Rappottenstein ist eine der bedeutendsten und besterhaltenen Burganlagen Österreichs. Es ist ein gutes Beispiel für eine stark befestigte Höhenburg des Mittelalters. Sie dürfte in den Jahren 1157 bis 1176 unter Rapoto von Kuenring als Sperrveste an der alten Fernstraße von Böhmen zur Donau, dem sog. „Steinernen Weg“, erbaut worden sein. Allerdings stammt aus dieser Zeit lediglich der untere Teil des Bergfriedes, der keilförmige Torbau und die ca. 1.5 m starke Umfassungsmauer der Hochburg. Die Kuenringer waren nach den babenbergischen Herzögen die mächtigste Familie im Land. Nach dem Sturz dieses Ministerialengeschlechts als Folge des Adelsaufstandes gegen Herzog Albrecht I, waren ab 1305 die Herren von Dachsberg, die zuvor Lehensnehmer der Kuenringer waren, im Besitz der Burg. Sie schufen um 1378 die Kapelle und einen Teil des Osttraktes. 1383 mußten sie ihr freies Eigen an den Landesfürsten Herzog Albrecht III verkaufen, der aber 1398 Georg von Dachsberg mit der nunmehr landesfürstlichen Herrschaft belehnte. Ab 1423 sind die mit den Dachsbergern verschwägerten Herren von Starhemberg auf Rappottenstein nachweisbar. Sie bauten die spätgotische Halle und die Burgküche. 1546 folgten ihnen die Herren von Landau, die wesentlich zum heutigen Aussehen der Burg beitrugen. Unter ihnen entstanden der erste Hof mit dem heutigen Burgtor sowie die Arkaden im inneren Burghof. 1664 kaufte Ernst Reichsgraf von Abensperg und Traun die Burg. Ihre Verteidigungsanlagen wurden immer wieder den neuesten wehrtechnischen Erkenntnissen angepaßt, so dass sie niemals erobert wurde. 1596/97 konnte sie den 3000 aufständischen Bauern widerstehen, die vergebens eine Minderung der harten Robot- und Steuerlasten verlangten. Lediglich die Wirtschaftsgebäude wurden verwüstet. 1619, als eine Mannschaft der protestantischen Stände Oberösterreichs hier Aufnahme fand, versuchten belgische Hilfstruppen des Kaisers vergeblich sie einzunehmen. Kurz nach einer durchgreifenden Instandsetzung belagerten 1645 schwedische Truppen die Burg ohne Erfolg. 1749 wurden die Bauten durch ein schweres Erdbeben stark beschädigt, so dass man sich ernsthaft überlegte, sie verfallen zu lassen, da sie ja längst keinen militärischen Wert mehr hatte. Glücklicherweise kamen die Eigentümer davon ab und renovierten die Anlage. Rappottenstein ist nach wie vor im Besitz der Grafen von Abensperg und Traun und wird auch von ihnen bewohnt.
Der Zugang zur Burg erfolgt durch ein Spitzbogentor (1549), das von zwei runden Bastionstürmen mit Kegeldächern flankiert wird. Es war ursprünglich mit einer Zugbrücke ausgestattet, die einen längst aufgeschütteten Graben überquerte. Der anschließende langgestreckte Hof wird im Westen von der zinnengeschmückten Ringmauer und dem alten Brauhaus aus der Mitte des 16. Jh. begrenzt, während sich an seiner Ostseite auf einem hohen Granitfelsen die mächtige romanische Hauptburg erhebt. Zahlreiche Kragsteine im oberen Wandbereich zeigen an, daß sich früher hier Söller bzw. Wehrgänge befanden. Das zweite Tor war bis 1548 das äußere Tor und damals mit Graben, Zugbrücke und Fallgatter versehen. Durch weitere vier Tore und vier Höfe, bzw. Zwingerabschnitte, die zum Teil von Wirtschaftsgebäuden mit riesigen Holzschindeldächer umgeben sind, gelangt man in den innersten Burghof, der 20 m über dem Eingangstor liegt. Nach den klassischen Regeln des mittelalterlichen Burgenbaues hätte ein Angreifer auf dem langen, zwingerartigen Weg, der sich fast um die ganze Hauptburg windet und stark ansteigt, stets den ungeschützten Schwertarm den Verteidigern zuwenden müssen. Der enge, trapezförmige innere Burghof ist an zwei Seiten von dreigeschossigen Renaissance-Arkaden umgeben. Sie sind mit 1601 bezeichnet und mit einer Sgraffito-Scheinquaderung verziert. Die Fenster des ersten Stocks weisen spätgotische tordierte Fensterstöcke aus Granit auf. In der Nordwestecke des Hofes liegt die spätgotische Rauchküche und ihr vorgelagert eine ebenfalls spätgotische, kreuzgewölbte, offene Pfeilerhalle aus der zweiten Hälfte des 15. Jhs., die der Besatzung als Aufenthaltsort diente. Auf der höchsten Stelle des Burgfelsens wird die Kernburg vom nahezu quadratischen, 30 m hohen, Bergfried überragt. Seine untersten zwei Geschoße mit dem Großquadermauerwerk stammen noch aus dem 12. Jahrhundert, während die folgenden Stockwerke bei einem Wiederaufbau im 14. Jh. und die beiden obersten erst im 16./17. Jh. entstanden sind. Die 31 m lange Westfront wird vom Palastrakt gebildet. An ihn angebaut, ragt der keilförmig gegen die Angriffsseite gerichtete, fünfeckige Torbau der Kernburg empor, der mit seinen teilweise mehr als 3 m starken, nahezu fensterlosen Mauern, ebenfalls bergfriedartigen Charakter hat. An die Hochburg schließt ein früher fälschlicherweise „Turnierhof“ genannter Garten auf einer Felsterrasse an, dessen Brüstungsmauer mit Schwalbenschwanzzinnen gedeckt ist. In seiner Südwestecke steht ein rechteckiger Uhrturm, dessen Zifferblatt nur mit einem Stundenzeiger versehen ist. Vom dritten Hof aus sind die darunter liegenden, zum größten Teil aus dem Fels gehauenen, kasemattenartigen Kellerräume zu erreichen. Sie werden bei Führungen gerne als Verliese bezeichnet, in denen nach der Niederschlagung des Aufstandes von 1596/97 zahlreiche gefangene Bauern auf ihr weiteres Schicksal warten mußten, was zweifellos richtig ist, da zum Herrschaftsbereich Rappottenstein bis zu 50 Ortschaften gehörten. Eine hölzerne Zwischendecke trennte die Gerichtsstube von den darunterliegenden Gefängnisräumen, die in friedlicheren Zeiten jedoch vermutlich eher für Lagerzwecke verwendet worden sind.
Im heute als „Trinkstube“ bezeichneten ehemaligen Archivraum, sowie im anschließenden Speisesaal finden sich interessante Renaissancefresken (um 1530), die zu den bedeutendsten Beispielen der Profanmalerei in Niederösterreich gehören. Ihr Erhaltungszustand ist aber sehr unterschiedlich. Sie wurden erst in den Jahren 1950 bis 1960 freigelegt und bieten einen interessanten Einblick in die adelige Wohnkultur des 16. Jahrhunderts. Der Archivraum weist übrigens ein schönes Sternrippengewölbe auf, wobei die Schlußsteine als Hängezapfen ausgebildet sind. Die zweigeschossige Burgkapelle liegt im ersten und zweiten Stock des fünfeckigen Torbaues. In dem, mit einem Netzrippengewölbe versehenen Sakralraum befindet sich ein kleiner Flügelaltar (um 1450), der die ritterlichen Heiligen Georg und Pankraz zeigt, denen die Kapelle geweiht ist. Das bewegliche Inventar der Burg ist während ihrer Vernachlässigung im 18. Jh. verloren gegangen. Noch zu Beginn des 19. Jh. wurden Kassettendecken aus der Renaissancezeit in die Laxenburger Franzensburg gebracht.
Lage: Niederösterreich/Waldviertel. Die Burg liegt auf einem felsigen Höhenrücken oberhalb des Kleinen Kamps, ca. 1,5 km südlich des Ortes Rappottenstein.
Besichtigung: nur mit Führung (ca. 50 Minuten) Ostern sowie vom 15. April bis Ende Oktober. Die Zeiten der Führungen sind der homepage der Burg zu entnehmen.
Sonstiges: Im Sommer finden zahlreiche musikalische Veranstaltungen statt. Weiters werden hier verschiedene Seminare (z. B. Bau alter Musikinstrumente) abgehalten. Einige Räume (Speisesaal, Kapelle usw.) können für private Zwecke gemietet werden.
Homepage: www.burg-rappottenstein.at
Weitere Literatur:
21.06.2002