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Sierndorf


In den 60er-Jahren des 13. Jahrhunderts wird ein Albero von Sierndorf urkundlich erwähnt, auf den 1272 ein Swikerus de Syrendorf folgte. Zu den Herren von Sierndorf gehörte auch Propst Stephan von Klosterneuburg, der beim großen Stiftsbrand von 1318 die Tafeln des Verduner Altares rettete, indem er sie ständig mit Wein übergießen ließ. Die Sierndorfer starben 1379 aus. Ihre Erben verkauften die Herrschaft an die Wiener Bürgerfamilie der Tirna. Nach einigem Besitzerwechsel erwarb Hans von Zelking 1496 das landesfürstliche Lehen. Sein Bruder Wilhelm baute nach 1516 die mittelalterliche Burg zum Wasserschloss aus. Er stiftete auch den bemerkenswerten Hochaltar in der von ihm neu erbauten Kapelle. Aus finanziellen Gründen mussten die Zelkinger 1604 die Herrschaft an die Herberstein verkaufen. Maria Susanna Herberstein brachte den Besitz 1696 in ihre Ehe mit Albert Ernst Graf Gurland ein. Zwischen 1709 und 1728 kam es unter dem kaiserlichen Rat und Oberkommissär der Provinzialstände Johann Anton Ernst Graf Gurland zu einer barocken Neuausstattung, die sich in erster Linie auf die Repräsentationsräume erstreckte. Als Architekt der baulichen Veränderungen (Portal, Treppenhaus) kommt in erster Linie der Baumeister Christian Alexander Oedtl in Frage. 1749 erbte Leopold Graf Schallenberg das Schloss. Er verkaufte das Gut bereits 1755 an Fürst Rudolf Josef Colloredo. Zu den letzten baulichen Veränderungen kam es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als an der Südseite des Innenhofes ein dekoratives Treppenhaus angebaut wurde. Umfangreiche Instandsetzungsarbeiten fanden zwischen 1898 und 1902 statt. 1940 wurde der Besitz durch das Deutsche Reich enteignet, aber 1950 der Familie Colloredo-Mansfeld wieder zurückgegeben. In der Zwischenzeit war das Inventar großteils vernichtet und das Gebäude stark beschädigt worden. Mittlerweile macht das Schloss wieder einen sehr gepflegten Eindruck.

Schloss Sierndorf liegt in einem weitläufigen englischen Park am Nordrand des Ortes. Es war von zwei Gräben und einem mit runden Eckbastionen verstärkten Wall umgeben. Ein Teil des Grabens hat sich an der Südseite und eine Eckbastion im Südwesten des Schlosses erhalten. Der Rest wurde 1840 eingeebnet. Der innere Graben war früher mit Wasser gefüllt. Er wurde von einer Zugbrücke überspannt. Die seinerzeitige Dominante der Anlage, der von einer Marienstatue gekrönte mächtige Turm an der Ostecke des Baues, wurde 1878 abgetragen. Das Gebäude ist eine vierflügelige, dreigeschossige Anlage, die einen großen Innenhof umschließt. Schauseite ist die lange Ostfront, in die die Schlosskapelle und heutige Pfarrkirche integriert ist. Sie hebt sich nur durch die drei Spitzbogenfenster von der schlichten, ansonsten ungegliederten Fassade ab. Der anschließende Wohntrakt wird im Nordosten von einem vorspringenden turmartigen Eckrisalit begrenzt. Ein weiterer findet sich an der Südwestecke des Gebäudes. Beim Portal beginnt eine barocke Raumfolge, die über die Einfahrt, das Treppenhaus bis zum großen Festsaal und den anschließenden Repräsentationsräumen reicht. Das aus der Renaissance stammende Rundbogenportal ist im 18. Jh. weiter ausgeschmückt worden. Damals wurden über dem Triglyphenfries zwei barocke Steinfiguren, David und Saul darstellend, angebracht. Darüber befindet sich ein von Putten gehaltenes Doppelwappen der Fürsten Colloredo.

Durch eine dreijochige Einfahrt mit Kreuzgratgewölbe und Bandlwerkstuck gelangt man in den Innenhof. Von ihm aus führen zwei Renaissance-Spindeltreppen sowie die neugotische Stiegenanlage an der Ostseite in die oberen Stockwerke. Hier sind die Räume reich stuckiert. Im Westtrakt liegt die Bibliothek mit einer originalen Einrichtung aus der ersten Hälfte des 18. Jh. Die Wände des zweigeschossigen Festsaals, der sich über die östliche Hälfte des Nordtrakts erstreckt, sind mit verschiedenfarbigem Stuckmarmor verkleidet. Wandpilaster schaffen eine einheitliche Durchgliederung des Raumes. Von besonderer Qualität sind die Supraporten und Kapitelle. Das leider stark restaurierte und übermalte Deckenfresko stellt die vier Jahreszeiten dar, wobei in das Programm auch die vier Kontinente (ohne Australien), die vier Tageszeiten und die vier Elemente einbezogen sind. Es stammt aus dem ersten Viertel des 18. Jh. Die gemalte Scheinarchitektur, die die Wandarchitektur an die Decke verlängert, ist ein Werk des Johann Carl Jacobe aus Wien. Das Vorzimmer zum Festsaal wurde 1898/1902 durch den Prager Künstler Gottfried Raubalik mit Vogel- und Blumenmotiven ausgemalt. An den Festsaal schließt ein Turmzimmer an, dessen farbenfrohes Deckenfresko (1714) den entführten Ganymed in ebenfalls reicher Architekturumrahmung zeigt. Es wird dem Strudel-Schüler Johann Georg Schmidt (dem Wiener Schmidt) zugeschrieben. Die Ausstattung mit Stuckmarmor entspricht der des Saales, doch steht nur wenig Wandfläche zur Verfügung, da der intime Raum dreiseitig belichtet ist. Der Zugang zu den Repräsentationsräumen erfolgt über eine von der Einfahrt emporführenden spätbarocken Prunktreppe. Ihre ornamentierte Steinbalustrade ist im zweiten Obergeschoß mit Putten und Ziervasen geschmückt.

Die Schlosskapelle wurde 1282 erstmals genannt, aber zwischen 1511 und 1516 als Saalbau neu errichtet. Das feine Netzrippengewölbe wurde im 19. Jh. erneuert. Das bedeutendste Kunstwerk der Kapelle ist ein Renaissance-Steinaltar aus dem Jahr 1518. Die qualitätvollen Reliefs des Mittelteiles stellen die Verkündigung, die Himmelfahrt Mariens sowie das Schweißtuch der Veronika dar. In der Predella erkennt man die Anbetung der Hl. Drei Könige sowie eine Stifterdarstellung. Die steinfärbig gestrichenen Holzflügeln zeigen Szenen aus dem Marienleben. Bemerkenswert ist auch ein Taufstein in Astwerkgotik aus dem Jahr 1518. Hier wurden die 16 Kinder Wilhelms von Zelking getauft. In fensterähnlichen Nischen des Oratoriums stehen zwei lebensgroße Halbfiguren, die den Stifter Wilhelm von Zelking und seine Frau Margarete von Sandizell darstellen. Sie stammen vermutlich aus der Werkstätte Anton Pilgrams in Wien.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – ca. 7 km nördlich von Stockerau

Besichtigung: nur von außen möglich. Die Kirche ist während der Gottesdienste natürlich zugänglich.


Weitere Literatur:


19.04.2003