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Rohr


Rohr liegt südlich von St. Georgen im Auland des nördlichen Leibnitzer Feldes. Wie bei den meisten Wasserburgen fehlte auch hier von Anfang an der Bergfried. Das Schloss war ursprünglich vom Typ her als „Festes Haus“ konzipiert. Zu seinen Aufgaben zählte u. a. die Sicherung der Südflanke der Stadt Graz gegen feindliche Angriffe. Der Wehrbau war im 15. und 16. Jahrhundert als Zufluchtsort für die Zivilbevölkerung bestimmt, einer Aufgabe, der er im Ernstfall wohl nie gewachsen gewesen wäre. Immerhin diente Rohr als Kreidfeuerstation, so dass es feindliche Annäherungen frühzeitig melden konnte. Von den einstigen Wehreinrichtungen ist nichts mehr zu sehen. Die breiten Wassergräben waren schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert trocken, nachdem sie zuvor für die Fischzucht genutzt wurden. Im frühen 19. Jahrhundert ließ sie der Abt von Rein zuschütten und in den Schlosspark einbeziehen. Sie sind heute nur mehr schwach im Gelände zu erkennen. Das Schloss ist heute ein nach Westen offener regelmäßiger zweigeschossiger Dreiflügelbau. Diese Seite wird lediglich durch eine Mauer und bescheidenen Nebengebäuden abgeschlossen. An seiner Nordostecke steht ein kleiner Turm, der im 18. Jahrhundert wegen Baufälligkeit teilweise abgetragen wurde. Der Osttrakt ist mit einem Dachreiter versehen, der als Uhrturm diente. Er wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem achtachsigen Wohnbau aufgesetzt. Im Westen schließen sich einige Wirtschaftsbauten an, zwischen denen sich der klassizistische Torbau befindet. Dieser weist darauf hin, das Schloss Rohr einst zumindest zeitweiliger Wohnsitz eines hohen geistlichen Würdenträgers war. Gemeinsam mit dem Wohntrakt begrenzen diese Bauten einen rechteckigen Hof. Eine Datierung am Hofportal erinnert an eine Renovierung und teilweise Umgestaltung des Schlosses im Jahr 1807. Die Mauerstärke von etwa 1,5 Meter weist darauf hin, dass der Südtrakt der älteste Teil der Anlage sein dürfte. Er stammt aus dem 16. Jahrhundert, wurde aber damals über mittelalterlichen Fundamenten errichtet. Der Nordflügel mit der dort befindlichen schlichten Johanneskapelle sowie das Verwalterstöckl wurden im 17. bzw. 18. Jahrhundert errichtet. Eine schöne bemalte Holztramdecke im Prälatensaal des Südflügels ist mit 1633 bezeichnet. Das interessante Stiegenhaus liegt in der Südostecke des Gebäudes. Sein prunkvolles Steingeländer stammt aus dem 18. Jahrhundert. In den Räumen des Oberstocks haben sich mehrere Empireöfen erhalten. Im 20. Jahrhundert wurden im Südtrakt einige baufällige Gebäudeteile abgerissen und durch eine Mauer ersetzt, wodurch die einst einheitliche Front gestört wurde.

Das „Haus zu Rohr“ war im 12. Jahrhundert eine Wasserburg, die das ausgedehnte Augebiet am linken Murufer südlich von Wildon zu kontrollieren hatte. Es war damals im Besitz der Grafen von Plain, die es als Lehen an eine ritterliche Familie vergeben hatte. Diese nannte sich „von Rohr“. Die Rohr waren wohl die angesehenste Familie unter den Dienstleuten der Grafen von Plain. Ihre Mitglieder werden in zahlreichen Urkunden als Zeugen genannt. Die Feste scheint 1157 erstmals urkundlich auf, doch ist es nicht sicher, ob es sich dabei tatsächlich um das in der Gemeinde Ragnitz liegende Rohr gehandelt hat. Im 13. Jahrhundert kam dieses mit einem Teil der Plainer Besitzungen an die Grafen von Pfannberg. Letztere verliehen die Wasserburg bald an die aus Unterdrauburg stammenden Traberger, die sich aber bald ebenfalls nach Rohr nannten. 1283 wird der Ansitz noch „Haus“ genannt, aber bereits 1318 als „castrum“ bezeichnet. 1302 übergab Graf Ulrich von Pfannberg als Ersatz für Schäden, die er im Krieg Herzogs Albrechts gegen das Erzbistum Salzburg dem Bischof von Seckau zugefügt hatte, diesem alle Güter, die er südlich von Graz besessen hatte. Dadurch gelangte auch Rohr an das Seckauer Bistum. Mit dem Eigentümer wurden nun auch die Lehensnehmer gewechselt. Seit 1318 dürften die Wolfsauer Feste und Hof als Lehen gehalten zu haben. Danach scheinen hier die Krabatsdorfer auf. 1453 tauschte der Seckauer Bischof Rohr gegen gleichwertigen Besitz mit Kaiser Friedrich III. Dieser schenkte es dem von ihm gegründete Zisterzienserkloster Neukloster (zur Hl. Dreifaltigkeit) in Wiener Neustadt. Wegen der großen Entfernung wurde Rohr vorerst an Melchior Huber verpachtet. Kurz nach 1542 verpfändete das Stift die Herrschaft an den Freiherrn Caspar von Herberstein. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ging der Pfandbesitz an das Kloster Rein über, das Rohr schließlich 1630 käuflich erwarb. Es wurde nun meist verpachtet, aber zeitweise auch vom Stiftspersonal selbst bewirtschaftet. Da es den Äbten 250 Jahre lang als Erholungsort diente, wurde der Ansitz im 17. und 18. Jahrhundert zum Schloss ausgebaut und gepflegt. 1953 verkaufte das Stift das Gut an den Landwirt Ömer. Nun begann der Abstieg. Das herrschaftliche Gebäude verfiel zum ungepflegten Bauernhof und wurde fast ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Das Schloss befindet sich nach wie vor in Privatbesitz, macht aber nach wie vor einen ziemlich verfallenen Eindruck. Dennoch wurden in letzter Zeit wesentliche Baumaßnahmen durchgeführt, die ein zumindest mittelfristiges Überleben des Schlosses möglich erscheinen lassen. So wurden die bereits einsturzgefährdeten zweistöckigen Arkaden an der Hofseite durch umfassende Fundamentsicherungen gerettet. Auch der Turm an der Nordostecke des Hauses, der nach Osten wegzukippen drohte, konnte wieder an die Fundamente des Schlosses angebunden werden. Dennoch bedarf das Gebäude auch weiterhin einer umfassenden Renovierung, um die sich unter anderem auch der Verein Denkmal Steiermark bemüht. 1976 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


08.11.2020