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Geymüller-Schlössel


Zu den bedeutendsten Wiener Bankiers gehörten ab dem Ende des 18. Jh. die Brüder Johann Heinrich und Johann Jakob Geymüller. Die Beteiligung an der Finanzierung der Kriege von 1805 und 1809 sicherte ihnen das Wohlwollen des Kaiserhauses und brachte ihnen die Freiherrenwürde. Neben dem eleganten Palais in der Wallnerstraße gehörte ihnen u. a. auch die Herrschaft Pötzleinsdorf. Hier ließ sich Johann Jakob nach 1808 ein Schlösschen im romantischen Stil seiner Zeit errichten und luxuriös ausstatten. Der Architekt ist unbekannt, gelegentlich wird Louis Montoyer vermutet. 1839 kaufte Johann Heinrich Freiherr von Falkner-Geymüller das Schlösschen. Das Gebäude blieb aber nur bis 1842 in seinem Besitz. Nach mehrfachem Eigentümerwechsel gelangte es in bürgerliche Hände. Der Textilfabrikant Isidor Mauthner erweiterte es 1888 und machte es zum beliebten Treffpunkt der Künstler, Literaten und Wissenschaftler Wiens. 1938 kam es an die Deutsche Reichsbank, die es abreißen wollte, was gerade noch vom Denkmalschutz verhindert werden konnte. Der Großteil der kostbaren Einrichtung ging aber während des Zweiten Weltkrieges verloren. Nach 1945 erwarb der damalige Generaldirektor der Österreichischen Staatsdruckerei, Dr. Franz Sobek, das Schlösschen. Er ließ das schon desolat gewordene Gebäude renovieren und den verwüsteten Garten erneuern. Außerdem brachte er hier seine international bekannte Uhrensammlung unter und stattete das Schlösschen mit wertvollen Einrichtungsgegenständen des Empire und Biedermeier aus. 1965 schenkte er den Großteil seiner Sammlungen der Republik Österreich. Dazu gehörten u. a. 160 Altwiener Uhren aus der Zeit von 1769 bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. und Möbel aus den Jahren 1800 bis 1840. Mittlerweile wurde diese Sammlung restauriert und aus öffentlichen Beständen ergänzt. Das Geymüller-Schlössel gehört nun zum Museum für Angewandte Kunst. 1988 wurde es im Inneren renoviert. Wie ein Zettel am Eingang vermerkt, ist das Gebäude samt Landschaftspark derzeit aus „budgetären Gründen“ geschlossen.

Das Schlösschen ist eines der interessantesten Baudenkmäler des Spätempires in Wien. Wie bei Schlössern des 18. Jh. üblich, weist die im Grundriss barocke Anlage einen Saal zum Garten hin auf. An der Straßenfront sind die zwei Geschosse im Mittelteil der Fassade, der als Loggia ausgebildet ist, durch Säulen mit Palmettenkapitellen verbunden. Wie im erst später aufkommenden Historismus üblich, werden fremde, d. h. in diesem Fall gotisierende und ägyptische Stilelemente eingebunden. So ist die Gartenfront spätbarock, während die Spitzbogen oberhalb der Fenster an der Straßenseite eher neugotisch wirken. Der gartenseitig vortretende achteckige Saal wird von einer, mit einem Halbmond gekrönten türkischen Kuppel überragt. Passend zu dieser „Moschee“ gab es sogar ein kleines Minarett, das aber aus technischen Gründen noch vor 1829 abgetragen werden musste. Das Innere ist repräsentativ für die gehobene Wohnkultur der Empire- und Biedermeierzeit. Im Westteil des Gebäudes liegt das halbrunde Treppenhaus mit einem gotisierenden Schmiedeeisengeländer. Zentraler Raum des Hauses ist der Kuppelsaal im Obergeschoß, in dem Clara von Geymüller nach 1836 noble Geselligkeit pflegte. Besonders schön ist der Blaue Salon. Er ist mit Bildtapeten im Empirestil sowie mit Einrichtungsgegenständen aus der Wiener Möbelfabrik Danhauser ausgestattet. Die eleganten Dekorationsmalereien in der Eingangshalle und in der Beletage waren unter späteren Übermalungen verdeckt und kamen zum Grossteil erst bei der 1990 abgeschlossenen Restaurierung wieder zum Vorschein.

Ort/Adresse: 1180 Wien, Khevenhüllerstraße 2

Besichtigung: Das Museum ist derzeit geschlossen. Bei Voranmeldung im Museum für angewandte Kunst sind jedoch Führungen möglich.


Weitere Literatur:


03.06.2003