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Wien - Hofburg/Leopoldinischer Trakt


Als Leopold I 1657 die Regierung der habsburgischen Erblande antrat, war die Hofburg bereits etwas veraltet. Er beschloss daher, auf dem Gelände einen eigenen repräsentativen Palast zu erbauen. Als Vorbild diente ihm dabei die neue Münchner Residenz. Die vom kaiserlichen Ingenieur Filiberto Lucchese ausgearbeiteten Pläne wurden für gut befunden und die Bauleitung den italienischen Baumeistern Carlo Martino und Domenico Carlone übertragen. Einige Räume malte Carpoforo Tencalla mit historischen Wandbildern aus. 1667 war der Bau trotz einiger Finanzprobleme vollendet und der Kaiser konnte mit seiner ersten Gemahlin, Margarita Teresa von Spanien, feierlich einziehen. Im Februar des folgenden Jahres brannte das Gebäude jedoch bis auf die Grundmauern nieder, wobei die kaiserliche Familie nur mit knapper Not gerettet werden konnte. Daraufhin wurden wieder einmal die Wiener Juden der Brandstiftung bezichtigt und aus der Stadt vertrieben. Der Wiederaufbau wurde noch im gleichen Jahr begonnen und 1670 war der Trakt, der um 35 m länger als sein Vorgänger wurde, weitgehend fertig. Planender Architekt war diesmal Pietro Tencalla. Die Maurerarbeiten wurden auch diesmal von Domenico Carlone beaufsichtigt. Die Arbeiten dauerten jedoch noch bis 1681, da man bei dieser Gelegenheit die vorgelagerten Befestigungen modernisierte und verstärkte. Dies erwies sich bereits zwei Jahre später als sehr weise, da während der zweiten Türkenbelagerung Wiens gerade der Burgwall und die Spanische Bastei mehrmals heiß umkämpft waren. Als Kaiser Leopold I, der sich zur Zeit der Belagerung in Passau und Linz aufgehalten hatte, wieder zurückkam, war seine Residenz so schwer beschädigt, dass er sich bis zur Beendigung der Restaurierung neuerlich nach Linz begeben musste.

Leopolds Enkelin Maria Theresia ließ zwar durch Balthasar Neumann großartige Pläne zur Neugestaltung der Hofburg ausarbeiten, doch blieben diese wegen der hohen Kosten und der Schlesischen Kriege unausgeführt. Sie verbrachte den größten Teil des Jahres in ihrer Lieblingsresidenz Schönbrunn, wählte aber für die Wintermonate die gegen den Inneren Burghof gelegene Zimmerflucht des Leopoldinischen Trakts als Wohnsitz und ließ sie entsprechend wohnlich einrichten. Auch die Kammerkapelle wurde neu ausgestattet. Aus Bequemlichkeitsgründen wurde eine direkte Auffahrt zu den kaiserlichen Gemächern, die sog. Bellaria, geschaffen und die bereits von Karl VI errichtete Adlerstiege durch Jean Nicolas Jadot ausgebaut. Zur besseren Beleuchtung wurden in der Beletage größere Fenster eingesetzt. Verantwortlicher Architekt für die in den Jahren 1749 bis 1759 erfolgte Neuausstattung der Repräsentationsräume war vermutlich Nicolo Pacassi. Kaiser Josef II wohnte ebenfalls im Leopoldinischen Trakt, allerdings in einem Appartement mit Aussicht auf die Gräben und Bastionen der Stadtbefestigung. Als sich Papst Pius VI im Frühjahr 1782 – weitgehend erfolglos - nach Wien bemühte, um Kaiser Josef II von seinen kirchenfeindlichen Reformen abzubringen, logierte er in jenen Räumen, die zuvor Maria Theresia bewohnt hatte. Bei Restaurierungsarbeiten im Jahr 1957 fand man nach der Entfernung einer Wandverkleidung einen in eine Wandnische eingelassenen Altar, vermutlich jenen, der für Pius VI aufgestellt worden war. Von den späteren Herrschern bevorzugte lediglich Kaiser Ferdinand den Leopoldinischen Trakt als Wohnsitz. Für ihn wurde die Beletage ab 1835 renoviert. Seit 1946 beherbergt dieser Teil der Hofburg die Österreichische Präsidentschaftskanzlei, den Amtssitz des österreichischen Bundespräsidenten.

Der Leopoldinische Trakt begrenzt den Inneren Burghof zwischen dem Schweizer Trakt und dem Amalientrakt. Seine 25-achsige Außenseite ist dem Heldenplatz zugewendet. Hier konnte bei einer 1970 erfolgten Restaurierung der Fassade die ursprüngliche bunte Färbelung freigelegt werden. An der Westwand der Durchfahrt zum Heldenplatz wurden Steinquadern vom ehemaligen Widmertor (Anfang des 13. Jh.) freigelegt, das 1531 abgerissen wurde. In dahinter liegenden Hohlräumen hat sich noch hochmittelalterliches Quadermauerwerk erhalten. Die charakteristische, aber nicht besonders stilvolle Parterreeinfahrt in den Vorbau am Ballhausplatz, wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet, nachdem der Burgwall und das „Paradeisgartl“ im Zuge des Ringstraßenbaues abgetragen worden waren. Unterhalb des Leopoldinischen Traktes liegen die riesigen Gewölbe des einstigen Burgkellers. Seine Vorräte an Wein und Spirituosen waren ausschließlich für den Hof bestimmt. Heute werden hier zahlreiche Gipsentwürfe der meisten Denkmäler des Ringstraßenbaues aufbewahrt. In den drei großen Remisen im Erdgeschoß waren früher die Hofkutschen abgestellt, heute dienen sie als Garagen für die Dienstautos der Präsidentschaftskanzlei. Die fünf Geschosse des Gebäudes werden durch die repräsentative Adlerstiege sowie einige Nebentreppen, wie die Zuckerbäckerstiege und die Lakaienstiege, erschlossen. Der berühmte „Controllorgang“, in dem Josef II seine öffentlichen Audienzen gab, befand sich im Halbgeschoß des Leopoldinischen Traktes und zog sich über dessen ganze Länge hin. Heute ist er in zahlreiche Einzelräume unterteilt. Die Repräsentationsräume Maria Theresias bzw. der heutigen Präsidentschaftskanzlei nehmen den ersten Stock ein. Sie sind in Form einer Enfilade angeordnet. Die Beheizung der hohen Zimmer erfolgte durch prächtige Barocköfen, die vom Boden bis zur Decke reichten. Die kaiserlichen Hof-Oberheizer verbrauchten im Laufe eines Winters etwa 40.000 Raummeter Buchenholz. Als die Präsidentschaftskanzlei eingerichtet wurde, installierte man eine Zentralheizung. Der überflüssig gewordene Heizgang, der zwischen den hofseitigen und den ehemals basteiseitigen Appartements verlief, konnte für die Einrichtung von Sanitär- und anderen Nebenräumen genutzt werden.

Der interessanteste der im schönsten Rokoko eingerichteten Prunkräume ist das Pietra-Dura Zimmer. Die hier hängenden 67 Bilder stellen die größte einschlägige Sammlung der Welt dar. Sie sind nämlich nicht gemalt, sondern mosaikartig aus geschnittenen farbigen Halbedelsteinen zusammengesetzt. Sie stammen aus der Florentiner Werkstätte von Pietro Scacciati, Lodovico Sieries sowie Cosimo Sieries und wurden zwischen 1737 und 1767 angefertigt. Der dreifenstrige Spiegelsaal diente ursprünglich als Versammlungsraum der Mitglieder des kaiserlichen Hauses bei großen Festen. Heute wird er als Speisesaal für kleinere offizielle Mittag- oder Abendessen benützt. Das sog. Miniaturenkabinett war einst das Arbeitszimmer Maria Theresias. An seinen Wänden hängt eine von Kaiser Franz II (I) angelegte Kollektion von Miniaturen, vorwiegend der kaiserlichen Familie. Das Maria-Theresien-Zimmer war der Schlafraum der Kaiserin. Heute dient es als Empfangszimmer des Bundespräsidenten. Hier überreichen ausländische Botschafter ihre Beglaubigungsschreiben und hier wird die jeweilige Bundesregierung angelobt. Zwei lebensgroße Porträts Maria Theresias und Franz Stephans schmücken den Raum. An der Wand steht eine kostbare astronomische Standuhr, die 1671 vom bayerischen Hofuhrmacher Mayr angefertigt wurde. Das Amtszimmer des Bundespräsidenten ist zugleich jenes, das auch Kaiser Josef II als Arbeitsraum gedient hatte. Es wird von einem 4 x 4,8 m großen Gemälde dominiert, das vier Töchter Maria Theresias als Akteure einer Opernaufführung zeigt. Am Westende des Leopoldinischen Traktes führt eine schlichte Tür in das Oratorium der Josefs- oder Kammerkapelle, wie sie früher hieß. Diese ist über zwei Stockwerke hoch und relativ geräumig, von außen aber nur an den etwas größeren Fenstern zu erkennen. Ihre reiche Ausstattung stammt vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert. Das Altarbild ist ein Werk von Hans Canon und stellt die Familie Kaiser Franz Josephs in allegorischer Form dar. Die Wand- und Deckenmalereien gehen auf Franz Anton Maulbertsch, Vinzenz Fischer und Joseph Winterhalter zurück. Die beiden Stockwerke oberhalb der Beletage sind wesentlich schlichter eingerichtet und dienen als Büroräume.

Ort/Adresse: 1010 Wien

Besichtigung: nur mit Sondergenehmigung möglich

Homepage: www.hofburg.at


Weitere Literatur:


16.08.2003