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Wallsee


Obwohl im Schloßpark Reste einer römischen Besiedelung aus dem 1. bis 4. Jh. gefunden wurden und damals am Burghügel möglicherweise ein Kastell oder eine Warte unterhalten wurde, kam es erst relativ spät zur Errichtung einer Burg. Diese entstand unter Heinrich VI von Wallsee in den Jahren 1368 bis 1388. Die Walseer, oder eigentlich Waldseer, waren ein bedeutendes staufisches Ministerialengeschlecht, das mit Rudolf von Habsburg aus Schwaben nach Österreich gekommen war. Sie besaßen die beiden Herrschaften Sindelburg und Sommerau in unmittelbarer Nähe des heutigen Wallsees. Reinprecht II von Wallsee (1364-1422) wurde mit der Grafschaft Tibein belehnt, zu der fast ganz Istrien gehörte. Damit war auch Sitz und Stimme im Reichstag verbunden. Mit Reinprecht V starben die Wallseer 1483 aus. Während der gesamte Lehensbesitz an den Landesfürsten zurückfiel, kam Wallsee, das 1469 durch Kaiser Friedrich III zu freien Eigen erhoben worden war, über seine Tochter Barbara im Erbweg an Reinprecht von Reichenburg. Als 1570 auch diese Familie erlosch, wechselten die Besitzer recht häufig, bis 1630 der kaiserliche Oberst Heinrich Guiard de St. Julien Wallsee erwarb. Seine Nachkommen bauten die Burg zum Schloß großzügig aus, gerieten aber schließlich in Schulden. 1755 mußte Graf Nikolaus von St. Julien die bereits unter Zwangsverwaltung stehende Herrschaft verkaufen. Käufer war Generalfeldmarschall Leopold Graf Daun, der Sieger von Kolin. Er ließ eine gründliche Renovierung durchführen und auch eine Wasserleitung ins Schloß legen, deren Holzrohre 1895 durch Gußeisenrohre ersetzt wurden. Sein Enkel starb kinderlos. Die Witwe verkaufte Wallsee 1810 an Franz Carl Graf Wimpffen, der schon sieben Jahre später die Herrschaft an den Grafen Wickenburg veräußerte. 1862 erwarb Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha Wallsee. Sein Neffe verkaufte das Schloß 1895 an Erzherzog Marie Valerie und ihren Gatten Erzherzog Franz Salvator. Erzherzogin Valerie war die jüngste Tochter Kaiser Franz Josefs. Da das Gebäude von seinen bisherigen Besitzern nur selten bewohnt wurde, war es bereits in einem sehr schlechten Zustand. Es kam daher sofort zu einer Generalsanierung, bei der praktisch alle Fenster, Fußböden, Türen sowie die Holzstiege repariert werden mussten. Gleichzeitig erfolgte eine Modernisierung im Stil der damaligen Zeit. Anstelle des bereits 1864 eingestürzten Turmhelmes wurde der heutige Helm aufgesetzt. Im Mai 1945 trafen im großen Saal des Schlosses die Heerführer der amerikanischen und der russischen Armeen, General Patton und Marschall Tolbuchin das erste Mal im besetzten Österreich zusammen. Das Schloß befindet sich nach wie vor im Besitz der Familie Salvator-Habsburg-Lothringen und wird auch von ihr ständig bewohnt.

Blickfang des Schlosses ist der schon von weitem sichtbare, nach 1895 auf 40 m erhöhte, quadratische Bergfried in der Südwestecke der Anlage. Sein fünfeckiger unterer Teil stammt noch aus dem 14. Jahrhundert. Im oberen Bereich ist er quadratisch. Der Turm ist mit einer umlaufenden Galerie versehen. Mit seiner Uhr wirkt er von weitem wie ein Kirchturm. Er war ursprünglich von Zinnen gekrönt, erhielt aber beim letzten Umbau seinen heutigen Helm. Vom Ort führt eine schöne Allee durch den Park zu einem tiefen, die gesamte Anlage bergseitig umgebenden Graben, über den einstmals eine Zugbrücke führte. Hinter der heutigen Steinbrücke liegt das malerische Tor, dessen Renaissanceformen aber aus dem Jahr 1895 stammen. Es zeigt ein großes Mosaik: "König Rudolf von Habsburg belehnt die Brüder Eberhard und Heinrich von Wallsee mit der Burg". Durch die gewölbte, sechseckige Durchfahrt gelangt man in den äußeren Schlosshof mit seinen langgestreckten Wirtschafts- und Wohntrakten aus der ersten Hälfte des 17. Jh. Durch ein weiteres Tor und über eine Brücke, die den teilweise 15 m tiefen, aus dem Felsen gehauenen, inneren Wehrgraben überquert, kommt man zum zweiten Vorwerk, das im Kern aus dem 16. Jh. stammt, 1895 aber romantisch verändert wurde. Die Durchfahrt wurde um 1630 mit Stuckdekor geschmückt. Dahinter setzt sich die Brücke über den Burggraben fort. Auch die Einfahrt in den inneren Schlosshof ist mit Stuckarbeiten aus der ersten Hälfte des 17. Jh. verziert. Der polygonale, relativ enge Hof wurde in den letzten Jahren des 19. Jh. romantisch verändert. So wurde an der Ostseite ein Gang-Erker angebaut. Das breite Stiegenhaus wurde aber bereits in der Renaissancezeit dem Kapellenteil vorgesetzt. Der Hof ist mit einem Brunnen versehen. Außerdem ist er mit Resten römischer Grabsteine geschmückt, die in der unmittelbaren Umgebung gefunden wurden. Die spätgotische Schlosskapelle ist der hl. Familie geweiht. Sie reicht durch fast drei Stockwerke und hat einen unregelmäßigen Fünfeckgrundriß. Bemerkenswert ist das zierliche Netzrippengewölbe sowie ein Kreuzigungsgemälde vom Kremser-Schmidt. 1896/97 schuf die Holzfachschule Ebensee unter der Leitung des Bildhauers Hans Greil eine neue Einrichtung. Sie steht im Gedenken an die kurz zuvor ermordete Kaiserin Elisabeth, die Mutter der damaligen Schloßherrin. Im Westtrakt des Hochschlosses befinden sich die privaten Wohnräume, zu denen man durch eine tonnengewölbte Halle und über eine breite Holztreppe gelangt. Von der ursprünglichen Ausstattung haben sich ein getäfelter Saal und einige kleinere Salons erhalten. Gegen Osten zu liegt ein im 19. Jh. adaptierter Festsaal. Er ersetzt einen Barocksaal, der bei seiner Restaurierung einstürzte. Im Archivraum werden die Herrschaftsakte bis zur Auflösung der Grundherrschaft 1848 aufbewahrt. Das Schloß ist von einem ausgedehnten Park umgeben, in dessen Südostecke die mit romantischen Zinnenaufbauten versehene Reitschule liegt. Auch sie stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts.

Lage: Niederösterreich/Donautal – am Rande des gleichnamigen Ortes, auf einem Hügel über der Donau

Besichtigung: Das Schloß ist bewohnt und kann im Inneren nicht besichtigt werden.


Weitere Literatur:


24.08.2002