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Rothschild in Österreich


Der Name Rothschild ist auch heute noch ein Synonym für sagenhaften Reichtum, ähnlich wie bei den Windsors oder der englischen Königin. Im Gegensatz zu diesen, die Jahrhunderte benötigten, um ihr Ziel zu erreichen, schafften es die ursprünglich kleinen Händler aus der schäbigen Frankfurter Judengasse in wenig mehr als zwei Generationen. Dies ist in erster Linie auf Meyer Amschel Rothschild zurückzuführen. Er hatte nicht nur etwa 20 Kinder sondern auch Visionen. Er brach seine Ausbildung zum Rabbiner nach dem Tod seiner Eltern ab und machte sich als Münzhändler selbstständig. Er hatte fünf Söhne, die im europäischen Finanzwesen eine beispiellose Karriere hinlegten. Einer übernahm Frankfurt und war für ganz Deutschland zuständig. Je einer baute Paris, Frankfurt und Neapel auf. Salomon Meyer kam 1821 nach Wien. Da damals den Wiener Juden noch bis 1848 jede Art von Grund- und Immobilienbesitz verboten war, mietete er ein ganzes Hotel, den „Römischen Kaiser“ in der Renngasse und konzentrierte hier seine Finanzgeschäfte für die Österreichisch-Ungarische Monarchie. Dennoch konnte er es noch erleben, dass er zum größten Grundbesitzer Österreich-Ungarns wurde. Sein Studium in England hatte ihm gezeigt, dass die inzwischen aufgekommenen Eisenbahnlinien zur cash-cow des 19. Jahrhunderts werden sollten. Er bemühte sich – und erhielt sie auch – um die Konzession für die erste Eisenbahnlinie von Wien nach Böhmen, dem damaligen industriellen Zentrum Österreichs. Das Monopol für die Erzeugung der erforderlichen Schienen lag damals aber noch bei englischen Firmen. Salomon Rothschild löste das Problem nicht nur für seine Kaiser Ferdinands Nordbahn sondern auch für alle späteren Bahnlinien durch den Erwerb der Witkowitzer Eisenwerke, des größten Industriebetriebes der Monarchie. Um die Finanzierung seiner Investitionen zu sichern, gründete er in Wien die Creditanstalt, die bald zum größten Kreditinstitut der Monarchie werden sollte. Damit verbunden war auch sein Aufstieg zu einem der reichsten Männer Europas.

Das Haus Renngasse 3, 1010 Wien ist das einzige von den Rothschilds errichtete Gebäude in Wien, das heute noch existiert. Allerdings wurde es 1847 von Salomon Meyer Rothschild nicht als Palais, sondern als Bankgebäude errichtet. Eine darin befindliche Wohnung diente wohl eher praktischen Zwecken und nicht als Residenz. Am Platz des erst später als Palais bezeichneten Hauses standen bereits im 14. Jahrhundert zwei Gebäude, von denen eines 1795 dem Gelehrten Gottfried Freiherr von Swieten gehörte. Er war ein Sohn des Leibarztes der Kaiserin Maria Theresia. Wenig später gelangte es mit dem benachbarten Haus an den Staatskanzler Clemens Freiherr von Metternich. Beide Gebäude waren 1844 an Salomon Meyer von Rothschild verkauft worden, der sie abreißen und an ihrer Stelle drei Jahre später einen Neubau errichten ließ, der fortan als Bankgebäude dem Wiener Zweig der Familie diente. Als Architekt des Hauses fungierte Ludwig Förster. Mit der Machtübernahme der deutschen Nationalsozialisten in Österreich musste 1938 das Bankhaus Rothschild in Wien schließen. Der damalige Eigentümer Louis Nathaniel Rothschild wurde inhaftiert, konnte jedoch nach einem Jahr unter Zurücklassung seines gesamten Inlandvermögens das Land verlassen. Zehn Jahre später erhielt er die durch Kriegseinwirkungen stark verminderten Reste wieder zurück, doch hatte er verständlicherweise mittlerweile sein Interesse an einem vernichteten österreichischen Bankinstitut verloren. Es wurde von der Familie Rothschild nicht mehr wieder belebt. Das Gebäude wurde 1951 von der Schoellerbank erworben und dient seither als ihre Wiener Zentrale. Seit 2005 gehört die Bank zum Konzern der Bank Austria, die wiederum Teil der italienischen Unibank ist. Louis Nathaniel Rothschild kam 1955 bei einem Badeunfall in der Karibik ums Leben, wodurch der Wiener Zweig der Rothschilds erloschen war.

Das Belvedere-Viertel im vierten Wiener Gemeindebezirk war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht unbedingt als Top-Adresse des Wiener Adels bekannt, wenn auch auf Prinz Eugen von Savoyen hier gleich zwei Wahrzeichen Wiens zurückgehen. Nathaniel von Rothschild war einer der ersten, der die Vorzüge der Adresse Theresianumgasse 14 – 16 unweit der Stadtmauer erkannte. Er ließ die Vorgängerbauten, die aus einer 1816 erbauten Villa und einem bereits 11 Jahre zuvor errichteten, aber 1838 aufgestockten Stallgebäudes bestanden, zu einem großen Wohnschloss in den Formen der französischen Hochrenaissance des 17. Jahrhunderts ausbauen. Die Pläne stammten vorerst von dem französischen Architekten Jean Girette, der ein Schüler des Erbauers der Pariser Oper, Charles Garnier, war. Er ließ die Villa um zwei Achsen erweitern und um eine Etage aufstocken. Seine Mitarbeiter Armand-Louis Bauqué und Albert Pio, die in Wien ein Architekturbüro unterhielten, vollendeten den Umbau, wobei die zahlreichen Wünsche des Bauherrn zu etlichen Abänderungen und Verzögerungen führten. Die Schauseite des Palais war dem Park und der Stadt zugewendet. Im zentralen dreigeschossigen Mitteltrakt, war die ursprüngliche klassizistische Villa als eigentlicher Wohnbau verbaut. Ein hochwertiges Museum, ein Verwaltungsgebäude sowie eine großzügige Wagenremise vollendeten den großzügigen Bau. Im Gegensatz zur eleganten Straßenfassade war die Gartenfront durch verschiedene Bauteile, wie Terrassen, Balkone und die Dachlandschaft reich gegliedert. Das prunkvoll dekorierte Gebäude wurde von Nathaniel von Rothschild in erster Linie museal genutzt. Er selbst bewohnte nur ein bescheidenes Appartement. Nathaniel starb 1905. Da das Palais durch die museale Nutzung nur mehr eingeschränkt benutzbar war, ließ sein Neffe und Erbe, Alfons von Rothschild, zwischen 1914 und 1920 anstelle der Wagenremise einen großen Wohntrakt errichten, der sich aber auf die Proportionen des Gebäudes eher ungünstig auswirkte. Nach dem erzwungenen Anschluss Österreichs an Deutschland zogen ins Palais verschiedene Dienststellen der SS ein. Auch ein Gestapo-Gefängnis wurde eingerichtet. 1944 wurde bei einem Fliegerangriff auf Wien der Verwaltungstrakt schwer beschädigt. Nach Kriegsende kam es durch Vandalismus zu weiteren Zerstörungen und Plünderungen. 1947 wurden das Palais sowie die noch darin befindlichen Kunstsammlungen an die Witwe Alfons von Rothschild, Clarice, restituiert. 1950 war das Palais weitgehend ausgeplündert, aber nicht zerstört. Dennoch erfolgte keine Unterschutzstellung durch das Österreichische Bundesdenkmalamt. Auch die Eigentümerfamilie zeigte kein Interesse an der Sanierung, so dass 1951 mit dem Abbruch des Gebäudes begonnen werden konnte. Der Stadtplaner Roland Rainer erhielt den Auftrag, an seiner Stelle ein Lehrlingsheim zu errichten, das 30 Jahre später durch ein gesichtsloses Bildungszentrum mit dem „Theater Akzent“ ersetzt wurde.

Das „französischte“ und größte aller Wiener Rothschild-Schlösser war zweifellos das Palais Albert von Rothschild in der Prinz Eugen-Straße 20 – 22. Als die Bauarbeiten 1876 begannen, gab es diese Adresse noch gar nicht. Die Prinz Eugen-Straße trug damals den wesentlich bodenständigeren Namen „Heugasse“. Bauherr war Albert von Rothschild, der Chef des Wiener Zweiges der Familie und des gleichnamigen Bankhauses. Eigentlich hätte sein Bruder, der um acht Jahre ältere Nathaniel diese Rolle übernehmen sollen, doch hatte dieser darauf verzichtet, da er sich mehr seinen Kunstsammlungen widmen wollte. Die Pläne stammten vom französischen Architekten Hippolyte-Alexandre Destillateur, die Ausführung erfolgte durch französische Handwerker. Als Bauführer in Wien fungierte J. Leyendecker. Die Bauarbeiten, bei denen vorwiegend Sandstein aus St. Margarethen im Burgenland verwendet wurde, waren 1884 beendet. Es entstand ein monumentales Stadtpalais mit großem Garten, das durch einen 45 m breiten Ehrenhof von der Straße getrennt war. An der Nordseite des Hauptgebäudes schlossen sich große Wirtschaftstrakte sowie Wohnräume für das Personal an. Am Dach des Mittelpavillons war eine Sternwarte aufgebaut. Die Innenräume waren so weitläufig, dass auf den ersten Blick zu erkennen war, dass sie in erster Linie der Repräsentation und nicht der Wohnkultur dienten. Vom dreischiffigen Vestibül gelangte man in das riesige zweigeschossige Treppenhaus aus weißem Marmor, das den französischen Schlössern des 17. und 18. Jahrhunderts nachempfunden war. Der größte Raum des Palais war der zentrale Ballsaal im Obergeschoß. Er wurde durch riesige gekuppelte Fenster beleuchtet. Die Deckengemälde zwischen den reich verzierten Stuckfeldern stammten u. a. von Tiepolo und Johan de Witt.

Die Vertäfelungen mehrerer Salons kamen aus einigen Pariser Stadtpalais, wie dem Hotel Biron. Vorbild für die Gartenfassade war Schloss Versailles. Albert von Rothschild starb 1911. Sein Nachfolger wurde sein Bruder Nathaniel, der letzte Wiener Vertreter der Familie Rothschild. Die Weltwirtschaftskrise und der Zusammenbruch der Creditanstalt hatte auch bei den Rothschilds Spuren hinterlassen. Die meisten zogen in bescheidenere Palais, wie jenes in der benachbarten Plösslgasse. Während Alfons von Rothschild Österreich rechtzeitig verlassen konnte, wurde Louis 1938 von der Gestapo noch am Flughafen Aspern verhaftet und ein Jahr lang im berüchtigten Hotel Metropol, der Wiener Gestapozentrale, inhaftiert. Erst nach Zahlung eines gigantischen Lösegeldes konnte auch Louis Nathaniel Österreich, aus dem mittlerweile die Ostmark geworden war, verlassen. In sein Palais zog noch 1938 die von Adolf Eichmann geleitete „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ ein. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges war es mit einer geregelten Auswanderung ohnehin vorbei. Diese gab es nur mehr in die Konzentrationslager Osteuropas. 1942 erwarb die Deutsche Reichspost das Palais, das zwar Beschädigungen durch die Bombardierungen Wiens 1944 erlitten hatte, aber durchaus noch zu retten gewesen wäre. Es fand sich nur niemand, der Geld in die Wiederherstellung eines jüdischen Schlosses stecken konnte oder wollte. Abgesehen von einigen Räumen, in die russischen Soldaten eingezogen waren, stand das Palais vorerst leer. Kurz vor seiner Abreise nach Amerika übertrug Louis de Rothschild den Baugrund an die Republik Österreich, die sich verpflichtete, die ehemaligen Angestellten des Hauses Rothschild durch einen eigenen Pensionsvertrag finanziell abzusichern. Schließlich wurde das Gebäude ebenfalls von der Arbeiterkammer erworben und abgerissen. Alles Brauchbare wurde zuvor noch versteigert oder verschleudert. Heute erinnert nichts mehr in Wien an den pompösen Repräsentationsbau der Rothschilds. Das schmucklose Nachfolgegebäude ist ein typisches Kind der Nachkriegszeit.

Natürlich waren die hier besprochenen Wiener Bauten nicht die einzigen Immobilien, die die Rothschilds in Österreich besaßen. Das Palais in der Prinz Eugen Straße 26 wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. 1960 mietete es der brasilianische Staat bis es 1987 von einer Erbin der Familie Rothschild angekauft wurde. Es dient seither dem brasilianischen Botschafter in Österreich als Wiener Residenz. Noch 1875 hatte Albert Freiherr von Rothschild die Herrschaft Waidhofen an der Ybbs mit dem angeschlossenen großen Forstbetrieb erworben. Dazu gehörten Forstbetriebe in Steinbach und Langau sowie mehrere Jagdhütten und kleinere Jagdschlösser. Der größte Teil des Waldbesitzes (angeblich ca. 120 Quadratkilometer) wurde bis 2018 an den österreichischen Papierindustriellen Thomas Prinzhorn verkauft. Das architektonisch eindrucksvolle Schloss Hinterleiten in Reichenau an der Rax, wurde in den Jahren 1884 bis 1889 für den Freiherrn Nathaniel Meyer von Rothschild nach Plänen von Armand Louis Bouqué und Albert Emilio Pio im Stil Ludwigs XIII erbaut. Es befindet sich seit längerer Zeit im Besitz einer österreichischen Militärstiftung und wird hauptsächlich kulturell genutzt. In den ehemaligen Stallungen Plösslgasse 8, die von Victor Rumpelmayer 1878 für Nathaniel Rothschild errichtet wurden, hat sich eine BILLA-Filiale etabliert. Weitere Investitionen in Wiener Immobilien hatten keine strategische Bedeutung und waren für Immobilientransaktionen vorgesehen.

Lage: vorwiegend Wien und Niederösterreich


Weitere Literatur:


25.01.2022