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Vöslau


Im Salbuch des Augustiner Chorherrenstiftes Klosterneuburg wird 1136 ein Adololdus de Feselove als Zeuge genannt. Man glaubt daher, dass die Anfänge der einstigen Wasserburg auf den Beginn des 12. Jh. zurückgehen. Im 13. Jh. befand sich Vöslau im Besitz der angesehenen Wiener Ratsbürgerfamilie Poll. Chunradus Pollo zu Veselawe (ca. 1240 – ca. 1306) war der erste namentlich bekannte Wiener Bürgermeister. Da sich einer seiner Nachkommen 1309 an einer Verschwörung gegen Herzog Friedrich I beteiligte und nach deren Niederschlagung nach Bayern flüchten musste, wurden seine Besitzungen eingezogen. Die neuen Herren von Vöslau wurden die Hailpeck, von denen Seifried 1318 das Gut übernahm. 1324 diente die Burgkapelle auch als Pfarrkirche. Ritter Stephan von Hailpeck war Pfennigmeister, d. h. Zahlmeister Herzogs Albrecht IV. 1483 verwüsteten ungarische Soldaten des Matthias Corvinus die Burg und legten Feuer. Kaiser Maximilian I verzichtete 1502 auf seine Lehenshoheit und übergab die Herrschaft dem Rittergeschlecht der Theschütz als freies Eigen. Georg Theschütz und seine Nachfolger Hans Zinzendorf, Hans Paul Bayr und Carl Ludwig Graf Hofkirchen waren eifrige Protestanten. Unter ihnen war die Burgkapelle bis 1621 ein Zentrum der Reformation. Später werden die Grafen Lamberg als Besitzer genannt. Der Hofkriegsrat-Referendar August von Wöber veranlasste zwischen 1740 und 1753 die Barockisierung und Erweiterung der Anlage.

Der Bankier und Industrielle Johann von Fries (1719 – 1785) erwarb schließlich die Herrschaft. Er war durch den Export von Maria Theresientalern in den Vorderen Orient sowie durch Geldgeschäfte im Auftrag des Staatskanzlers Wenzel Fürst Kaunitz reich geworden. 1751 bekam Fries ein Fabriksprivileg für eine auf den Gütern Fridau und Rabenstein zu errichtende Barchent- und Cottonfabrik. 1761 schob er zuerst als Strohmann den dortigen Herrschaftsinhaber und Geschäftspartner Johann Georg Grechtler vor und schien formell erst 1773 als Besitzer von Vöslau auf. Er zählte zu den fünf reichsten Männern Österreichs. 1783 wurde er in den Reichsgrafenstand erhoben. Zwei Jahre später fand man seine Leiche im Vöslauer Schlossteich. Die genauen Umstände seines Todes wurden nie geklärt. Kurz zuvor hatte er noch das Schloss durch den Architekten Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg im frühklassizistischen Stil umbauen lassen. Auf ihn geht auch der einst grandiose Schlosspark mit seinem ausgeklügelten Kanalsystem zurück, der in seiner ursprünglichen Form leider nur mehr in zeitgenössischen Ansichten überliefert ist. Sein Sohn Moritz I Christian Graf Fries galt bereits als reichster Mann der Monarchie und großer Kunstmäzen. Auch Beethoven wurde von ihm stark gefördert. Der aufwändige Lebensstil der Familie führte jedoch dazu, dass 1826 Moritz II Graf Fries den Konkurs des Bankhauses anmelden musste. Die Herrschaft Vöslau wurde kurzzeitig von Georg Simon Freiherrn von Sina erworben, ging jedoch schon 1827 an Johann Heinrich von Geymüller über. Auch er war Bankier und lebte äußerst großzügig. 1834 gründete er die Vöslauer Kammgarnfabrik. Das Schloss wurde zum Treffpunkt von Künstlern, Politikern und Wissenschaftlern. 1841 war auch das Bankhaus Geymüller insolvent, doch war es Moritz II Graf Fries bereits 1836 gelungen, die Herrschaft Vöslau zurückzuerwerben. Seine Heirat mit Flora Pereira-Arnstein, der reichen Erbin der Bankiersfamilie Pereira hatte ihm dies ermöglicht. 1901 verkaufte August von Fries Vöslau an den „böhmischen Kohlenbaron“ Moritz Ritter von Guttmann. Im Zug der Arisierung wurde das Schloss 1940 von der Gemeinde Vöslau erworben. Es diente während des Zweiten Weltkrieges als Kaserne, Umsiedlerlager und Lazarett. Danach wurde es von der russischen Armee besetzt. 1947 wurde das bereits ruinöse Gebäude Wilhelm Guttmann zurückgegeben, der es aber 1951 endgültig der Gemeinde verkaufte. Sechs Jahre nach Abzug der russischen Besatzungsmacht konnte 1961 mit der Renovierung des desolaten Gebäudes begonnen werden. Seither dient es der Stadtgemeinde als Rathaus. Der herrschaftliche Meierhof wurde 1966/67 abgerissen.

Zwischen dem Schloss und der daran vorbeiführenden Hauptstraße stehen zwei quadratische Torpfeiler mit Trophäen-Putten von Franz Anton Zauner. Hier beginnt der heute stark verkleinerte Schlosspark. Eine Haselbaumallee führt zur Hauptfront des Schlosses. Dieses gilt als Hauptwerk des Frühklassizismus in Niederösterreich. Die Hufeneisenform der Anlage geht allerdings noch auf das Mittelalter zurück, ebenso wie ein Teil des Mauerwerks. Im Mittelteil werden die drei Obergeschosse durch zwei korinthische Riesenpilaster zusammengefasst. Die Betonung der Mittelachse erfolgt durch einen kleinen Giebel, der früher eine Uhr trug, heute aber das Stadtwappen zeigt. Er ist der Rest eines Dachreiters mit Zwiebelhelm, der bei der letzten Restaurierung abgetragen wurde. Die schlichten Fassaden werden etwas durch die einfachen, geraden Fensterverdachungen belebt. An der inneren Ecke des Südflügels steht in der Höhe des ersten Stocks eine mit 1855 bezeichnete Statue der Maria Immaculata. Bis zur letzten Restaurierung war dem Nordflügel ein neugotischer Rechteckerker vorgesetzt, der ebenfalls eliminiert wurde. An der Rückseite des Gebäudes ragt ein zweigeschossiger Anbau mit polygonalem Grundriss weit vor. Hier befand sich von 1740 bis zum Ende des 18. Jh. im ersten Stock die Schlosskapelle. Sie wurde beim Umbau durch Hohenberg in einen Speisesaal für die Familie Fries verwandelt. Heute dient der Raum als Trauungssaal des Standesamtes. Unter der Kapelle lag ein großer Gartensalon. Im Inneren des Gebäudes ist das klassizistische Stiegenhaus zu erwähnen. Es führt zu den durchwegs modern eingerichteten Räumen des ersten Stocks. Der ehemalige Fest- und jetzige Sitzungssaal im zweiten Stock zeigt wieder sein Wanddekor aus dem 18. Jh., nachdem verschiedene Übermalungen entfernt wurden. Auch der anschließende Salon, der heute als Beratungszimmer verwendet wird, hat seinen Raumschmuck aus der Zeit Josefs II bewahrt. Bei der Neugestaltung des Parks wurden in seinem hinteren Teil vier monumentale Steinvasen aufgestellt, die einst das Stadtpalais der Fries (heute Palais Pallavicini) am Wiener Josefsplatz schmückten. Sie stammen von Franz Anton Zauner und stellen die bedeutendsten Flüsse der damaligen vier Erdteile dar (Nil, Donau, Mississippi, Ganges). Vom vielbewunderten Landschaftsgarten des 19. Jh. sind noch einige seltene Bäume vorhanden. Nicht mehr erhalten ist die einstige Gartenarchitektur mit Felsgrotten und Wasserkünsten. Durch den Park ziehen sich einzelne Kanäle, Reste des Wassergrabensystems, das einstmals die Burg schützte.

Lage: Niederösterreich/Wienerwald – inmitten der Stadtgemeinde Bad Vöslau

Besichtigung: als Amtshaus ist das Gebäude weitgehend frei zugänglich


Weitere Literatur:


12.07.2003