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Salzburg - Wehranlagen


Salzburg ist eine kunst- und kulturhistorisch äußerst wertvolle Stadt, doch ist ihre Lage aus dem Blickwinkel der Verteidigung gesehen, nicht optimal. Sie liegt im breiten Tal der Salzach, das an den Längsseiten von Hügeln und nicht sehr hohen Bergen eingefasst wird. Ein Angreifer musste sich nur auf einem dieser Hügel festsetzen und die Stadt lag wie auf einem Präsentierteller unter ihm. Daher befestigten schon die Römer – allerdings mit bescheidenen Mitteln – den Nonnberg sowie den Festungsberg. Im späteren geistlichen Fürstentum waren die Militärausgaben und vor allem sein Heer, das im Mittelalter vorwiegend aus Landsknechten bestand, über Jahrhunderte hinweg eher bescheiden. Der Fürsterzbischof musste daher jeden ernsthaften Streit mit seinen ungleich besser gerüsteten Nachbarn Österreich und Bayern vermeiden bzw. diesen auf diplomatischen Weg zu lösen versuchen. Hier stand ihm allerdings der Papst hilfreich zur Seite, der zwar ebenfalls über keine Armee verfügte, aber in vielen Fällen nur mit dem Kirchenbann drohen musste, um das von ihm gewünschte Ergebnis zu erzielen. Für Salzburg hatte der Begriff der Neutralität eine große Bedeutung. Mit ihr konnte das Fürstentum sogar den 30-jährigen Krieg im 17. Jahrhundert, der ganz Europa verwüstete, weitgehend schadlos überstehen. Ihre strategische Schwäche war natürlich auch den Fürsterzbischöfen des 15. und 16. Jahrhunderts bekannt. Sie mussten viel Geld einsetzen, um zu zeigen, dass sie zumindest den eisernen Willen hatten, ihre Stadt bzw. ihr Fürstentum im Ernstfall zu verteidigen. Glücklicherweise war Salzburg durch die Erträge aus der Salzproduktion und dem Salzhandel reich genug, den Festungsring um die Stadt mit der damals nahezu uneinnehmbaren Festung Hohensalzburg in ihrer Mitte anzulegen. Ein großer Teil der Kosten musste jedoch auf die Stadtbevölkerung abgewälzt werden, die keine Kriegsgräuel erleben musste, aber bei Kriegsende ziemlich verarmt war.

Im 5. und 6. Jahrhundert setzte die einheimische Bevölkerung noch auf die unwegsamen Moore im Westen und auf eine noch aus der Römerzeit stammende Befestigungsanlage zwischen Kapuzinerberg und Kühberg um sich gegen die angriffslustigen Bayern verteidigen zu können, was jedoch nicht sehr effektiv war. Einzelne kleinere Wehrbauten gab es in und um die Stadt im 11. und 12. Jahrhundert, doch war die Initialzündung für den Ausbau der ersten umfassenden Wehranlagen – wie auch im übrigen Mitteleuropa – das Verlangen des Kaisers Friedrich II (1220 – 1250), dass jeder Reichs- oder Kirchenfürst seine Residenzstadt befestigen solle. Unter Erzbischof Eberhard II von Regensburg wurde im 13. Jahrhundert die Altstadt von einem mit Zinnen versehenen Mauerring umgeben, der auch die Festung Hohensalzburg einschloss. Er verlief beiderseits der Salzach und wurde erst in den Jahren um 1870 weitgehend abgerissen. Im Rahmen dieser ersten Stadtbefestigung wurde auch auf den Mönchsberg nicht vergessen, der wegen seiner Überhöhung immer schon ein neuralgischer Punkt der Stadt war. Um mögliche Angriffe zu vereiteln, benutzte man damals nicht nur gemauerte Hindernisse sondern auch natürliche Felsabbrüche. Zu den noch erhaltenen Wehrbauten der damaligen Zeit zählen drei Mauertürme, die aber im Lauf ihrer Geschichte stark verändert wurden. Der Rote Turm ist heute als Freyschlössel bekannt. Der Abtturm wird auch Lambergturm genannt. Das sog. Kupelwieserschlösschen geht auf einen Wehrturm zurück, der bereits 1367 erwähnt wird. Eine mit Zinnen versehene Mauer schützte vorwiegend die linksseitige Altstadt. An der rechten Seite der Altstadt umschloss die Stadtmauer vorerst nur den Brückenkopf der Hauptbrücke, doch zog sich diese den Kapuzinerberg hinauf bis zum Trompeterschlössl, dem heutigen Kapuzinerkloster. Steile Felswände sicherten hier zusätzlich den Abstieg zum Inneren Steintor.

Die zweite Stadtbefestigung fand in den Jahren 1465 bis 1490 statt. Sie wurde durch das Wachstum der Bevölkerung und die Fortschritte in der Waffentechnik – vor allem der Artillerie – erforderlich. Für den damaligen Ausbau der Wehranlagen war weitgehend die Bürgerschaft verantwortlich, die nach einem besseren Schutz verlangte. Daher wurden die alten Mauern entlang der Getreidegasse, die damals nur an einer Seite durchgehend verbaut war, verstärkt und ihnen eine neue Mauer direkt an der Salzach vorgesetzt. Das wichtigste Bauvorhaben der Salzburger Bürgerschaft war aber der Bau der sog. Bürgerwehr in den Jahren 1487/88. Man wollte mit ihr die schmalste Stelle des Mönchsberges sichern. Sie bestand aus zwei hintereinander liegenden, zinnenbewehrten Mauerzügen, die ursprünglich mit vier vorspringenden Türmen versehen waren. Im Bereich der Durchfahrt bildeten beide Mauern einen geräumigen Zwinger. Die gesamte Anlage war noch nach mittelalterlichen Vorstellungen errichtet und bereits bald nach Fertigstellung wehrtechnisch veraltet. Darum wurde die Bürgerwehr in den Jahren 1523 und 1552 im Auftrag von Fürsterzbischof Matthäus Lang durch vier neue Türme verstärkt. Merkwürdigerweise erhielten diese aber aus Sparsamkeitsgründen eine hölzerne Rückseite. Als Waffen kamen weiterhin vorwiegend Armbrüste und Hakenbüchsen zum Einsatz. Dem ernsthaften Angriff eines feindlichen Heeres hätte die Bürgerwehr wohl nicht lange widerstehen können. Dennoch war sie nicht komplett wertlos, denn man ging wohl hauptsächlich von lokalen Konflikten und Gegnern aus, die ebenfalls nicht besser bewaffnet sein konnten. Der in ganz Mitteleuropa gefürchtete Hauptfeind waren die Türken, die erst 1413 Konstantinopel erobert hatten und bereits 15 Jahre später mehrmals in die Steiermark eingefallen waren. Man wusste jedoch, dass diese bei ihrem Zug nach Westen keine schwere Artillerie mitführten, da diese ihr rasches Vordringen behindern oder verhindern hätte können. Ihr wichtigstes Kampfmittel war die Kavallerie, die aber bei einer Belagerung weitgehend nutzlos war. Eine wesentlich näher liegende Bedrohung bildeten die sich häufenden Aufstände unzufriedener Bauern und Bergknappen, die aber ebenfalls über keine nennenswerten Geschütze verfügten. Hingegen erfüllten die Burgmauern der Festung durchaus ihren Zweck, als beim Salzburger Bauernkrieg von 1525 die Salzburger Bürger mit den anstürmenden Bauern gemeinsame Sache machten und ihnen die Tore der Stadt freiwillig öffneten. Anschließend wurde Fürsterzbischof Matthäus Lang von den Bauern zwei Monate lang erfolglos in der Feste Hohensalzburg belagert.

Seine dritte und umfangreichste Stadtbefestigung (1620 bis 1648) verdankt die inzwischen stark gewachsene Stadt Salzburg dem Dreißigjährigen Krieg. Zwar blieb sie von diesem verschont, doch war ein wirksamer Eigenschutz dringend erforderlich, um die Begehrlichkeit vieler europäischer Länder und Armeen zu stoppen, die für ihre durch die Kriegskosten zerrütteten Finanzen dringend eine Aufbesserung gebraucht hätten. Fürsterzbischof Paris Graf Lodron ließ vor allem im Norden die Stadt durch starke Festungsbauten schützen. Alle strategisch wichtigen Punkte wurden von einem Netz von Bastionen und vorgelagerten Hornwerken umgeben. Salzburg wurde zu einer Festungsstadt. Man beschränkte sich beim Ausbau nicht auf das eigentliche Stadtgebiet sondern befestigte neben dem Festungsberg auch den Mönchsberg, den Kapuzinerberg sowie die Vororte Gnigl und Mülln. Ein so großes Bauvorhaben erforderte professionelle Hilfe. Diese kam durch den italienischen Architekten und Festungsbaumeister Santino Solari, den bereits Fürsterzbischof Markus Sittikus von Hohenems 1614 als Dombaumeister nach Salzburg berufen hatte. Die meisten Wehranlagen sind heute verschwunden, da sie im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts dem Sparstift zum Opfer gefallen sind. Weitgehend erhalten sind nur Teile am Mönchsberg und Kapuzinerberg. Dazu zählen auch die Müllner Schanze, auch Augustinerschanze genannt, sowie das dazugehörige Tor. Sie gibt einen guten Überblick wie aufwendig der Fürsterzbischof für die Sicherheit der Stadt und seine eigene sorgte. Bis 1638 entstand eine mächtige dreistufige Schanzenanlage mit Geschützplattformen auf jeder Ebene. Der durch sie auf den Mönchsberg hinaufführende Weg wurde durch zwei mit Zugbrücken versehene Tore gesichert. Ein weiterer bemerkenswerter Bau zur Verteidigung des Mönchsberges war die als „Katze“ bezeichnete Geschützstellung, die Erzbischof Graf Lodron 1635 ausbauen und verstärken ließ. Wichtig war es, dass am Mönchsberg, aber auch an anderen Stellen größere Freiflächen innerhalb des Mauerringes ausgespart blieben, die bei Belagerungen als lebende Fleischreserven dienen konnten. Der Kapuzinerberg wurde mit einer Wehrmauer, die vom Kapuzinerkloster bis zum Franziskischlössl, dem Zentrum seiner Befestigungen führte, geschützt. Ein großer Bereich des Berges wurde zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Sein Betreten war Zivilpersonen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts verboten. Die mittelalterliche Burg Hohensalzburg wurde durch die Anlage mehrerer Geschützbasteien zur modernen Festung ausgebaut. Hingegen verfiel die alte Bürgerwehr am Mönchsberg, da ihre Aufgabe weitgehend von der massiv ausgebauten Müllner Schanze übernommen worden war.

Als 1816 Salzburg endgültig zu Österreich kam und sich letztendlich von einem Fürsterzbistum zu einem Bundesland wandelte, gelangten auch die zahlreichen Befestigungen in den Besitz der Monarchie. Allerdings waren diese durch die Fortschritte der Feuerkraft der Artillerie nicht mehr in der Lage zur Verteidigung des Landes oder der Stadt beizutragen. Im Gegenteil! Bei einem Angriff eines unfreundlichen Nachbarn, wäre z. B. das stark befestigte Hohensalzburg ein prächtiges Ziel für die mittlerweile weittragenden Kanonen des Feindes geworden. 1860 wurde die Stadt als Festung aufgehoben. Sechs Jahre später erhielt die Stadtgemeinde aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums der Vereinigung von Salzburg mit dem Kaiserreich Österreich ein Danaergeschenk des Kaisers. Die Stadtgemeinde erhielt die meisten der nun nutzlosen Verteidigungsbauten Salzburgs geschenkt. Lediglich die Festung Hohensalzburg verblieb beim Staat und diente weiterhin als Kaserne und Repräsentationsobjekt. Ob sich der Bürgermeister besonders gefreut hatte, ist nicht überliefert. Die Stadt musste sich etwas einfallen lassen, wie das allerhöchste Geschenk verwertet werden könnte. Viele Bauten waren inzwischen zu Verkehrshindernissen geworden, die einer Modernisierung der Stadt hinderlich waren und deren Erhaltung mit hohen Kosten verbunden war. Man wählte die Spitzhacke. Zwischen 1867 und 1874 wurden die meisten Wehranlagen abgerissen. Das Abbruchmaterial benützte man vorwiegend bei der Regulierung der Salzach sowie beim Ausbau der Kanalisation. Etliche kleinere Bauten wurden an private Interessenten verkauft, die sie in Luxusvillen, Hotels und Gaststätten umwandelten. Die Bürgerwehr entging der Zerstörung, wohl weil diese der Stadt zu teuer gewesen wäre. Seit ihrer Restaurierung im 20. Jahrhundert dient sie nun nicht mehr der Verteidigung der Stadt, sondern dem Fremdenverkehr, der für Salzburg von enormer wirtschaftlicher Bedeutung ist.

Ort/Adresse: 5010 Salzburg

Besichtigung: meist jederzeit möglich (sofern nicht Privatbesitz)


Weitere Literatur:


20.04.2021