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Streitwiesen


Das Gebiet der späteren Herrschaft Streitwiesen-Mollenburg war im frühen Mittelalter Teil der alten Grafschaft Weitenegg-Persenbeug. Sie gehörte zuerst den Grafen von Peilstein dann den Grafen von Pernegg (ab 1180) und ab 1220 den Herren von Lengenbach-Rehberg. Das Weitental wurde erst im 12. Jahrhundert landesfürstlich. Eine Burg wird hier erstmals 1144 erwähnt. Kurz zuvor war Ozzo von Stiefern in den Besitz der Feste gelangt. Er nannte sich von nun an Ozzo von Stritwisen. Seine Nachkommen sind als Ministeriale der Babenberger bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts nachweisbar. Unter Friedrich II, dem Streitbaren, zählten die Streitwieser zu den bedeutendsten Adelsfamilien des Herzogtums. Sie waren im südlichen und mittleren Waldviertel reich begütert. Der Minnesänger Ulrich von Lichtenstein berichtet in seinem Frauendienst, dass er 1227 bei einem Turnier in Wien-Penzing Konrad von Streitwiesen besiegt hatte. Marquard von Streitwiesen gehörte zum Hofstaat der letzten Babenbergerin, Königin Margarethe. Er begleitete sie bis zu ihrem Tode 1266 in der Burg Krumau. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde die Burg stark erweitert. Neben der Sicherung des Weitentales hatte sie als Aufgabe Verwaltungssitz einer größeren Herrschaft zu sein. 1296 dürfte sie während eines Adelsaufstandes gegen den Landesfürsten schwer beschädigt, aber nicht zerstört worden sein. Der Wiederaufbau erfolgte bald danach. Pernhart von Streytwiesen starb als letzter seiner Familie 1396. Die Stammburg war aber bereits 1373 an die Volkersdorfer verkauft worden, die sie Hans von Maissau überließen. Dieser übergab sie 1395 der Dürnsteiner Marienkapelle, einer Vorläuferin des dortigen Chorherrenstiftes. Noch vor 1434 kam die Herrschaft an die Familie Fleischess, ein österreichisches Adelsgeschlecht, das 1277 erstmals urkundlich genannt wurde, aber bereits 1445 ausstarb. Die Fleischess waren zuvor Gefolgsleute der Kuenringer. Zu den frühesten steirischen Adelsgeschlechtern gehörte auch die Familie Schrott. Einem ihrer Zweige gehörte die Burg Streitwiesen bis 1522. Über die nachfolgenden Herren von Albrechtshaim und die Kernbaum, die 1536 auf der Burg saßen, ist nicht viel zu berichten. Sie dürften zum steirischen Landadel gehört haben.

Obwohl die Familie Rot von Reinprechtspölla Streitwiesen nur bis 1584 besessen hat, hat sie doch deutliche Spuren hinterlassen. Einer Inschrifttafel zufolge wurde zumindest die Südfront der heutigen Burg mit den beiden Rundtürmen um 1556 von Jakob Rot von Reinprechtspölla errichtet. Auch die obersten beiden Geschosse des Wohnturmes wurden damals erbaut. Vermutlich gehen alle Renaissancebauten auf Jakob Rot zurück. Danach kam es wieder zu einem häufigen Besitzwechsel. 1584 sind die Velderndorfer und ab 1598 die Herren von Peukheim bezeugt. Der Vischer-Stich von 1672 scheint nicht sehr verlässlich zu sein. Möglicherweise hatte Vischer die damals noch stattliche Burg gar nicht gesehen. 1697 erwarb Adolph Graf von Sinzendorf das Gut und schloss es seiner eigenen Herrschaft Pöggstall an. Da die Verwaltung dort konzentriert war, überließ man Streitwiesen dem Verfall. Zwischen 1777 und 1795 stellten die Grafen Abensperg-Traun die Besitzer. Danach gehörte Streitwiesen wieder zu Pöggstall. Gemeinsam mit diesem gelangte es 1795 an Kaiser Franz I und nach der Auflösung der Monarchie an die Republik Österreich. Demolierungsarbeiten um 1860 richteten keine allzu großen Schäden an. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hausten einige arme Familien in den wenigen noch benützbaren Räumen. Nach Kriegsende gelangte das Gut in den Besitz des Kriegsgeschädigtenfonds. Nach dessen Auflösung übernahmen die Österreichischen Bundesforste die Verwaltung. Naturgemäß waren sie eher am großen Waldbesitz, der mit dem Gut verbunden war, interessiert als an der Pflege einer Ruine, die zuvor dem Kaiserhaus gehörte. Daran änderte sich auch nichts, als 1938 die Deutschen Reichsforste die neuen Burgherren wurden. Von der russischen Besatzung zwischen 1945 und 1955 konnte man ebenfalls kein Interesse an österreichischen historischen Bauten erwarten. Als 1955 Streitwiesen wieder österreichisches Eigentum und neuerlich von den Österreichischen Bundesforsten verwaltet wurde, hielt sich die Freude und die Bereitschaft für eine längst fällige Restaurierung in Grenzen. Zu diesem Zeitpunkt war die einst stattliche Burg bereits stark verfallen. Sie hatte bereits ca. 75 % ihres aufrecht stehenden Mauerwerks eingebüßt. Zu einer Wende zum Besseren kam es erst 1972, als elf ehemalige Gruppenführer des Österreichischen Pfadfinderbundes die Ruine kauften, mit der Idee hier eine Jugendburg zu schaffen. Diese entstand bis 1996 im südwestlichen Teil des Burgareals. Dabei wurden die Kapelle, der Südwest-Palas und der Südwest-Rundturm mit einem Teil des Berings zu einer baulichen Einheit zusammengefasst. Das Langhaus der Kapelle wird heute als „Rittersaal“ bezeichnet. Zuvor mussten jedoch ein teilweiser Wiederaufbau und eine Neueindeckung der noch brauchbaren Gebäudeteile erfolgen. Die Dächer wurden erst um 1980 aufgesetzt. Bei groß angelegten Sanierungsprojekten besteht jedoch vor allem dann, wenn die Finanzierung kein echtes Problem ist, die Gefahr, dass es aus durchaus notwendigen Restaurierungsmaßnahmen im Lauf der Zeit zu massiven Veränderungen bzw. zu einem Neubau kommt, der im Detail nicht mehr viel mit der ursprünglichen Bausubstanz zu tun hat. Diese Gefahr hat sicherlich auch bei Streitwiesen bestanden.

Streitwiesen ist eine ausgedehnte und stark gegliederte Burganlage, die einst zu einer Kette von Wehrbauten (Weitenegg – Leiben – Mollenburg – Streitwiesen – Pöggstall) gehörte, die den Verkehr durch das Weitental sichern sollte. Die Anlage ist heute zum Teil überrestauriert, geht aber im Kern auf einen bedeutenden Wehrbau des Hochmittelalters zurück. Als Jugendburg, die auch das Interesse an ihrer und unserer Geschichte hochhalten soll, sei ihr der kleine Schönheitsfehler verziehen. Die Halbruine liegt auf einem niedrigen Hügel oberhalb des bescheidenen gleichnamigen Ortes am linken Ufer des Weitenbaches. Sie besteht im Wesentlichen aus drei Bauteilen, die an drei Seiten von einem Halsgraben und einer Ringmauer umgeben waren. Letztere weist an der Südwest- und der Südostecke runde Ecktürme auf, die sowohl Schießscharten zur Verteidigung durch Feuerwaffen als auch viereckig gerahmte Fenster besitzen. Der innere Burghof ist natürlich der älteste Teil der Anlage. Nach Osten schließt sich der äußere Burghof an. Im Süden liegt eine Terrasse, auf der die romanische Pankratiuskapelle steht. Der Zugang erfolgt heute von Süden her über eine Holzbrücke. Die ursprüngliche Zufahrt lag aber im Osten und führte durch das erste Tor über einen Vorhof zur Außenmauer des äußeren Burghofes. Vom hier befindlichen zweiten Tor ist nur mehr das linke Gewände erhalten. Linkerhand erkennt man gotische Baureste und solche aus der Renaissancezeit. Danach kann man in die weitverzweigten gewölbten Kellerräume unterhalb des Burghofes absteigen. An der rechten Seite wird der Hof von der 12 m hohen zinnenbekrönten Außenmauer begrenzt. Das dritte Tor zum inneren Hof ist heute nicht mehr erhalten. An der Nordseite des als Kernzone der Burg zu bezeichnenden Hofes erheben sich die Reste des einst 48 m hohen Bergfrieds. Er hatte einen quadratischen Grundriss von 8,2 m Seitenlänge, aber relativ schwache Mauern. Dies und eine Sprengung 1809 waren der Grund, dass von ihnen mehr als die Hälfte eingestürzt sind. Die erhaltene Nordostecke zeigt jedoch, dass er einst sieben, durch Tramdecken unterteilte Geschosse hatte. Die beiden obersten sowie die Rundzinnen stammen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, während die unteren fünf Geschosse noch auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückgehen. Ihr qualitätsvolles Bruchsteinmauerwerk ist hervorragend erhalten. An den Kanten täuschen aufrecht verarbeitete Steinplatten Großquader vor. Zur Zeit seiner Erbauung war der Turm eines der monumentalsten Bauwerke weit und breit. Er und die Kapelle waren ursprünglich die einzigen Gebäude in der Burg. Der Bergfried hatte also damals die Funktion eines Wohnturmes. Dies erkennt man auch an den schön gearbeiteten Fenstern, deren Überlager aus mächtigen länglichen Steinblöcken bestehen. Trotz der rüden Behandlung zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Burg aber immer noch bewohnt.

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde an den Wohnturm im Westen ein dreigeschossiger spätromanischer Palas angebaut, von dem nur mehr die Nordmauer mit einer schönen romanischen Stiegenanlage erhalten ist. An der Südgrenze des rechteckigen Hofes befinden sich einige stark verfallene Gebäude mit spätgotisch abgefasten Rechteckfenstern. Die Burgkapelle stand ursprünglich frei auf der Terrasse unterhalb der Hauptburg. Sie wurde erst in der Renaissancezeit mit einer Mauer umgeben und in den Burgkomplex einbezogen. Damals wurde auch der hakenförmige Bau, der sie heute mit den übrigen Burggebäuden verbindet, angebaut. Seine Innenräume sind zum Teil kreuzgewölbt. Der Rundturm an der Südwestecke der Kapelle war ehemals viergeschossig. Drei Geschosse sind noch erhalten. Das aus großen Quadern errichtete Langhaus besitzt ein romanisches Portal im Süden und ein später ausgebrochenes im Westen. Ursprünglich beleuchteten nur drei hochromanische rundbogige Trichterfenster das Innere. Sie wurden im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts weitestgehend rekonstruiert. Unterhalb derselben wurden im 13. Jahrhundert zwei weitere Fenster sowie je eines über dem Portal und in der Mitte der Südfront ausgebrochen. Die Nordseite war fensterlos. Der romanische Chorschluss wurde im 14. Jahrhundert durch einen hochgotischen Chor mit 5/8-Schluss ersetzt. Er dient heute als Kapelle. Der mächtige rundbogige Triumphbogen wurde zwar in der Gotik zum Teil vermauert, ist aber erhalten. Ansonsten sind im Inneren das Kreuzrippengewölbe sowie die rotmarmorne Gruftplatte des Jakob Schrot von 1463 bemerkenswert. Das 280 cm hohe gotische Sakramentshäuschen mit seinem Baldachin ist leider schwer beschädigt. Wie einzelne Farbreste zeigen, war die Kapelle einst mit Fresken geschmückt. Der frühbarocke Hochaltar stammte aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Er befindet sich jetzt im Heimatmuseum Pöggstall. Eine Madonnenstatue aus dem 15. Jahrhundert wurde erst um 1970 in die Kirche St. Anna im Felde in Pöggstall übertragen. Die im Osten auf einem etwas tieferen Niveau vorgelagerte Vorburg dürfte noch auf das 12. oder 13. Jahrhundert zurückgehen.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 16 km nordwestlich von Melk

Besichtigung: möglich

Homepage: www.streitwiesen.org


Weitere Literatur:


31.08.2021