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Niederweiden


Das Gebiet um Niederweiden wird 1045 als Schenkungsgut Heinrichs III genannt. Es gelangte später an die Maidburger. Auf dem Areal des total verwilderten einstigen Schlossparks von Niederweiden befand sich im Hochmittelalter die Wasserburg Grafenweiden. Sie gehörte ab 1409 den Pottendorfern, die sie 1433 an Johann und Albrecht von Kuenring verkauften. Wenige Jahre später hausten hier die berüchtigten Raubritter Lienhart Arberger und Gertrud von Rohr. Nachdem sie einer Strafexpedition unter Rudolf von Cilli ins Netz gegangen waren, wurden sie in Wien zum Tode verurteilt und durch das Schwert hingerichtet. Der verrufene und verfallene Wehrbau wurde von jedermann gemieden und war spätestens beim ersten Türkeneinfall von 1529 endgültig zur Ruine geworden. Wall und Graben zeichnen sich noch heute im ehemaligen Fasangarten von Niederweiden ab. 1585 verlieh Kaiser Rudolf II die „öde Veste“ an Friedrich von Prankh. 1637 ging sie dann gemeinsam mit dem Dorf Unterweiden an den kaiserlichen Feldhauptmann Hans Ulrich Graf Concin von Penna über. Er verkaufte den von den Türken verwüsteten Besitz 1685 an Ernst Rüdiger Graf Starhemberg, der zwei Jahre zuvor Wien erfolgreich gegen die Osmanen verteidigt hatte. Dieser beauftragte 1693 Johann Bernhard Fischer von Erlach mit der Ausarbeitung eines Entwurfes für ein „Lustgebäude“. Unweit der ehemaligen Burg Grafenweiden entstand ein zierliches, französisch wirkendes Jagdschlösschen. Es war mit Ausnahme des mittleren Saaltraktes eingeschossig. Zu ihm führte an der Hofseite eine breit angelegte Freitreppe empor. Die Seitentrakte waren mit Flachdächern versehen.

1726 erwarb Prinz Eugen von Savoyen von Maria Josepha Gräfin Starhemberg die nun Engelhartstetten genannte Herrschaft samt Schloss und Dorf Niederweiden. Er vereinigte den Besitz mit seiner Herrschaft Schlosshof und wurde damit zum bedeutendsten Grundherrn im Marchfeld. Der Prinz hatte am Bau kaum etwas verändert. Er ließ lediglich im Nordostappartement für sich selbst ein rot tapeziertes Schlafzimmer mit einer Kapelle herrichten, benützte es aber nur selten. Hinter dem Schloss entstand ein, von zahlreichen Alleen und Wegen durchzogener Park, in dem auch ein Heckentheater angelegt wurde. Die Planung dieser Parkanlage erfolgte durch Lukas von Hildebrandt. In einem Nebengebäude wurde eine Jagdküche eingerichtet, die für jeden Jagdgast eine eigene Feuerstelle vorsah. Nach Prinz Eugens Tod vermählte sich seine Nichte und Universalerbin, Prinzessin Viktoria, 1738 mit dem Prinzen Joseph Friedrich von Sachsen-Hildburghausen. Er verkaufte Schlosshof und Niederweiden 1755 an Kaiserin Maria Theresia, die dem Schloss durch Nicolo Pacassi sein heutiges Aussehen gab. Vor allem wurden die bisher eingeschossigen Seitenteile aufgestockt, so dass der gesamte Bau nun zweigeschossig ist und seine ursprünglichen Proportionen verloren hat. Die Fassadengliederung durch Doppelpilaster verschwand unter einer dicken Putzschicht. Der Schönbrunner Hofgärtner Louis Flechier ließ 1770 zwischen den Schlössern Hof und Niederweiden eine Allee anlegen, die auch heute noch existiert. 1777 wurde in Schloss Hof ein Familientreffen der damaligen Habsburger abgehalten. Bei dieser Gelegenheit fand im Heckentheater von Niederweiden die prunkvolle Aufführung einer Komödie statt. Nach dem Ableben der Kaiserin blieb das Schloss praktisch bis heute unbewohnt.

Als 1898 die Schlösser Hof und Niederweiden dem Militär übergeben wurden, begann der Verfall. Man entfernte alles Brauchbare, wie Boiserien und Parkettböden aus Niederweiden. Sogar die eingemauerten Polsterhölzer der Fußböden wurden herausgestemmt. Dieses Material wurde zum Teil im Wiener Augartenpalais wieder verwendet, das damals gerade als Residenz für Erzherzog Otto ausgebaut wurde. Der Rest des Mobiliars wurde dem Hofmobiliendepot übergeben. 1945 beschädigten Artillerietreffer die Fassade. Die letzten Reste der Einrichtung verschwanden durch Plünderungen. 1956 kam es im Zuge von Wiederherstellungsarbeiten zu einem Brand im Dachstuhl, dem die Decke über dem Stiegenhaus zum Opfer fiel. Dadurch wurde die von Nikolaus Pacassi errichtete Treppe schwer beschädigt. Die Dächer wurden anschließend wieder instand gesetzt und die Bauschäden behoben. Aus den Plänen, in Niederweiden ein Fischer-von-Erlach-Museum einzurichten, wurde jedoch genauso wenig, wie aus der Absicht im Schloss eine Dependance des Österreichischen Bundesmobiliendepots einzurichten. Das Gebäude versank im Dornröschenschlaf und wurde nur für gelegentliche Ausstellungen genutzt. Keine gute Idee war es, die Bundesstraße 210 nur wenige Meter neben der Westfront des Schlosses vorbeizuführen. Niederweiden befindet sich nach wie vor in Staatsbesitz, doch wurde es im Vorjahr gemeinsam mit Schlosshof der Marchfeldschlösser Betriebs- und Revitalisierungsgesellschaft, einer Tochter von Schloss Schönbrunn und Tiergarten Schönbrunn, unterstellt, die sich mit großem Aufwand bemüht, beide Schlösser zu restaurieren und wiederzubeleben. Ein endgültiger Verwendungszweck ist jedoch noch nicht gefunden.

Im Gegensatz zum benachbarten wuchtigen Schlosshof, das von vielen Nebengebäuden umgeben ist, steht das zierliche Niederweiden alleine in der Landschaft. Das einstige Jagdschloss besteht aus einem querovalen Mitteltrakt, von dem aus zwei zweiachsige Verbindungstrakte zu – an der Vorderfront - ebenfalls zweiachsigen Querflügeln führen. Das Herzstück des Schlosses ist der ovale Kuppelsaal, dessen Bau die Flügelbauten einst mit einer hohen statuengezierten Attika überragte. Sie wurde anlässlich der Aufstockung des Gebäudes unter Kaiserin Maria Theresia durch das für Niederweiden charakteristische gebrochene Mansardendach ersetzt, mit dem auch die Seitenflügel gedeckt wurden. Besonders im Mittelpavillon wirkt das gekrümmte, schindelgedeckte Mansardendach recht attraktiv. Der Kuppelsaal wurde um 1770 durch Jean Baptist Pillement mit pflanzlichen Malereien und Chinoiserien ausgemalt. Von ihm aus erschließen sich über zwei anschließende Rechtecksäle vier einzelne Appartements, die je aus einem Salon, einem Kabinett und einer Garderobe bestanden. Mehrere Zimmer wurden mit Reispapiertapeten ausgestattet, die Chinesen beim Ackerbau, der Fischerei und beim Teesammeln zeigen. Auch die zweiläufige Treppe im linken Gebäudeteil stammt aus der Zeit Maria Theresias. Parkseitig war dem Gebäude eine Terrasse vorgelagert. Ursprünglich waren vier ebenerdige Nebengebäude an den Grundstücksecken geplant, doch wurden nur die beiden an der Hofseite ausgeführt. Im Wildgehege werden Elche, Wisente und Wildesel gezüchtet. In einer Form-Baumschule werden die geometrisch zugeschnittenen Bäumchen für den geplanten Barockgarten von Schlosshof vorbereitet und gepflegt. Der seinerzeit viel beachtete Park ist längst vom Auwald der March verschlungen.

Lage: Niederösterreich/Marchfeld – ca. 10 km nördlich von Hainburg

Besichtigung: in der warmen Jahreszeit von Dienstag bis Sonntag von 10.00 bis 18.00 (Derzeitige Sonderausstellung „Das barocke Gartenfest“)


Weitere Literatur:


20.07.2003