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Hall - Scheidenstein


Der Ansitz Scheidenstein liegt im Nordwesten der Stadt Hall. Seit dem 15. Jahrhundert wird er mehrfach auch als Scharnstein oder Scherenstein bezeichnet. 1415 gehörte er dem Pfleger von Thaur, Marx Götzner. Wenige Jahrzehnte später fiel Scheidenstein an den reichen Kaufmann Georg Perl aus Schwaz. Seine junge Witwe trat mit ihrer dreijährigen Tochter in ein Kloster im Halltal ein. Der Ansitz wurde 1457 landesfürstlich und damals erstmals urkundlich erwähnt. 1490 überließ ihn Herzog Sigmund, der ihn zuvor als Jagdsitz gerne nutzte, seinem Forstmeister Karl von Spaur. Dieser wurde später Obristforstmeister von Kaiser Maximilian, dessen berühmtes Jagdbuch er um 1500 verfasste. Die hübschen Illustrationen stammten übrigens von Jörg Kölderer. Ein Problem war damals die Wasserversorgung des Ansitzes, doch gestattete Kaiser Maximilian das Trinkwasser und Erzherzog Ferdinand auch das Nutzwasser von der Saline Hall abzweigen zu dürfen. 1536 war Christoph Walthauser Besitzer von Scheidenstein. Er übernahm auch die Pflegschaft des Schlosses und Gerichtes zu Thaur. Aus einem Inventar von 1542 geht hervor, dass Scheidenstein damals ein recht ansehnlicher und gepflegter Ansitz war. Bei der damals erwähnten Schlosskapelle dürfte es sich aber lediglich um eine Hauskapelle gehandelt haben. Auf Walthauser folgte Georg Graf Mögen, der jedoch auf Grund seines Lebenswandels seinen Besitz 1553 seinen Gläubigern überlassen musste. Er dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass die gediegene Innenausstattung Walthausers nach und nach verschwand. Der folgende Besitzer, Paul Dresch hatte immer wieder Schwierigkeiten mit der Saline bzw. dem Salzmaier Georg Fieger von Hirschberg, der ihn und dann auch seine Witwe bei Kaiser Ferdinand anschwärzte, dass beide (protestantische) Ketzer seien. Schließlich verkaufte die genervte Familie Dresch Scheidenstein 1580 dem Ritter Georg Fieger von Hirschberg. Dieser errichtete bis 1584 die katholische Kapelle an der Südseite des Wohngebäudes. Sie wurde damals auf den Namen des Apostels und Evangelisten Johannes geweiht.

Während eines Aufstandes der Schwazer Bergknappen im Jahr 1583 wurden alle Schlösser im Inntal visitiert. Damals hieß es, dass Scheidenstein nur mehr ein Lusthaus sei. Als Georg Fieger 1598 starb, beerbte ihn sein Sohn Ludwig Georg, doch verkaufte er das Gut um 1620 an Johann Jakob Gienger zu Wolfsegg. Dieser führte 1637 den etwas sperrigen Titel „Gerichtsherr und Pfandinhaber der Herrschaften Rettenberg, Landeck und Pfunds, Rat und Mundschenk des verstorbenen Erzherzogs Leopold und Viertelhauptmann im Wipptal, Johann Jakob Gienger zu Grienpichl, Scheidenstein und Aicham“. Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts gelangte Scheidenstein durch Kauf an den Hauptmann der Landmiliz Martin Haaßer von Greifenfeldt, der sich beim Einfall der Bayern von 1703, auch Bayrischer Rummel genannt, ausgezeichnet hatte und dafür geadelt worden war. Er investierte größere Summen in die Kapelle und ließ den für drei Glocken ausgerichteten Turm mit Oktogon und Zwiebel erbauen. 1728 brannte eine Salzmühle oberhalb des Ansitzes nieder, wobei aber ein altes Muttergottesbild dem Feuer widerstand. Haaßer ließ es in die Scheidensteiner Kapelle bringen und am Altar aufstellen. Nach seinem Tod gelangte der bis dahin adelige Ansitz durch Heirat und Erbschaft in bürgerliche Hände und blieb dort bis heute. Bemerkenswert war ein neuerlicher Großbrand 1795, bei dem das weitgehend aus Holz errichtete Scheidensteiner Kircherl vernichtet wurde. Merkwürdigerweise blieb der Altar mit dem Gnadenbild der thronenden Madonna mit Kind wie bereits beim Feuer von 1728 erhalten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Besitzverhältnisse des Ansitzes ziemlich unübersichtlich. Der Grund lag darin, dass die Bewohner verschieden große Anteile besaßen. Scheidenstein war ein Spekulationsobjekt geworden. 1848/49 diente es als Kaserne und Internierungslager für Gefangene. Ab 1851 erfolgte der Umbau in eine Lodenfabrik, die aber 1913 in Konkurs ging. 1914 und 1937 teilte man das Gebäude neuerlich in einzelne Wohnungen auf. Bei einem schweren Bombenangriff auf Hall wurde 1945 die Kapelle völlig zerstört und danach nicht mehr aufgebaut. Beschädigt, aber doch erhalten blieb die Madonnenstatue. Der Ansitz selbst erlitt damals schwere Schäden an der nördlichen Längsseite sowie an der Westfront, doch wurden diese bereits in den ersten beiden Jahren der Nachkriegszeit wieder behoben.

Scheidenstein ist architektonisch ein Bau aus der Übergangszeit zwischen einem bewehrten Wohnturm aus dem Mittelalter und einem auf Repräsentation und Wohnkultur ausgerichteten Tiroler Landschlösschen der Neuzeit. Im Gegensatz zu diesem zeigt der klobige Bau unter einem Krüppelwalmdach aber noch keinen, der für spätere Tiroler Landsitze typischen Eckerker. Hingegen war er schon im 15. Jahrhundert für seine Größe und die Vornehmheit seiner Innenausstattung bekannt. Von letzterer hat sich wegen mehrerer Brände und mehreren Besitzwechseln im 19. Jahrhundert allerdings nicht viel erhalten. Auf einem einst adeligen Wohnsitz weist der runde Treppenturm mit Kegeldach an der Südseite und die ehemalige Ringmauer hin. Wehrhaftigkeit war zur Zeit der Errichtung von Scheidenstein eine Aufgabe des Burgenbaues, auf die man nicht ganz verzichten konnte. Ein Zwinger konnte noch 1542 eventuelle Angreifer auf Distanz halten, sofern diese nicht über schwere Belagerungsmaschinen oder Kanonen verfügten. Bei Umbauarbeiten wurde im tiefen Keller ein später vermauerter Fluchtgang freigelegt, der den Ansitz mit dem Keller der Kapelle verband, die knapp außerhalb der Umfassungsmauer lag. Natürlich hatte Scheidenstein im Lauf der Zeit und zahlreicher Baumaßnahmen seine ohnehin nicht große Wehrhaftigkeit verloren. Glücklicherweise sieht man ihm aber auch seine Verwendung als Kaserne und Lodenfabrik nicht mehr an. Der alte Ansitz ist heute ein gepflegtes Wohnobjekt, aber ohne besonderem Fassadenschmuck seit dem er 1928 modernisiert wurde. Durch die Unterteilung es Gebäudes im Inneren hat sich auch der große saalartige Mittelflur, von dem man in die umliegenden Räume gelangte, nicht erhalten. Hingegen hatte die Bombardierung von 1945 nicht nur sinnlose Zerstörung gebracht, sondern auch die Erkenntnis, dass sich hinter dem abgefallenen Verputz des Hausflurs gemalte Schriftrollen aus dem 16. Jahrhundert verbargen, die gereimte Sinnsprüche zeigten. Der Ansitz war früher von ausgedehnten Gärten und Wiesen umgeben, doch haben sich diese bis heute größtenteils in eine Villengegend verwandelt.

Ort/Adresse: 6060 Hall in Tirol, Recheisstraße 6

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


09.03.2021