie ist mit einem Netzrippengewölbe versehen. Ihre Türflügel zeigen das kuefsteinsche und das puchheimsche Wappen von 1604. Die Einrichtung geht noch auf die protestantische Erstausstattung zurück, wie die auf jeden Bilderschmuck verzichtende Kanzel und der noch gotisch beeinflusste Altar zeigen. Das Taufbecken aus der zweiten Hälfte des 15. Jh. ist das älteste Kunstwerk im Schloss. Die „Große Bibliothek“ besaß einst eine prächtige Kassettendecke, doch mussten sie die Kuefstein gemeinsam mit den Wandvertäfelungen 1807 Kaiser Franz I zur Ausschmückung seiner Franzensburg in Laxenburg „schenken“. Die etwa 7000 Bücher stammen vorwiegend aus dem 19. Jh. Die Sitzgarnitur von 1620 weist noch die ursprüngliche Stoffbespannung auf. Der schöne Ofen aus dem 16. Jh. stammt aus Tirol. Er kam erst 1903 ins Schloss. In der „Kleinen Bibliothek“ ist die Originalholzdecke von 1590 noch erhalten. Ihre 25 quadratischen Felder sind mit mythologischen Szenen und Landschaften bemalt. Hier werden die älteren Bücher aus dem 17. und 18. Jh. aufbewahrt. Im 200 m² großen sechsachsigen Festsaal, der den gesamten Westflügel einnimmt, werden heute Bilder, Dokumente und Erinnerungsstücke aus der Familiengeschichte gezeigt. Er dient gelegentlich für Konzerte und kann für private Veranstaltungen gemietet werden. Sein Gewölbe ist mit Stuck verziert. Die Deckenfresken stammen aber erst aus dem späten 19. Jh. In diesem Saal befindet sich eine geschnitzte Holztüre aus dem 16. Jh. sowie ein mächtiger Steinkamin aus der ersten Hälfte des 17. Jh. Die originale Decke des Türkensaales ist heute ebenfalls in Laxenburg (Lothringersaal) zu bewundern, doch wurde an ihrer Stelle 1958 eine Kassettendecke aus dem den Verfall überlassenen Schloss Viehofen angebracht. In diesem Saal sind Souvenirs und Geschenke vom Hof des Sultans in Stambul ausgestellt. In einem Raum des unteren Schlosshofes hat sich eine Badestube aus der Renaissancezeit (um1590) erhalten. Sie besteht aus einem holzvertäfelten Umkleideraum, einer Heizanlage, einem Raum für Warm- und einem für Kaltbäder. Die Badeanlage ist die einzige ihrer Art in Österreich.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 13 km westlich von Horn

Besichtigung: Führungen vom 1. April bis 31. Oktober täglich von 09.30 bis 17.00 (im Juli und August bis 18.00)

Homepage: www.greillenstein.at


Weitere Literatur:


01.09.2003