ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Schielleiten - Neu-Schielleiten


Schielleiten gilt als wichtigster Schlossbau des Spätbarocks in der Steiermark. Seine Errichtung hat den Bauherrn und seine Nachfahren an den Rand der finanziellen Katastrophe gebracht. Max Rudolf Graf Wurmbrand-Stuppach begann um 1730 mit dem Bau, offensichtlich ohne sich zuvor mit der Finanzplanung beschäftigt zu haben. Da seine Einnahmen im Jahr weniger als ein Viertel dessen ausmachten, was die Bauarbeiten verschlangen, musste er Burg und Herrschaft Neuhaus verkaufen. Außerdem bekam er Schwierigkeiten mit seinen Untertanen, von denen er überhöhte Abgaben und exzessive Robot verlangte. Nach seinem Tod stoppte die Witwe den Weiterbau, so dass nur der Mittelrisalit, die beiden Flügel und der Westrisalit fertiggestellt wurden. Ein von der eingesetzten Inventarkommission angeregter Abriss des Gebäudes konnte abgewendet werden. Der vorgesehene Innenausbau unterblieb weitgehend. Der Architekt des Gebäudes ist zwar nicht dokumentiert, doch wird es aus stilistischen Gründen Johann Georg Stengg zugeschrieben. Das Schloss blieb bis 1906 im Besitz der Familie und wurde dann von Marchese Antonio Tacoli gekauft. Seine Erben veräußerten es 1921 an den Großindustriellen und Torpedofabrikanten Frank Whitehead. Als dieser infolge der Weltwirtschaftskrise den Großteil seines Vermögens verlor, wurde der Gutsbesitz aufgeteilt und verkauft.

1935 erwarb die Republik Österreich das Schloss und übergab es der Österreichischen Turn- und Sportfront. Noch im gleichen Jahr wurde der fehlende Ostrisalit stilgemäß ergänzt und den bestehenden Trakten angepasst, so dass heute kaum zu merken ist, dass zwischen der Errichtung der beiden Risalite zweihundert Jahre liegen. Leider wurden damals die statuengeschmückten Blendattiken, die die Dächer der Flügeln schmückten, abgenommen. Dadurch wurde die ursprüngliche Silhouette des Schlosses verändert. Die vorhandenen Figuren wurden später im Park und vor dem Schloss aufgestellt. Im Zweiten Weltkrieg stand Schielleiten der NSDAP zur Verfügung und wurde als Gau-Sportschule genutzt. Danach diente es als Ausweichquartier für das Grazer St. Anna-Kinderspital und zuletzt als Lazarett. Von 1945 bis 1947 stand es als deutsches Eigentum unter britischer Militärverwaltung. Das Gebäude wurde seit dem zweiten Weltkrieg mehrfach restauriert und 1972 im Inneren umgebaut. So ist Schielleiten vermutlich das einzige barocke Schloss Österreichs, in dem sich ein Turnsaal befindet. Es beherbergt noch heute Österreichs älteste und schönste Bundessportschule. Mit Konzerten, wie den „Schielleitner Barockabenden“ erfolgt auch eine kulturelle Nutzung des Schlosses.

Schielleiten, oder Neu-Schielleiten, wie es zur Unterscheidung von dem nur mehr als Ruine erhaltenen Alt-Schielleiten auch genannt wird, ist ein durch das Wiener Hochbarock geprägter zweigeschossiger Schlossbau. Er besteht aus einem leicht gerundeten, dreiachsigen Mittelpavillon, an den zwei fünfachsige Flügelbauten anschließen, die von zwei vierachsigen, um eine Fensterbreite vortretenden Eckrisaliten begrenzt werden. Beide Langfronten sind ziemlich gleichwertig ausgeführt. Das Erdgeschoß ist durch seine Längsnutung und die einfachen, vergitterten Fenster als Sockelgeschoß dargestellt. Es beherbergte neben den Kinderzimmern Räume für die Angestellten und Diener. Das Obergeschoß zeichnet sich durch den aufwändigen Schmuck der großen Fenster aus. In den Rundungen der vorspringenden Verdachungen finden sich abwechselnd stuckierte Vasen und Muscheln. Die Fassade des Obergeschosses ist durch Lisenen klar gegliedert. Dahinter lagen die Repräsentations- und Wohnräume des Grafen und der Gräfin. Einige Räume wurden im 18. Jh. mit Stuckdecken und Öfen ausgestattet, die noch teilweise erhalten sind. Besonders reich verziert ist der Mittelteil des Schlosses, in dem sich der große ovale Saal befindet. Die beiden Etagen der Fassade sind durch Kolossalpilaster verbunden. Die Fläche zwischen den besonders hohen Fenstern des Festsaales und jenen des Erdgeschosses ist mit qualitätvollen Stuckarbeiten gefüllt. Über dem Mittelfenster ist an der Parkseite eine Uhr eingebaut. Da dem Mittelteil eine mit vier Statuen bestückte geschwungene Blendattika aufgesetzt ist, wirkt er deutlich höher als die Seitenflügel, obwohl er ebenfalls nur zwei Geschosse aufweist. Von der Terrasse an der Gartenseite führt eine Treppe in den Park hinunter. Rechts und links vom Schloss liegen vier Nebengebäude: das Verwalterhaus, ein Presshaus, ein Gartenhaus und der einstige Pferdestall. In einem dieser Stöckl ist eine stilvolle Kapelle eingerichtet. Im 43 ha großen Schlosspark sind verschiedene Sportstätten angelegt.

Lage: Steiermark/Oststeiermark – ca. 15 km südwestlich von Hartberg

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


04.06.2003