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Graz - Palais Saurau-Goess


Im Jahr 1564 schenkte Kaiser Ferdinand I dem Grazer Schlosshauptmann Pankraz Freiherr von Windischgrätz einen unmittelbar beim Paulustor liegenden Grund mit „abgekommenen Gemäuer“, wofür dieser den dahinter liegenden Pulverturm an der Stadtmauer in gutem Bauzustand erhalten sollte. Pankraz ließ sich hier anschließend einen Wohnsitz errichten. Das Palais war bis 1846, als das innere Paulustor abgerissen wurde, das letzte Gebäude in der Sporgasse. Die hier lebenden Windischgrätz waren Protestanten und mussten deshalb 1629 die Steiermark verlassen. Kurz zuvor verkaufte Friedrich Freiherr von Windischgrätz sein Palais samt anschließenden Garten an den katholisch gebliebenen Grafen Carl von Saurau, der Landeshauptmann der Steiermark war und zahlreiche Herrschaften besaß. Unter seinen Nachfolgern kam es im 18. Jahrhundert zu einer umfangreichen Barockisierung des Gebäudes. Es wurde zum Stadthaus und Verwaltungssitz der Familie. Auch das Archiv wurde hier verwahrt. Ludwig Graf von Saurau ließ in der ersten Hälfte des 18. Jh. die Straßenfront neu fassadieren sowie das Tor und das Gartenhaus erneuern. 1756 erwarb der Vormund für Raimund Maria Graf Saurau den inzwischen bereits verfallenen Pulverturm zum Abriss und zur Vergrößerung des Gartens. Raimund Maria Graf Saurau gab in der zweiten Hälfte des 18. Jh. dem Palais sein jetziges Aussehen. An der heute noch bedeutenden Innenausstattung im Rokokostil waren unter anderem der Maler Caspar David Fibich, die Tischlermeister Lorenz Degen und Johann Secatill sowie der Bildhauer Johannes Piringer beteiligt. 1777 schuf Joseph Orsatti die klassizistischen Stuckdecken. Im ersten Viertel des 19. Jh. wurde die barocke Fassade vereinfacht. Zeno Maria Graf von Saurau, der letzte seiner Familie, wurde 1832 vom Kaiser mit dem Obermarschallamt in Steiermark betraut. Nach dem 1846 erfolgten Aussterben der Saurau erbten die Grafen von Goess das Palais, das sich heute im Besitz von Carl Anton Graf Goess-Saurau befindet. In den Jahren 1988/89 kam es zu einer umfangreichen Restaurierung des Gebäudes. Es ist derzeit weitgehend vermietet.

Das stattliche, dreigeschossige Palais ist eine Vierflügelanlage um einen geräumigen Innenhof. Es liegt am Abhang des Schlossberges, so dass der Sockel aus Bossenquadern das abfallende Terrain der zehnachsigen Straßenfassade ausgleichen muss. Darüber liegt ein Untergeschoß mit kleinen, steingerahmten, vergitterten Fenstern. Die beiden Obergeschosse weisen Renaissance-Steinfensterrahmen mit profilierten Sohlbänken und geraden Verdachungen auf. Sie stammen noch von 1566. Das oberste Geschoß ist durch ein schmales Kordongesims optisch vom unteren Bereich getrennt. Die barocke Fassadierung wurde im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts vereinfacht. Dominiert wird die Straßenfront von einem eineinhalbgeschossigen Renaissanceportal. Es ist nicht zentral angeordnet, sondern liegt in den beiden äußersten Achsen am oberen Ende der Front. Das Tor wird von einer mächtigen Rustikarahmung eingefasst. In den Bogenzwickeln sind Wappenreliefs des Grafen Carl von Saurau und seiner Gattin, Susanna Catharina Freiin von Teuffenbach, eingearbeitet. Die darüber befindliche Inschrift wurde anlässlich der Hauserwerbung durch den Grafen 1630 angebracht. Die Rocaille-Kartusche im Bogenscheitel des Portals enthält das Allianzwappen des Grafen Raimund Maria von Saurau und seiner ersten Gemahlin, Maria Anna geb. Gräfin von Dietrichstein. Es wurde 1769 vom Bildhauer Johannes Piringer geschaffen. Das schmiedeeiserne Oberlichtgitter des Tores zählt mit seinen Bandl-, Laub- und Gitterwerkformen zu den bedeutendsten barocken Kunstschmiedearbeiten der Steiermark. Aus einer Luke des Kranzgesimses ragt die hölzerne Halbfigur eines Türken mit erhobenem Schwert. Die aus dem 17. Jh. stammende Originalfigur wurde 1951 in das Stadtmuseum gebracht und durch eine Kopie ersetzt. Mit ihr ist eine Sage verbunden, dass bei der Belagerung des Schlossberges durch die Türken im Jahr 1532, Ibrahim Pascha im Palais Saurau Quartier nahm, wobei ihm beim Mittagessen der Braten vom Tisch geschossen wurde und er daraufhin die Belagerung abbrach. Allerdings existierte damals das Palais noch gar nicht. Bei dem türkischen Krieger dürfte es sich viel eher um eine drehbare Quintanafigur handeln, die bei Reiterspielen verwendet wurde und später als Hauszeichen diente.

Durch die ansteigende Hausdurchfahrt mit der kreuzgratgewölbten, zweijochigen Einfahrtshalle kommt man in den großen Innenhof mit seiner aus Flusskieseln gebildeten „Murnockerlpflasterung“. Er war einst von Säulenarkaden umgeben, auf die aber weder beim Einbau des Stiegenhauses im 18. Jh. noch bei der Errichtung der umlaufenden Galerien besonders geachtet wurde. Der ursprüngliche Renaissancecharakter ist hier nur mehr am schlossbergseitigen Westtrakt gegeben. Hier finden sich im Erdgeschoß Pfeilerarkaden aus der Zeit um 1630. Die übrigen Flügel stammen in ihrer heutigen Form aus den Jahren 1775 bis 1780. Sie zeigen Balkongänge mit josephinisch-klassizistischen Steinkonsolen, Schmiedeeisengeländer und Spaliergitter. Ein ziegelgedeckter, sechsachsiger Arkadengang führt an der Südseite des Hofes zur benachbarten Stiegenkirche, in der sich Carl Graf von Saurau ein eigenes Oratorium errichten ließ. Entlang des Südflügels befinden sich ebenerdige, korbbogige Pfeilerarkaden. Von der Durchfahrt aus gelangt man über einen Stiegenaufgang in den kreuzgratgewölbten Arkadengang aus dem Jahr 1566. Die acht glatten Säulen weisen Volutenkapitelle mit kleinen Blütenreliefs auf. In der südlichen Ecke des Westtraktes befindet sich ein zweites Stiegenhaus mit einem Ausgang im ersten Stock zum Schlossberggarten (1775/80). Die Prunkräume befinden sich im straßenseitig zweiten Obergeschoß. Die drei Säle und ein Kabinett haben ihre Rokokoausstattung von 1770 weitgehend erhalten. Ihre Decken weisen vergoldete Stuckverzierungen auf. Die Motive entlang der Randzone stellen Rocaillen, Blüten und Zweige dar. Sie dürften Heinrich Formentini zuzuschreiben sein. Die Wände sind mit Damast bespannt. Das Kabinett ist mit einer Holzintarsien-Wandverkleidung versehen. Erhalten haben sich auch mehrere weißglasierte Louis XVI Kachelöfen. Sie wurden von Michael Adamez um 1775/78 gefertigt. Der um diese Zeit umgebaute Südtrakt enthält im ersten Obergeschoß ebenfalls eine Enfilade von drei Zimmern und einem Kabinett, diesmal mit josephinisch-klassizistischer Ausstattung. Die in Schablonentechnik bemalten Papiertapeten im Mittelzimmer zeigen exotische Bäume und Sträucher, die von Vögeln und Schmetterlingen umschwirrt werden. Die Tapeten wurden um 1830 in Brüssel erworben.

Auf einem Felsvorsprung des Schlossberges liegt im Park ein barocker Pavillon, der um 1740 anstelle eines älteren Gartenhauses errichtet wurde. Er hat im Inneren eine blaugraue Stuccolustro-Wandverkleidung mit weißen Rokoko-Stuckmotiven. Die elliptische Flachkuppel sowie die Stuckmedaillons in den Ecken sind freskiert. Das Kuppelfresko stellt den Götterhimmel mit vier Göttergestalten (Flora, Apollo, Diana, Merkur), umgeben von Attribute haltenden Putti dar. Die Fresken werden Franz Ignaz Flurer zugeschrieben und dürften um 1740 entstanden sein. An der Ostseite des Parks verläuft noch die mittelalterliche Stadtmauer, die den Uhrturm am Schlossberg mit dem inneren Paulustor verband.

Lage: Steiermark/Graz – Sporgasse 25

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


09.04.2003