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Palais Neupauer-Breuner


Das aus dem Hochbarock stammende Palais Neupauer-Breuner in der Singerstraße zählt heute zu den schönsten Barockbauten Wiens obwohl es eigentlich kein Adelspalais ist, sondern von einem reichen Wiener Bürger errichtet wurde. An seiner Stelle wird erstmals im Jahr 1416 ein Gebäude urkundlich erwähnt. Es hatte bis 1628 vermutlich zwei bürgerliche Eigentümer. 1639 erwarb es Fürst Gundaker von Liechtenstein. Ab 1654 gehörte es den Grafen de Souches. 1715 wurden die mittlerweile drei Häuser umfassende Immobilie von Reichsgraf Karl Josef de Souches an den Wiener Stadtoberkämmerer und Bauunternehmer Johann Christian Neupauer verkauft. Dieser war selbst Baumeister und Schüler von Johann Bernhard Fischer von Erlach. Neupauer ließ die hier stehenden Häuser abreißen und an ihrer Stelle ein prächtiges Stadtpalais erbauen. Dennoch ist es nicht sicher, ob er auch der Architekt des Palais war. Gelegentlich wurde auch Franz Anton Pilgram vermutet. Wer immer es war, die Pläne waren sicherlich stark von Johann Lukas von Hildebrandt oder Johann Bernhard Fischer von Erlach beeinflusst. Da sich die Baukosten selbst für Neupauer als viel zu hoch erwiesen und er in hohe Schulden geriet, musste 1749 das Palais versteigert werden. Es gelangte in das Eigentum von Maria Anna von Suttner und dann in jenes der Gräfin Maria Hallweil. Weitere Besitzer waren im späten 18. Jahrhundert Therese Freiin von Moser (1785) und die Familie Coith (1797). Erst als 1870 August Graf Breuner-Enkevorth das Palais erwarb, hörte der häufige Besitzwechsel auf. Es wurde in der Folge nur mehr vererbt, zuerst 1897 an den Herzog Viktor von Ratibor-Corvey und zuletzt an die Fürsten Metternich. Nach aufwändigen Restaurierungen und Modernisierungen, die durch Bombenschäden von 1945 erforderlich waren, ist das Gebäude heute weitgehend an Firmen vermietet. Obwohl die Familie Breuner das Palais nur wenige Jahre besaß, ist es heute noch vorwiegend als Breuner- oder Bräuner-Palais bekannt. Der Name Ratibor-Palais ist im 20. Jahrhundert abgekommen.

Das Palais weist eine der prächtigsten Fassaden der Wiener Innenstadt auf. Sie ist elfachsig, wobei an den fünfachsigen, aber nur leicht vorspringenden Mittelrisalit zwei dreiachsige Seitenrisalite anschließen. Der breite Mittelteil ist ideal für die zahlreichen Götter und Kaiserstatuen, Maskarons und Putten, die ihn bevölkern. Der schlichte zweigeschossige Sockel ist gebändert. Wenn man vom Herzstück des Fassadendekors, der Portalzone vorerst einmal absieht, ist er architektonisch unauffällig. Die relativ kleinen und zum Teil mit einfachen Gittern versehenen quadratischen Fenster verraten, dass sich dahinter meist Neben- und Wirtschaftsräume befanden. Darüber erheben sich drei unterschiedlich gestaltete Wohngeschoße. Das erste davon ist die besonders aufwändig geschmückte Beletage – die Wohnung des Hausherrn. Die üppig dekorierte Portalanlage besteht aus einer hohen rundbogigen Einfahrt und zwei einfachen Türen für Fußgänger. Diese Ein- bzw. Ausgänge werden jeweils von Hermen flankiert, die als Atlanten ausgebildet sind und die darüber liegenden Fassadenteile zu stützen scheinen. Vergitterte Oculi über den Fußgängertüren dienen in der Einfahrt als zusätzliche Beleuchtung. Über dem Einfahrtstor befindet sich ein einachsiger Balkon, der mit Figurengruppen und Steinvasen geschmückt ist. Er wird von einem filigranen Schmiedeeisengitter begrenzt, das zu den schönsten seiner Art zählt. Ein großes, von zwei Putten getragenes Steinwappen der Familie Breuner ist über der Balkontüre angebracht. An der Unterseite des Balkons erkennt man einen, von einem Adler getragenen Helm als Schlussstein. Die Plastiken der Portalanlage wurden 1945 durch Kriegseinwirkungen beschädigt, aber 1970 restauriert. Über dem Mittelrisalit standen ursprünglich überlebensgroße Attikafiguren auf dem Dach, doch wurden diese bei einer Dachreparatur im 19. Jahrhundert „vorübergehend“ abgenommen und danach nicht mehr wieder aufgestellt.

Die dreischiffige Durchfahrt in den Hof wird durch Doppelpilaster gegliedert. Ihre Decke ist mit Laub- und Bandlwerkstuck geschmückt. Sie weist ein Mittelstück auf, das ein mythologisches Motiv zeigt. An ihrer linken Seite liegt das barocke Treppenhaus mit seiner Vierpfeilertreppe. Ungewöhnlich für ein Wiener Palais ist der im Erdgeschoß angebrachte mächtige späthistoristische Wandkamin, mit dem es beheizt werden konnte. Sein großes Relief aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts stammt von Matthäus Donner, dem Bruder des bekannteren Georg Raphael Donner. Es zeigt eine Szene aus der Herkules-Sage. Die es umgebende Rahmung durch spielende Putten sowie das darüber befindliche Wappen der Familie Breuner wurden aber erst im vierten Viertel des 19. Jahrhundert hinzugefügt. In den Wandnischen haben sich teilweise noch Statuen griechischer bzw. römischer Götter, wie Apoll, Flora, Hermes und Herkules erhalten. Die Repräsentationsräume der Beletage wurden im Auftrag von August Graf Breuner im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts durch die Architekten Hugo Ernst und Ludwig Wächtler im späthistoristischen Stil neu gestaltet. Die straßenseitige Enfilade zeigt in ihren Räumen reich geschnitzte und teilweise vergoldete Holzkassettendecken sowie kassettierte Türen und Eckkamine aus Marmor mit Ädikulaaufsätzen. Besonders prächtig ist der Herrensalon mit der „Ahnengalerie der Familie Breuner“ ausgefallen. Im anschließenden Raum sind die Supraporten und der Rotmarmorkamin mit den Satyrmasken an den Volutenkonsolen bemerkenswert. Mehrere weitere Räume sind ähnlich ausgestattet. Auch der kleine altdeutsche Salon an der Hofseite mit seinen Seidentapeten und der reich ornamentierten Holzdecke ist besonders erwähnenswert. In Wien relativ selten geworden sind die an einer Innenhoffassade in drei Stockwerken auf Steinkonsolen vorragenden und von Eisengitter begrenzten Pawlatschen obwohl sie erst aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Singerstraße 16

Besichtigung: meist nur von außen (inklusive Innenhof) möglich


Weitere Literatur:


22.01.2021