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Wien - Hofburg/Schweizertrakt


Der Schweizertrakt ist der älteste Bauteil der ausgedehnten Wiener Hofburg. Zur Zeit der Babenberger gab es noch keine feste Residenz in Wien. Die Landesfürsten zogen im 12. und 13. Jh. von Stützpunkt zu Stützpunkt, um sich überall zu zeigen und Recht zu sprechen. Außerdem waren sie dadurch von inneren und äußeren Feinden schwerer angreifbar. Erst Heinrich II Jasomirgott wählte Wien als Zentrum der 1156 zum Herzogtum erhobenen Mark Österreich und hielt sich hier meist auf. Seine Nachfolger bevorzugten aber wieder die „ambulante“ Machtausübung. Vermutlich war es der böhmische König Ottokar II, der um 1275 in Wien die erste Stadtburg errichtete. Der Grund für ihre Erbauung lag in seinem mangelnden Vertrauen in die Treue des österreichischen Adels und der Städte. Außerdem musste er bereits mit einem Angriff König Rudolfs von Habsburg rechnen, der 1276 auch erfolgte. Da seine Vorgänger in Wien bereits einen Stützpunkt hatten, von dem man aber nicht weiß, wo er sich befand, ist nicht eindeutig feststellbar, ob Ottokar nur einen Ausbau vornahm oder einen Neubau errichtete. 1278 wird die Burg erstmals urkundlich erwähnt. Ihr ältestes Abbild wurde erst 1480 auf der Tafel „Flucht nach Ägypten“ des Wiener Schottenaltares festgehalten. Die Burg lag nahe dem befestigten Widmertor und ist im heutigen Schweizertrakt der Hofburg nachweisbar. Untersuchungen des Baubestandes haben eine in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückgehende, nicht ganz rechteckige Anlage mit vier Türmen erkennen lassen. Vom Unterbau des West- oder Widmerturmes wurden im letzten Jahrhundert gewaltige Quadern freigelegt. Das Haupttor befand sich bereits an der Stelle des heutigen Schweizertores, doch gab es den Nordflügel noch nicht. An seiner Stelle befand sich eine nicht besonders wehrhafte Abschlussmauer. Die Burgkapelle lag im Schutze des Südturms. Sie wird 1296 erstmals erwähnt. Als ihr Gründer gilt Herzog Albrecht I, Rudolfs Sohn. Die Kapelle war damals der hl. Jungfrau und den Heiligen Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist und Pakratius geweiht.

1309 kam es zu einer Verschwörung gegen Friedrich I. Eine Gruppe Aufständischer wollte in Abwesenheit des Herzogs die Burg einnehmen. Der Hubmeister von Österreich erfuhr jedoch von diesem Plan, bemächtigte sich der Hofburg und ließ ihre Tore und Türme besetzen. Damit war der Aufstandsversuch gescheitert. 1331 wurde der Dachstuhl der Burg erneuert. Dies deutet darauf hin, dass sie unter dem großen Stadtbrand von 1327 gelitten hatte. Als die Kurfürsten im Jahr 1400 König Wenzel abgesetzt hatten, wurde dieser den Herzogen von Österreich übergeben, die ihn zuerst in der Hofburg und später in einem Haus am Kienmarkt inhaftierten. In der Burg gab es bereits bescheidene Repräsentationsräume. So wird 1407 von einer „gemahlten stube“ berichtet. Die Räumlichkeiten dürften aber beengt gewesen sein, da größere Feierlichkeiten in anderen Gebäuden Wiens abgehalten wurden. Kaiser Friedrich III ließ die Wiener Burg weitgehend ausräumen und das Inventar in die von ihm bevorzugte Residenz nach Wiener Neustadt bringen. 1451 besetzten die Wiener die Hofburg. Nach dem frühen Tod des Ladislaus Posthumus, kam es zwischen Kaiser Friedrich III, seinem Bruder Albrecht VI und Herzog Sigmund von Tirol zu einer Aufteilung der Hofburg. Der Kaiser kaufte jedoch die Anteile der beiden Rivalen auf und war bald wieder alleiniger Herr in der Burg. In den folgenden Kämpfen zwischen Friedrich und seinem Bruder hielt die Stadt Wien zu Herzog Albrecht VI. 1462 belagerten die Wiener Friedrich III in der Burg, wobei diese erheblich beschädigt wurde. Es gelang aber nicht, die Besatzung auszuhungern, da Georg von Podiebrad dem Kaiser zu Hilfe kam und die Belagerung abgebrochen werden musste. Friedrich hielt sich kaum in der Hofburg auf. Er ließ jedoch die schweren Schäden auf Kosten der Wiener beheben. 1485 zog der ungarische König Matthias Corvinus nach fast zweijähriger Belagerung in Wien ein. Er ließ auf 40 Schiffen alles wertvolle Gut aus der Hofburg und der Stadt nach Ofen bringen. Nachdem er 1490 in der Wiener Hofburg verstorben war, besetzte König Maximilian I die Stadt und belagerte die Burg. Nach 14 Tagen musste sich die ungarische Besatzung ergeben. Maximilian hielt sich wenig in Wien auf und ließ die Hofburg von Burggrafen verwalten. 1495 wurde der Innenhof gepflastert.

1515 fand in der Burg ein Kongress statt, an dem König Maximilian I, König Wladislav von Böhmen und dessen Bruder König Sigismund von Polen teilnahmen. Er endete mit einer Doppelhochzeit. Ein verheerender Stadtbrand erfasste 1525 auch Teile der Burg, die dabei schwer beschädigt wurde. Während der ersten Türkenbelagerung Wiens im Jahr 1526 konnten Versuche der Osmanen, unter der Burg Minengänge vorzutreiben und den Bau dadurch zu sprengen, in letzter Minute verhindert werden. Nach der Vertreibung der Türken beschloss Kaiser Ferdinand I seinen Hof endgültig von Prag nach Wien zu verlegen. Er ließ die schweren Schäden an der Burg beseitigen und die Residenz repräsentativ ausstatten. Die schwer in Mitleidenschaft gezogene Hauptmauer im Westtrakt musste unterfangen werden. Es wurden neue Stallungen erbaut, ein neues Ballhaus geschaffen und ein großer Lustgarten angelegt. Zur Erinnerung an seine Entstehung wurde eine Wappentafel beim Eingang in die Gärten angebracht, die im 18. Jh. an die Nordseite des Burggrabens übertragen wurde, wo sie sich heute noch befindet. 1553 wurde die Hofwasserleitung, die erste ihrer Art in Wien, in die Hofburg gelegt. Der heutige Innere Burghof wurde als Turnier- und Festplatz gestaltet. Da Kaiser Ferdinand I seine 15 Kinder nicht mehr standesgemäß in der alten Burg unterbringen konnte, ließ er das Widmertor abreißen und an seiner Stelle ein dreistöckiges sechsachsiges Gebäude errichten. Mit dem von Ferdinands Nachfolgern begonnenen Ausbau der Hofburg, verlagerte sich das höfische Leben in die neu geschaffenen Trakte. Der Schweizerhof war aber immer wieder Schauplatz von Ehrungen und Empfängen. So bejubelte man hier im Siebenjährigen Krieg den Feldmarschall Hadik, der zuvor Berlin erobert hatte. Auch Feldmarschall Laudon wurde im Hof offiziell geehrt. 1782 begrüßte Kaiser Josef II vor der Burgkapelle Papst Pius VI nach seiner Ankunft in Wien.

Der Schweizerhof hat seine ursprüngliche Form – eine beinahe quadratische vierflügelige Anlage – bis heute beibehalten. Lediglich die vier Türme wurden bis 1753 abgetragen. Sogar Teile des alten Wassergrabens sind noch – allerdings trocken – im Inneren Burghof, aber auch hinter der Schatzkammer, zu sehen. Die Verbindung zwischen dem Inneren Burghof und dem Schweizerhof erfolgt durch das Schweizertor, ein prunkvolles Renaissanceportal, über dem eine mit dem kaiserlichen Adler versehene Inschrift darauf hinweist, dass es 1552 unter Kaiser Ferdinand I errichtet wurde. Es ist ein Werk des italienischen Maurers und Malers Pietro Ferrabosco und gehört zu den besten der wenigen Renaissance-Denkmäler Wiens. Damals wurde die gesamte Nordfassade des Schweizertraktes neu errichtet. Sein Name stammt übrigens von der aus Schweizer Söldnern gebildeten Truppe, die zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia die Torwache stellte. Vor der einstigen Zugbrücke über den Graben stehen zwei steinerne Wappenlöwen aus dem 18. Jh. Der linke Löwe hält den österreichischen Bindenschild in seinen Pranken, während der rechte einen Schild mit fünf Adlern zeigt, die heute das Wappen von Niederösterreich bilden. Die gewölbte Tordurchfahrt ist mit Deckenfresken geschmückt, die die Wappen der zum damaligen Österreich gehörenden Gebiete zeigen. Am Sockel des inneren Torbogens hatte im Jahre 1660 Kaiser Leopold I persönlich den Wahlspruch Kaiser Maximilians II „Si deus pro nobis quis contra nos“ (Wenn Gott mit uns ist, wer ist gegen uns?) eingemeißelt. 1945 war das Schweizertor in einem schlechten Zustand, der Staat musste aber wichtigere Bauvorhaben finanzieren. Ein aus Amerika zurückgekehrter Wiener Textilfabrikant stellte die Mitteln für seine Restaurierung zur Verfügung, da er es wieder so wie in seiner Jugend sehen wollte. Rechter Hand befindet sich der Aufgang zur Burgkapelle. In ihrer heutigen Form geht sie auf die Jahre 1447 bis 1449 zurück, als der spätere Kaiser Friedrich III die bereits von Herzog Albrecht V 1423 vergrößerte erste Kapelle neuerlich erweitern und umbauen ließ. Ihre mittelalterliche Herkunft ist ihr nur mehr teilweise anzusehen, da sie sich hinter einer Fassade des 18. Jh. versteckt, die nach einem Entwurf von Jean Nicolas Jadot de Ville-Issey errichtet wurde. Lediglich der gotische Chor ragt noch in den schmalen Kapellenhof vor, der einst der südliche Teil des Wassergrabens war. Er wurde im 18. Jh. zugeschüttet. Das Kircheninnere ist barock ausgestattet. 1802 erfolgte eine Generalrenovierung der Kapelle. Sie ist eine traditionsreiche Stätte der Kirchenmusik. Die Wiener Hofmusikkapelle wurde 1498 von Maximilian I reorganisiert. Sie ist die älteste noch bestehende musikalische Institution Europas. Die Mitglieder des Orchesters gehören den Wiener Philharmonikern an. Der Chor wird von den Wiener Sängerknaben gestellt. Jeden Sonntag findet hier ein feierliches Hochamt statt, dessen Pomp sich durchaus mit jenem messen kann, als noch der Kaiser persönlich anwesend war.

Links neben dem Schweizertor liegt im Hof in einer Nische ein alter Brunnen, der jahrhundertelang als Ziehbrunnen den Burgbewohnern das Trinkwasser geliefert hat. Sein Brunnenbecken ziert ein in Stein gemeißelter Doppeladler, die einzige Erinnerung an Kaiser Karl V in Wien, der sich hier nie aufgehalten hatte. Ein kunstvolles Schloss an einer mächtigen Eisentür im Treppenhaus der Säulenstiege deutet darauf hin, dass sich dahinter wertvolle Dinge befinden. Hier im Ostflügel werden die bedeutendsten historischen Schätze Österreichs verwahrt. Die Wiener Schatzkammer hütet nicht nur die deutsche und die österreichische Kaiserkrone, sondern auch die übrigen Reichskleinodien, zu denen u. a. der Reichsapfel, das Reichsevangeliar, das Zeremonienschwert und der sog. Säbel Karls des Großen gehören. Auch die sagenumwobene Achatschale und das „Ainkhürn“ sind hier zu finden. Die angeschlossene Geistliche Schatzkammer enthält kostbar gestickte Messornate aus dem Mittelalter sowie wertvolle Monstranzen. Im Stockwerk oberhalb der Schatzkammer hat die Burghauptmannschaft ihren Sitz, der die Verwaltung des riesigen Gebäudekomplexes (18 Trakte mit 19 Höfen und 2.600 Räumen) obliegt. Die Zehrgadenstiege erinnert noch an die großen Lebensmittelmagazine, die sich hier befanden und bis 1918 zur Versorgung der etwa 2.000 Bediensteten dienten. Daneben befand sich die Hofküche, deren Eingang unterhalb des Kapellenaufganges lag. Im Nordtrakt des Schweizerhofes sind die Büros des Österreichischen Bundesdenkmalamtes untergebracht. Hier hatten zu Beginn des 19. Jh. Kaiser Franz I und etliche Jahrzehnte später Kronprinz Rudolf ihre Wohnräume. Die Botschafterstiege im Westflügel nimmt den gesamten Raum des einstigen Palas der alten Burg ein. Sie gehört bereits zum Bereich des Kongresszentrums und kann nur bei besonderen Anlässen betreten werden.

Ort/Adresse: 1010 Wien

Besichtigung: von außen jederzeit möglich. Die Hofburgkapelle sowie die Schatzkammer können zu den festgesetzten Besichtigungszeiten (Schatzkammer: täglich außer Dienstag von 10.00 bis 18.00) besucht werden.

Homepage: www.hofburg.at


Weitere Literatur:


13.04.2003